Herbert Janßen wird heute als Leiter der Ahrensburger Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule verabschiedet

Ahrensburg. Herbert Janßen, 65, weiß, wie ein erfülltes Berufsleben aussieht. Gut 35 Jahre lang hat er als Lehrer gearbeitet. Seine glücklichste Zeit begann 1992. Janßen wurde Gründungsdirektor von Ahrensburgs erster Gesamtschule, die seit 2010 Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule heißt. Heute verabschiedet ihn die Schule, die er geprägt hat, mit einem Fest. Seine Bilanz fällt rundum positiv aus: „Es war eine große Chance für einen Pädagogen, mit gleichgesinnten Kollegen an einem Strang zu ziehen und eine Schule aufzubauen, sie quasi neu zu erfinden und zu gestalten. Das ist ein extrem beglückendes Geschenk, das normalerweise im Beruf nicht zu erwarten ist.“

Wenn Herbert Janßen über das Gelingen von Schule spricht, dann erzählt er gern von einem Vorzeigekind. Es heißt Selma und führt beispielhaft vor, wie gut individuelles und gemeinsames Lernen sich verbinden lassen und welche positiven Effekte das hat. Selma steht für „selbstständiges Lernen mit anderen“ und ist eines der pädagogischen Spezialangebote, die an der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule entwickelt worden sind.

Die Schüler erfahren durch Selma, wie viel sie selbst können

„Jeder Unterrichtstag in unseren fünften und sechsten Klassen beginnt mit einer Selma-Stunde. Die Schüler haben Aufgaben in fünf Fächern zu bearbeiten. Mit welchem Fach sie sich beschäftigen, ob sie das allein tun, in Kleingruppen oder sich von Mitschülern helfen lassen, das können sie selbst entscheiden“, sagt Janßen. Der anwesende Lehrer ist nicht als Besserwisser gefragt, sondern eher Beobachter und Moderator und kann seine Schüler genauer als im Unterricht wahrnehmen. Über den Lernerfolg informiert ein individuelles Logbuch. „Selma bereichert alle Beteiligten. Die Schüler erfahren, wie viel sie selbst können. Das stärkt ihr Selbstvertrauen und hilft auch bei der Zusammenarbeit. Auch der, der mehr weiß, profitiert davon, wenn er etwas erklärt, weil er seine Kompetenzen vertieft. Es ist beeindruckend zu sehen, mit welcher Ernsthaftigkeit und Konzentration die Schüler bei der Sache sind.“

Selma lebt vor, was sich Herbert Janßen schon als bildungspolitisch engagierter Referendar gewünscht hat: „Das gemeinsame Lernen von Schülern mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, kurz: eine Schule für alle.“ Es war kein ideologisches Glaubensbekenntnis, dem Janßen folgte, sondern die Erfahrung als junger Lehrer am Ahrensburger Schulzentrum Am Heimgarten, wo er nicht nur Deutsch und Geschichte am Gymnasium, sondern auch an der Haupt- und Realschule unterrichtete und feststellte: „Im mehrgliedrigen Schulsystem war die Durchlässigkeit für viele Schüler verbaut, sie existierte quasi nur von oben nach unten. Es gab dort viele gebrochene Schülerkarrieren und Schülerseelen.“ Die Gesamtschule erschien Janßen als geeignete Alternative – und er fand Gleichgesinnte im Kollegium Am Heimgarten, nämlich Angelika Knies, Michael Scholz und Volker Wurr. Wem die Namen bekannt vorkommen, der liegt richtig: die drei sind ebenfalls Gemeinschaftsschulleiter – in Bargteheide, Reinfeld und Glinde.

Janßen bekam 1992 den Auftrag, am Wulfsdorfer Weg, an Stelle der Alfred-Rust-Schule, die im Heimgarten-Schulzentrum aufging, die Integrierte Gesamtschule (IGS) Ahrensburg aufzubauen. Voraussetzung war ein Wandel in der schleswig-holsteinischen Schulpolitik, nachdem die lange regierende CDU von der SPD abgelöst worden war. „Mit sechs Kollegen starteten wir dreizügig mit 82 Schülern. Wir sind dann durchgewachsen, bis wir 2001 die ersten Abiturienten hatten“, erzählt Janßen. Die Schule vergrößerte sich bis dahin von Jahr zu Jahr um drei Klassen. Heute hat sie 687 Schüler und etwa 70 Lehrer. Auch der Baukörper Schule hat sich rasant verändert. „Als wir anfingen, waren die Gebäude in einem desolaten Zustand“, sagt Janßen. Bis 2007 wurde im laufenden Betrieb modernisiert und erweitert. Die Schule bekam mit Einführung der offenen Ganztagsschule eine eigene Cafeteria, sie hat einen für Theateraufführungen geeigneten Saal und eine neue Dreifeldsporthalle, die hohen Ansprüchen gerecht wird.

Wichtiger war jedoch die Entwicklung eines überzeugenden pädagogischen Konzepts, mit dem die Leistungsanforderungen erfüllt werden könnten – Voraussetzung auch dafür, dass 1998 eine gymnasiale Oberstufe eingerichtet werden konnte. Obwohl die Schule die Standards des Bildungsministeriums erfüllte, wollte der Schulträger, die Stadt Ahrensburg, zunächst nicht mitziehen. Die konservative Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung stimmte dagegen. Vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig wurde die Oberstufe schließlich durchgesetzt. 2007 begann mit veränderten Schulgesetzen ein Neufindungsprozess in den „bewährten Strukturen der Anfangsjahre“ (Janßen). 2010 wurde die IGS in Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule, kurz SLG, umbenannt. 2013 wurde sie für ihre herausragende Vorbereitung auf den Beruf als „Starke Schule“ ausgezeichnet.

Herbert Janßen ist sehr zufrieden mit dem, was erreicht wurde. Er spricht über das gute Schulklima, darüber, dass Schüler auch später noch Kontakt zur Schule und zu Mitschülern halten, dass sie erzählen, wie gut sich der Unterricht an der SLG in ihrer Berufspraxis oder an der Uni bewährt habe.

Schule sollte den Bedürfnissen junger Menschen gerecht werden

Und doch bleibe Schule eine ständige Herausforderung, so Janßen: „Die zentrale Aufgabe ist auch heute, Schule so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen, Wünschen und Hoffnungen junger Menschen gerecht wird.“

Er selbst will künftig ruhiger leben und sich wieder mehr der alten Leidenschaft des Deutsch- und Geschichtslehrers für gründliche Lektüre widmen. Die Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule möchte er gern ab und zu besuchen, kündigt er an und fügt rasch hinzu: „Ich werde aber sicherlich nicht als Gralshüter durch die Gänge spuken, der guckt, wie es läuft.“