Bank-Geheimnisse: In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Peter Kraus vom Cleff, Chef des Reinbeker Rowohlt Verlags

Reinbek. Peter Kraus vom Cleffist der Chef im Maschinenraum. Sagt er selbst. Klingt nach einem Job, der ideal passt, denn Kraus vom Cleff stammt aus dem Bergischen Land, einer Region, die von Maschinen- und Anlagenbau lebte. Metallverarbeitung hat auch in seiner Familie Tradition, die in der Wuppertaler Gegend zu Hause war und sich urkundlich bis 1635 zurückverfolgen lässt. Fast folgerichtig, dass er seine erste Stelle nach dem Studium im Vorstandsstab beim Industriekonzern Mannesmann-Demag bekam.

Und jetzt also Chef im Maschinenraum. Das ist allerdings nur bildlich gesprochen, denn Peter Kraus vom Cleff, 47, arbeitet seit sechseinhalb Jahren als Geschäftsführer bei Rowohlt in Reinbek. Passt aber trotzdem bestens, weil er als kaufmännischer Verantwortlicher dafür sorgt, dass der 106 Jahre alte Traditionsverlag läuft. Und es passt auch insofern, als er sich selbst als „Büchermensch“ sieht und eine bildhafte Sprache bevorzugt.

„Ein Verlag ist ein Wirtschaftsunternehmen, das man nicht kaufmännisch trocken führen kann. Ich bin ein buchaffiner Controller, der so viel mit kreativen Menschen zu tun hat, dass er einen Draht zu ihnen haben muss, damit ein gemeinsamer Sound entsteht. Es geht in der Kulturwirtschaft um einen Spagat zwischen Anspruch und Wirtschaftlichkeit“, sagt Kraus vom Cleff. „Als Verlag entwickeln und fördern wir Autoren, wir bekommen jedoch für unsere Arbeit keine öffentliche Förderung wie Theater und Museen, müssen ausreichend Geld mit dem verdienen, was wir produzieren.“

Schwieriger Übergang eines LiteraturVerlages in das digitale Zeitalter

Der Geschäftsführer vergleicht Rowohlt gerne mit einem Schiff. Die Verlegerin Barbara Laugwitz ist demnach Kapitän und gibt den inhaltlichen Kurs vor. Doch ohne Herstellung, IT, Vertrieb und Marketing wäre das Ganze nicht seetüchtig. Und ohne funktionstüchtige Maschine sowieso nicht.

Kraus vom Cleff hat den Maschinenraum 2008 in rauer See von seinem damals pensionierten Vorgänger Helmut Dähne übernommen. Der veröffentlichte direkt danach ein Taschenbuch bei rororo, dessen Titel als Motto für seinen Nachfolger taugt: „Immer schön flüssig bleiben“. Eine Aufgabe, die schwieriger geworden ist, denn Peter Kraus vom Cleff muss den Übergang eines literarischen Verlages ins digitale Zeitalter managen.

Er beschreibt, wie sich das Geschäft rasch gewandelt hat und wie Rowohlt darauf reagiert: „Die Backlist, also unser Bestand an bewährten Titeln, ist ökonomisch weniger bedeutsam als früher. Und es gibt keine sicheren Umsatzbänke mehr à la 150.000 Exemplare der „Vorstadtkrokodile“ von Max von der Grün, nur weil der Roman als Schullektüre ausgewählt wurde. Wir bringen 370 Titel im Jahr heraus und erzielen damit den Umsatz, den wir vor zehn Jahren mit doppelt so viel Neuerscheinungen hatten. Außerdem machen wir deutlich mehr Geschäft mit unseren Spitzentiteln, damit steigt auch das Risiko.“ Der Verlag setzt deshalb beim Marketing zum Wohl des Ganzen verstärkt auf Bücher und Autoren, die hohe Auflagen versprechen und so unterschiedlich sein können wie Jonathan Franzen, Simon Beckett, Jojo Moyes und Eckart von Hirschhausen.

