Station Beimoor in Großhansdorf wurde nie fertiggestellt. Heute ist das alte Gemäuer Winterschlafquartier

Großhansdorf. Als Arnhart Klupsch den ersten Gast entdeckt, freut er sich ganz leise. „Oh, da hockt eine“, flüstert er und lächelt. Bloß nicht aufwecken, das Braune Langohr. In der Ritze eines Hohlblocksteins hat sich das Fellknäuelchen eingerollt und schlummert. Der Großhansdorfer klemmt die Taschenlampe unter den Arm, fingert Schmierzettel und Stift aus der Brusttasche seiner Jacke und notiert sich die Art der entdeckten Fledermaus. Seit dem Winter 1988 zählt er die Tiere, die für den Winterschlaf in das Fledermausquartier der Waldgemeinde kommen.

Es ist ein besonderer Ort. Nicht nur wegen seiner Übernachtungsgäste. Errichtet wurde das Gebäude vor 100 Jahren als Bahnhof. Die Haltestelle Beimoor liegt etwa einen Kilometer hinter der Endhaltestelle der U1, dem Bahnhof Großhansdorf, und wurde nie in Betrieb genommen. Den Grund kennt Bürgermeister Janhinnerk Voß: „Der Krieg brach aus, und der Plan, in der Umgebung eine Trabantenstadt zu bauen, wurde zu den Akten gelegt. Die Haltestelle war nicht mehr notwendig.“ Die Gleise wurden abgebaut, Bahndamm und Gebäude blieben erhalten. Ein Geisterbahnhof am Ortsrand.

Dann kam Arnhart Klupsch. Ein Vortrag über Fledermäuse in Trittau brachte den Juristen auf die Idee, im Bahnhof Beimoor ein Quartier einzurichten. Gemeindeverwaltung und Politik waren überzeugt, und das Gebäude wurde fledermausgerecht umgebaut. Deswegen watet Klupsch nun in Gummistiefeln durch etwa 40 Zentimeter hohes Wasser. Bis auf die Stellen, die seine Taschenlampen ausleuchten, ist es stockduster in dem Gewölbe.

In den Ritzen der insgesamt rund 80 Steine schlafen die Fledermäuse

Aus dem Wasser ragen zwei Mauern aus Hohlblocksteinen. Mehrere Türmchen aus demselben Baustoff gehen dem Feldermausschützer bis zur Hüfte. Die Ritzen der Steine sind die favorisierten Schlafplätze der Fledermäuse. Rund 80 Steine sind verbaut. Klupsch steht auf einem Steinstapel, den Kopf im Nacken, und leuchtet die 3,80 Meter hohe Decke im vorderen Teil des Gewölbes ab. Dort hängen noch mehr der Steine. „Franse, Langohr, noch ein, nein, zwei Langohr“, murmelt er und klettert herab. Jeden Schlitz im Gemäuer untersucht der Großhansdorfer. Gute Augen und gutes Gleichgewichtsgefühl sind die wichtigsten Fähigkeiten des Fledermausvaters.

Im hinteren Teil des Gewölbes ist die Decke fünf Meter hoch. Durch ein faustgroßes Loch in der Decke tropft Wasser und erzeugt beim Aufschlag auf die Wasseroberfläche ein rhythmisches Platschen. Ein Messgerät zeigt an: zwei Grad Celsius, 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. Drinnen ist es kälter als draußen. Prima Winterschlafklima. Klupsch hängt sich seine Taschenlampe um, stopft Zettel und Stift in seine Jackentasche und klettert auf die Leiter, um die Schlitze in der Wand zu untersuchen.

Wiederholt haben Unbekannte versucht, in den Geisterbahnhof einzubrechen

Schon der Einstieg ins Quartier ist eine Herausforderung. In einem Meter Höhe hängt die Stahltür, eingemauert in die Außenwand des alten Bahnhofes. Noch höher liegt der Eingang für die Gäste – ein Schlitz in der Größe eines Ziegelsteins. Um ins Gebäude zu kommen, hat Klupsch stets einen Hocker dabei und einen Schlüssel und einen Schraubendreher. Die Tür ist mehrfach gesichert. Außer Klupsch verwahrt noch der Bauhof der Gemeinde einen Schlüssel. Es ist eine Tür, die Neugierde weckt. „Es wurde schon mehrfach versucht, einzubrechen“, sagt Klupsch. Die Gemeinde hat ein Schild aufgestellt: „Hinter dieser Tür befindet sich ein Winterquartier für die vom Aussterben bedrohten Fledermäuse. In den Räumen steht Wasser. Übernachten ist nicht möglich. Es befinden sich dort keine Gegenstände wie Werkzeuge.“

Es sei wichtig, dass keine Unbefugten eindringen, sagt Klupsch: „Der Winterschlaf darf nicht gestört werden.“ Der Fledermausvater kommt selbst ein-bis zweimal zwischen Oktober und April zur Zählung. In den ersten Jahren hätten nur wenige Tiere das Quartier genutzt, erzählt er. „Die erste Fledermaus blieb nur wenige Wochen.“ Dann wurden es mehr Überwinterungsgäste. Zur Jahrtausendwende kamen 25 Fledermäuse. Der Rekord. Zuletzt habe sich die Zahl auf durchschnittlich 15 Tiere eingependelt – meist seien es Braune Langohren und Fransenfledermäuse, sagt Klupsch. Anhand der Daten, die Klupsch und seine Kollegen in ganz Deutschland, erheben, kann die Population der Tiere überwacht werden. Diesmal zählt er elf Tiere.

„Wir sind sehr froh, dass Herr Klupsch sich um das Quartier kümmert“, sagt Voß. Das könne nicht jeder. In der Tat. Und der Beobachter will es dem drahtigen Mann mit der grauen Wollmütze über dem weißen Haar nicht abnehmen, wenn er sagt, er sei 81 Jahre alt. Aus der Tür ins Freie klettert und sie verschließt – bis zum Herbst.