19 Monate alter Oldesloer nach Kontakt mit Ersatzdroge in Lebensgefahr. Nachbarschaftstreff und Amt bieten Hilfe an

Bad Oldesloe. Ein 19 Monate alter Junge in Bad Oldesloe wäre um ein Haar an den Folgen einer Methadonvergiftung gestorben. Der Vater hatte die Ersatzdroge in Wasser aufgelöst und das nicht vollständig geleerte Glas stehen lassen – erreichbar für das Kleinkind. Es wurde mit lebensgefährlichen Vergiftungssymptomen in ein Hamburger Krankenhaus gebracht. „Sein Zustand hat sich zum Glück stabilisiert“, sagt Jugendamtsleiter Wilhelm Hegermann. Die Polizei ermittelt.

Wie jetzt bekannt wurde, hat sich der Vorfall am Sonntagabend in einem Hochhaus im Oldesloer Viertel Schanzenbarg ereignet – in der Wohnung der 37 Jahre alten Mutter, die von ihrem Lebenspartner, dem Vater des Kindes, getrennt lebt.

Niemand sieht es, als der Junge das Glas nimmt

Der 55-Jährige kommt an diesem Sonntag zu Besuch. Wie so oft. Er geht in die Küche und rührt sich seine abendliche Dosis Methadon an. Sie ist dem ehemaligen Drogenabhängigen ärztlich verschrieben worden. Soweit ist alles in Ordnung. Aber ein Rest der Flüssigkeit bleibt im Glas. Vielleicht auch nur einige Tropfen. Für seinen Sohn ist auch das zu viel. Niemand sieht es, als der Junge das Glas nimmt.

„Es ist der Mutter zu verdanken, dass das Kleinkind noch lebt“, sagt der Leiter des Stormarner Jugendamtes. „Sie kam, hat die Situation sofort erkannt, sachgerecht gehandelt und vor allem schnell reagiert.“

Die Mutter wählt 112. Um 18.30 Uhr geht der Notruf geht bei der Stormarner Rettungsleitstelle ein. Von dort wird der Rettungsdienst alarmiert und ein Notarzt angefordert. Auch die Polizei wird sofort eingeschaltet. Die wiederum informiert den Bereitschaftsdienst des Jugendamtes.

„Das ist das gängige Verfahren“, sagt Polizeisprecherin Sonja Kurz, die froh ist, dass der Fall so glimpflich abgelaufen ist. „Ich habe mich beim Krankenhaus erkundigt. Der Junge ist außer Lebensgefahr.“ Das hätte auch anders ausgehen können.

Der Notarzt eilt in den siebten Stock. Die Zeit drängt. Wie sich Methadon auf den Körper eines Kleinkindes auswirkt, vermag niemand abzuschätzen. Parallel rückt eine Streifenwagenbesatzung der Polizei an. Die Beamten treffen Vater und Mutter, das Kind und eine weitere Tochter der Mutter aus einer anderen Beziehung an. Der kleine Junge ist auf dem Arm der Mutter, wach und noch ansprechbar. Um keine Zeit zu versäumen, wird das Kind sofort in ein Hamburger Krankenhaus gefahren.

„Bei der Einnahme von Methadon besteht die Gefahr, dass es zu Atemnot kommen kann“, sagt die Polizeisprecherin. „Das Wichtigste war also zunächst, den Lütten zu versorgen. Danach haben die Beamten mit den Eltern gesprochen und sich ein Bild von der Lage verschafft.“ Ob die Eltern nur abgelenkt waren oder das Kind allein im Raum ließen, könne sie nicht sagen. Sonja Kurz: „Zu den näheren Umständen kann ich mich noch nicht äußern.“ Fakt ist, dass die Polizei gegen den Vater wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt.

Jugendamt will Vater Umgang mit dem Sohn verbieten lassen

Die Mutter lebt mit ihrem kleinen Sohn erst seit wenigen Monaten in dem Hochhaus am östlichen Rand von Bad Oldesloe. Knapp 50 Wohnungen befinden sich in dem achtstöckigen, schlecht erhaltenen Haus. Auch Erika Vogelsang lebt hier. „Ich kenne die Eltern und das Kind nur vom Sehen. Sie sind erst vor Kurzem hier eingezogen“, sagt die 51-Jährige. „Wir haben uns gegrüßt, wenn wir uns auf dem Flur getroffen haben, aber nie wirklich miteinander gesprochen. Die Eltern machten eigentlich einen netten Eindruck.“

Von dem Vorfall am Sonntag habe sie nichts mitbekommen. „Das tut schon weh“, sagt die Oldesloerin. „Ich habe selbst vier Kinder, da weiß man, was das bedeutet.“ Ein anderer Nachbar, der nicht namentlich genannt werden möchte, hat die Rettungs- und Polizeiwagen vor dem Haus gesehen. „Das passiert hier öfter, dass Polizei oder Notarzt vorbeikommen“, sagt er. „Ich habe mir nichts dabei gedacht.“

Maria Herrmann von der Evangelischen Stiftung Alsterdorf betreut das Nachbarschaftszentrum SchnanZe, das direkt neben dem Wohnhaus liegt. „Wir stehen Familien in diesem Viertel als Anlaufstelle zur Verfügung“, sagt sie. „Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Familie zu unterstützen, so gut wir können.“

Das Jugendamt hatte schon früher Kontakt mit der 37-Jährigen, die nicht nur den kleinen Sohn, sondern mehrere Kinder aus verschiedenen Beziehungen hat. „ Sie ist sehr früh Mutter geworden . Deswegen sind die anderen Kinder in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht“, sagt Wilhelm Hegermann.

Auch nach der Geburt des jetzt 19 Monate alten Sohnes habe das Jugendamt die Frau kontinuierlich begleitet. „Sie hat eine Familienhebamme bekommen und eine sozialpädagogische Hilfe, die sich um den Haushalt gekümmert hat. Jetzt überlegen wir, ob wir diese Hilfe wieder aufleben lassen“, sagt Hegermann. Die Mutter habe aber stets einen vernünftigen Eindruck gemacht und auch in diesem Fall verantwortlich gehandelt. „Es gibt aus unserer Einschätzung keinen Grund, warum das Kind nicht wieder zu ihr sollte.“

Fälle wie dieser seien nicht auszuschließen. „Es gibt keine 24-Stunden-Begleitung oder Kontrolle“, sagt Hegering. Dem Vater will das Jugendamt allerdings per richterlichem Beschluss den Umgang mit dem Jungen verbieten.