Reinbeker reiste im Wohnmobil allein 38.000 Kilometer durch die USA und Kanada. Nun hält er einen Vortrag

Reinbek. Wenn Helge Lemke von seiner Reise spricht, leuchten seine Augen, als würde er sie in diesem Moment noch einmal durchleben. Der heute 73-Jährige verschiffte im Februar 2010 sein Wohnmobil von Hamburg nach Baltimore. Er selbst konnte erst zwei Monate später nachreisen – der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull kam ihm dazwischen. „Und dann ging das Abenteuer los“, sagt der Reinbeker , der bereits 30 Jahre lang mit einer Tour dieser Art liebäugelte. Einzelne Punkte der 38.000 Kilometer langen USA-Kanada-Route standen ziemlich schnell fest: „Ich wollte auf jeden Fall die Niagara-Fälle, das Tal des Todes in der Mojave-Wüste sehen und das Monument Valley an der Grenze Arizonas.“ Las Vegas stand auf Lemkes Liste und eine Fahrt auf dem 1390 Kilometer langen Alaska-Highway. Er wollte Bären beim Lachsfangen zusehen, kaum bekannte Straßen erkunden und das Leben der Inuits, eines der ältesten Völker der Erde, kennenlernen. All das allein und auf eigene Faust.

Die erste Reise mit dem Wohnmobil führte ein Jahr lang quer durch Europa

„Das liegt in meiner Natur“, so Helge Lemke, der auch in seinem Berufsleben immer selbstständig war. Nach einer kaufmännischen Lehre zuerst mit einem Wurstwaren-Großhandel, dann als Inhaber einer Segelschule. In den 80-er Jahren kaufte er Immobilien, ließ sie aufwendig renovieren und verkaufte sie mit Gewinn. Nach weiteren zehn Jahren wechselte Lemke wieder den Job: Er plante und entwickelte Windkraftanlagen und war am Bau von fünf Windparks beteiligt. „Ich habe immer das gemacht, was mich interessiert hat und woran ich Spaß hatte.“ Natürlich sei auch wichtig gewesen, genügend Geld zu verdienen. „Ich hatte ja eine Familie, die ich ernähren musste.“ Gemeint sind die beiden Söhne Moritz und Robert sowie seine Frau Ulrike.

Seit 46 Jahren ist sie an seiner Seite. Gemeinsam mit ihr hat Helge Lemke die Liebe zum Reisen im Wohnmobil entdeckt. Ulrike Lemke-Napp: „Ende der 70-er Jahre hatten wir uns ein Ferienhaus an der Ostsee gebaut. Aber irgendwann kam das Urlaubsgefühl abhanden, weil es in Haus und Garten ständig etwas zu tun gab.“ Im Jahr 1981 durchstöberte das Ehepaar im Hamburger Abendblatt die Anzeigenseiten und stieß dabei auf das Verkaufsangebot für ein amerikanisches Wohnmobil.

„Wir waren uns sofort einig: Das wollen wir haben.“ Bald darauf starteten sie mit den Kindern zur ersten Tour. Die beiden Jungs waren noch nicht in der Schule und Lemkes damit nicht auf Ferien angewiesen. Statt drei Wochen Italien ging es deshalb gleich für ein ganzes Jahr quer durch Europa. Es folgten noch viele gemeinsame, kurze und lange Urlaube in dem „Hotel auf vier Rädern“.

Zur Reise in die USA und Kanada brach Helge Lemke 2010 aber alleine auf. „Das war ich mir irgendwie schuldig“, so der 73-Jährige. Lemke hatte ein schweres Jahr hinter sich. „Anfang 2009 diagnostizierten die Ärzte bei mir Krebs.“ Nahezu die gesamte Leber sei voller Metastasen gewesen, wo der Ursprungs-Tumor wucherte, schien den Medizinern ein Rätsel zu sein. 18 Chemotherapien musste Lemke über sich ergehen lassen. „Doch ich habe mich nie jammernd aufs Sofa gesetzt. Ich hatte die Vorstellung, dass Bewegung dem Körper helfen würde, besser mit dem Gift klarzukommen.“ In den Pausen zwischen den Therapien „flüchtete“ Helge Lemke regelmäßig nach Teneriffa, wo er mit seiner Familie schon so oft Urlaub gemacht hatte. Dort stieg er auf Berge, machte Strandspaziergänge, schwamm täglich seine Runden. „Ich bin überzeugt, dass mir das geholfen hat, diese schlimme Zeit zu überstehen“, sagt er heute.

Nach der letzten Chemotherapie Anfang 2010 fasste er den Entschluss, seinen langjährigen Traum endlich in die Tat umzusetzen: Eine Fahrt mit dem eigenen Wohnmobil von der Ostküste der USA quer nach Westen und von dort in den Norden durch Kanada bis hin nach Alaska. „Alleine unterwegs zu sein bedeutet, dass man seinem eigenen Rhythmus folgen kann.“

Plötzlich schaute ein Grizzly durch ein Fenster der rollenden Wohnung

Einsamkeit und Langeweile kamen bei Helge Lemke nie auf. „Es war zwar oft menschenleer, dafür aber bärenvoll“, sagt Helge Lemke. Mehr als einmal ist der Reinbeker den beeindruckenden Raubtieren begegnet. „Ich stand in meinem Wohnmobil am Herd und habe Lachs angebraten. Plötzlich sehe ich, wie mich ein Grizzly durchs Fenster beobachtet.“ 1,80 Meter groß muss der Bär mindestens gewesen sein, denn auf dieser Höhe ist das Fenster angebracht. „Er sah mich ganz ruhig an, schnüffelte kurz und ging weiter. Wahrscheinlich mochte er keinen gebratenen Lachs. Oder keine alten Männer wie mich.“ Helge Lemke lacht und zeigt stolz das Foto, das er nach der ersten Schrecksekunde von dem Grizzly gemacht hat, bevor der wieder seines Weges ging.

Das ist nur eine der vielen interessanten, manchmal nachdenklich stimmenden, oft lustigen und immer unterhaltsamen Geschichten, die der Weltreisende bei seinem Vortrag im Reinbeker Schloss erzählen und mit Fotos dokumentieren wird. Er schildert Begegnungen mit Einheimischen, die sein Interesse an ihrem Land mit großer Gastfreundschaft belohnten. Oder das Zusammentreffen mit den Wohnmobil-Touristen aus dem Harz, denen er erst mal gezeigt habe, „wie viel schöner das Campen in der Wildnis im Vergleich zu einem Campingplatz ist“.

Die nächste lange Reise ist noch nicht geplant. Aber auch heute setzt sich Helge Lemke immer mal wieder in sein Wohnmobil und fährt einfach los. Doch ein halbes Jahr muss Ehefrau Ulrike heute nicht mehr auf ihn warten. „Meistens ist er zum Abendessen wieder zu Hause.“

Helge Lemkes Vortrag „USA – Kanada – Alaska – 38.000 km mit dem Wohnmobil“ beginnt am Freitag, 16. Januar , um 19 Uhr im Schloss Reinbek. Der Eintritt beträgt acht Euro. Veranstalter ist der Kulturverein Schönhagen. Kontakt zu Helge Lemke und Kartenvorverkauf unter der Telefonnummer 040/7229991.