Nach Anschlag auf Flüchtlingsunterkunft in Grabau kommen mehr als 600 Menschen zur Solidaritätskundgebung in die Oldesloer Peter-Paul-Kirche

Bad Oldesloe. Sie wollten ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz setzen. Sie haben ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gesetzt. Mehr als 600Menschen kamen aus Solidarität mit Flüchtlingen in Stormarn in die Peter-Paul-Kirche nach Bad Oldesloe. Das Oldesloer Bündnis gegen rechts hatte zu der Kundgebung eingeladen. Anlass der Protestaktion war der Anschlag mit einer Rauchbombe auf eine Flüchtlingsunterkunft in Grabau am 2.Januar (wir berichteten).

„Unten ist alles voll, bitte gehen sie nach oben“: Diesen Satz wiederholt Hartmut Jokisch vor Beginn der Veranstaltung in der Endlosschleife. Trotzdem lächelt das Mitglied vom Bündnis gegen rechts. Jokisch steht in der Empfangshalle der Oldesloer Kirche und weist die Besucher ein. Es ist Sonnabend 10.45 Uhr, eine Viertelstunde vor dem Beginn der Kundgebung. Die Bänke im Kirchenschiff sind bereits bis auf den letzten Platz besetzt.

Einige Menschen haben einen Zettel auf ihren Rücken kleben. „Mir seid ihr willkommen“ steht in bunten Buchstaben darauf. Auch auf den Rängen im ersten und zweiten Stock der Kirche füllen sich nach und nach die Plätze. Um 11.10 Uhr stehen die Gäste, die sich als letztes durch Sturmböen und Regen gekämpft haben, eng an eng in der Empfangshalle. Wegen des Orkans hatte das Bündnis die Kundgebung von der Straße in das Gotteshaus verlegt.

„Überwältigt“ ist Initiator Walter Albrecht, Mitglied vom Bündnis gegen rechts und Initiator der Kundgebung, angesichts der vielen Menschen in der Peter-Paul-Kirche. „Ich freue mich sehr, dass so viele hier sind“, sagt er bei seiner Eröffnungsrede, „überrascht bin ich aber nicht.“ Nichts anderes habe er von den Stormarnern erwartet, sagt er.

Zwölf Redner ergreifen an diesem Vormittag das Wort. Am aufmerksamsten lauschen die Teilnehmer den Worten von Firas Fayad Agha. Der Syrer lebt in Grabau in der betroffenen Unterkunft und hat den Anschlag miterlebt. Vor zehn Tagen hatten Unbekannte eine Rauchgaspatrone im Treppenhaus der Unterkunft gezündet. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Lübeck geht von aus, dass das Motiv der Täter Fremdenfeindlichkeit ist.

Sechs der neun Bewohner sind im Haus, als der Rauch alles vernebelt. Sie flüchten aus dem Gebäude. Zwei Männer ziehen sich Verletzungen zu, werden mit Augenschmerzen und Verdacht auf Rauchvergiftung in das Heidberg-Krankenhaus nach Hamburg-Langenhorn gebracht. Nach einer Nacht, die die Flüchtlinge aus Angst vor einem erneuten Anschlag in einem Landgasthaus in Travenbrück verbringen, kehren die Männer aus dem Jemen, Afghanistan und Syrien wieder in ihre Graubauer Unterkunft zurück.

„Das war ernst“, sagt Firas Fayad Agha über den Anschlag. Doch die Reaktion der Grabauer in den Tagen danach und die vielen Menschen, die an diesem Sonnabend zu der Kundgebung nach Bad Oldesloe gekommen sind, ließen seine Mitbewohner und ihn wieder Sicherheit fühlen, sagt er. Firas Fayad Agha dankt den Oldesloern, lächelt und breitet die Arme aus. „Wir wollen uns integrieren“, sagt er, „Stormarn ist nun unsere neue Heimat.“ Damit ist er noch nicht ganz am Ende, denn etwas möchte er noch sagen: „Ich verurteile die Geschehnisse in Paris.“

Der tödliche Angriff auf die Redaktion der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo spielt an dem Tag in Bad Oldesloe eine Rolle, genauso wie die Geschehnisse in Dresden, der Stadt, in der die umstrittenen Pegida-Demonstrationen ihren Anfang nahmen. So ruft Pastor und Gastgeber Volker Hagge zur Schweigeminute für die Toten von Paris auf. Der Stormarner Landtagsabgeordnete Tobias von Pein (SPD) sagt über die Pegida-Anhänger: „Das sind verwirrte Meinungen und alarmierende Tendenzen. Aus Bad Oldesloe geht heute aber ein anderes Signal aus, nämlich eines für Toleranz und Freundschaft.“ Überwältigend sei das.

„Die Angreifer von Grabau, aber auch diejenigen, die fremdenfeindliche Gedanken haben, das sind diejenigen, die hier nicht willkommen sind“, sagt Hendrik Holtz, Stadtverordneter der Linken aus Bad Oldesloe. Die 600 Menschen in der Kirche klatschen bei diesen Wörtern, ebenso wie beim Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz. Der betont: „Menschwürde, Nächstenliebe, Toleranz und Offenheit, das sind unsere, das sind die europäischen Werte.“

Eine Stunde dauert die Kundgebung. Die letzten Worte hat Initiator Albrecht. Er beschließt die Veranstaltung nach aller Einigkeit mit einer deutlichen Ansage. Albrecht sagt: „Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz haben weder in Grabau noch in Stormarn noch sonst irgendwo etwas zu suchen. Wir werden diese Tendenzen bekämpfen.“