Das wellcome-Team hilft Stormarnern auf vielfältige Weise, den Stress zu bewältigen, den Babys auslösen. So können sich Eltern eine Auszeit gönnen

Ahrensburg. Ganz oben auf dem Wunschzettel frischgebackener Eltern stehen Gesundheit und Wohlergehen ihres Babys. Die eigenen Bedürfnisse werden zurückgestellt, wann geschlafen, gegessen oder geduscht werden kann, bestimmt das neue Familienmitglied. So groß das Babyglück auch ist – der veränderte Lebensrhythmus kostet Nerven und sorgt häufig für seelischen und körperlichen Stress. „Das geben aber vor allem die Mütter nicht gern zu“, sagt Diakonin und Elternberaterin Birgit Mütze von der Evangelischen Familien-Bildungsstätte Bad Segeberg. Seit sechs Jahren koordiniert sie in den Kreisen Segeberg und Stormarn das Projekt „wellcome“, das sich als moderne Nachbarschaftshilfe versteht und junge Familien lebensnah und unbürokratisch unterstützt. Dafür sorgt Birgit Mütze in ihrer Region mit einer Gruppe aus rund 20 sogenannten wellcome-Engeln. Allesamt erfahrene Frauen, die ehrenamtlich einspringen, um Mütter und Väter im ersten Elternjahr zu entlasten.

„Wie die konkrete Hilfe aussieht, ist ganz unterschiedlich“, sagt Marion Zilm. Die 50-Jährige ist seit fünf Jahren Teil des wellcome-Teams. Innerhalb dieser Zeit hat die gelernte Kinderkrankenschwester zehn Familien begleitet. „Ich richte mich komplett nach den Wünschen der Eltern. Manche Frauen möchten sich zum Beispiel gern einfach mal eine Stunde hinlegen.“ Als dreifache Mutter weiß Marion Zilm, dass erholsamer Schlaf in den ersten Monaten mit Baby Mangelware ist. „Meistens gehe ich so lange mit dem Kind spazieren. Manchmal reicht es aber auch, da zu sein und das Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit zu vermitteln.“ Ein- bis zweimal in der Woche steht Zilm „ihren“ Familien bis zu jeweils drei Stunden als Gesprächspartnerin, Ersatz-Mutter, Spielkameradin für Geschwisterkinder oder als Begleiterin bei Arztbesuchen zur Verfügung. „Alles, was der Mutter hilft, ist mein Auftrag.“

Die Hilfe kann im ersten Lebensjahr des Kindes jeder in Anspruch nehmen

Welcher helfende Engel zu welcher Familie passt, versucht Koordinatorin Birgit Mütze in einem Vorabgespräch herauszufinden. „Die Eltern schildern mir ihre Situation, stellen Fragen und äußern Wünsche. Ich kann am Telefon schon viel Beratungsarbeit leisten und sie gegebenenfalls auch an andere Organisationen weiterleiten.“

Seit wellcome 2002 in Hamburg gegründet wurde, hat sich der gemeinnützige Verein ein großes soziales Netzwerk aufgebaut. Zu den Kooperationspartnern gehören unter anderem der Deutsche Kinderschutzbund, die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas sowie unterschiedliche Stiftungen. Im Jahr 2007 übernahm Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bundesschirmherrschaft.

Die Unterstützung der wellcome-Engel kann im ersten Lebensjahr des Kindes jeder in Anspruch nehmen. Birgit Mütze: „Egal, welche soziale Schicht oder Religion, ob alleinerziehend oder als Paar, ob erstes oder viertes Kind – sobald Eltern merken, dass ihnen regelmäßige kleine Auszeiten guttun würden, können sie sich bei uns melden.“ Je früher das sei, desto besser. „Gerade jungen Mütter fällt es schwer, sich einzugestehen, dass sie mit der neuen Lebenssituation nicht allein klarkommen. Sie setzen sich damit unter großen Druck.“

Nach Geburt des zweiten Sohnes war eine Ahrensburgerin überfordert

So ging es auch Petra Bolz. „Ich schaffe das schon“, dachte die 37-Jährige, als sie vor 15 Monaten ihr zweites Kind, Jari, zur Welt brachte. Seine große Schwester Frieda war zu dem Zeitpunkt drei Jahre alt. „Man schafft es ja auch wirklich irgendwie. Nur der Preis ist sehr hoch“, so die studierte Grafikerin, die vor zwei Jahren von Hamburg nach Ahrensburg gezogen ist. „Wir kannten hier niemanden. Weder Eltern noch Schwiegereltern leben in der Nähe. Und auch Freunde und Bekannte wohnen nicht gleich um die Ecke.“ Tagsüber war Petra Bolz ganz allein mit den beiden Kindern. „Frieda ist sehr aktiv und fordert viel Aufmerksamkeit. Nach schier schlaflosen Nächten, in denen ich mich alle zwei Stunden um Jari gekümmert habe, war ich irgendwann kurz vorm Umkippen.“

Heute würde die junge Mutter früher um Unterstützung bitten und empfiehlt wellcome auch ihren Freundinnen weiter. „Mit Frau Zilm als wellcome-Engel hatte ich außerdem noch großes Glück: Das hat von Anfang an super gepasst.“ Die 50-Jährige kam über mehrere Monate hinweg in die Familie. Sie spielte mit Frieda, während Mutter Petra sich Sohn Jari widmen konnte, oder ging mit beiden Kindern auf den Spielplatz. „Es ist ein Vertrauensverhältnis entstanden“, meinen beide Frauen übereinstimmend. Zilm: „Ich freue mich darüber, wenn ich merke, wie gut mein Dasein den Müttern tut“, so Zilm. „Das ist der schönste Lohn.“

Derzeit ist Marion Zilm die einzige wellcome-Mitarbeiterin im Raum Bargteheide, Ahrensburg und Großhansdorf. „Ich würde mich freuen, wenn noch jemand Lust hat, sich für Familien zu engagieren.“ Voraussetzungen sind ein offenes Wesen, Erfahrung beim Umgang mit Kindern und die Eigenschaft, sich auf unterschiedliche Menschen einstellen zu können. Mehrmals im Jahr gibt es außerdem Treffen und Fortbildungen innerhalb der wellcome-Teams.