Dennoch bleibe das Geschäft ungewiss: „60 Prozent vom Umsatz machen wir mit Veröffentlichungen, die es im Vorjahr nicht gab. Manche Bücher erscheinen gar nicht, zum Beispiel weil der Autor nie fertig wurde. Andere überraschen uns positiv. Die Bandbiografie der Toten Hosen kam erst Ende November heraus, eigentlich viel zu spät fürs Weihnachtgeschäft – in den ersten drei Wochen haben wir 126.000 Bücher verkauft. So etwas lässt sich nicht planen.“

Die Digitalisierung hat den Verlag verändert. Er spürt mittelbar die Krise seines wichtigen Partners, des Flächenbuchhandels. Auch Rowohlt musste sich neu erfinden. „Der Umsatzanteil unserer digitalen Produktion beträgt inzwischen 14 Prozent. Das hat sich jährlich verdoppelt, seit wir 2008 mit dem Digitalbuch begonnen haben“, sagt Kraus vom Cleff. Manche Formate erscheinen ausschließlich digital: Stücke in Rowohlts Theaterverlag, kleine Formate großer Autoren unter dem Label „E-Book only“ oder sogar die rororo-Monografien, die als Printausgaben mittlerweile wirtschaftlich keine große Rolle mehr spielen. „Die gehören zur Identität unseres Hauses, haben aber ihren Wert als bildungsbürgerliche Tapete verloren. Wir bieten jetzt unsere Monografien zum Stückpreis von 3,99 Euro als Downloads an.“

Auch das ist eine Gratwanderung: sich verändern und doch treu bleiben. „Wir wollen ein literarischer Verlag mit populären Begleitschiffen sein“, sagt der Geschäftsführer. Er nennt das „traditionell innovativ“. Rowohlt soll als Qualitätslabel weiterbestehen. Dazu gehört die Pflege und Weiterentwicklung des literarischen Erbes, zum Beispiel der Fokus, den der Verlag von Hemingway und Faulkner auf große amerikanische Literatur setzt, also Autoren wie Philip Roth, Thomas Pynchon, John Updike, Paul Auster, Jonathan Franzen, Jeffrey Eugenides und Denis Johnson. „Und es werden auch immer wieder Projekte mit negativem Deckungsbeitrag gemacht, wenn uns der Titel programmatisch wichtig ist.“

Noch immer gilt, was Verlagsgründer Ernst Rowohlt einst forderte: „Mein Verlag hat kein Gesicht, mein Verlag hat 1000 Augen.“ Jeder Mitarbeiter ist also gefragt. „Nehmen Sie unsere Verlegerin Barbara Laugwitz. Sie hat in Oxford Altphilologie studiert, aber auch drei Jahre lang im Baumarkt an der Kasse gejobbt. Wir brauchen auch einen Blick dafür, was normale Menschen gerne lesen wollen“, so Peter Kraus vom Cleff.

Er selbst hat sich den Blick für die Vielfalt des Lebens bewahrt. Sein volks- und betriebswirtschaftliches Studium finanzierte er mit Action Cooking für einen Weinhändler. Gelernt hat er das Kochen in großem Stil als Zivi in einer Jugendherberge. Als dort der Koch ausfiel, sprang er mutig ein und war dann 16 Monate lang für die Zubereitung von 140 Mahlzeiten am Tag verantwortlich. Und sein Auslandssemester in Tours an der Loire nutzte er ausgiebig fürs Selbststudium in Sachen französische Küche und regionale Weißweine.

Der Geschäftsführer besitzt mehr Schuhe als seine Frau

Kraus vom Cleff ist zwar nicht mehr ein Hansdampf in allen Töpfen, doch noch immer vielfältig interessiert und aktiv. Im Verleger-Ausschuss des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bei den Rotariern, als Sportler. Er betreibt seit sieben Jahren den japanischen Kampfsport Aikido, der lehrt, wie man die Energie eines Angreifers wirkungsvoll für sich nutzt. Und er spielt „ehrliches Arbeitertennis“, was wohl so viel heißt, dass es für ihn weniger Sport in Weiß als in Schweiß ist. „Ich bewege mich auf dem Platz nicht gerade wie Nurejew“, sagt er selbst.

Außerhalb des Platzes schon eher, denn Kraus vom Cleff ist stilbewusst: „Ich habe einen Schuhtick und besitze, ich gebe es ungern zu, mehr Paare als meine Frau.“ Peter Kraus vom Cleff wohnt seit zehn Jahren in Reinbek. Nach fünf Umzügen ist er dort mit seiner Frau, die den Wohnort ausgesucht hat, und den Töchtern – 15 und 17 Jahre alt – heimisch geworden. Was auch für die Verlagsgebäude gilt: „Dieses Ensemble ist Teil der Identität des Verlags. Es hat etwas Campusmäßiges.“

Der 47-Jährige scheint rundum zufrieden. „Mein Lebenskreis hat sich geschlossen. 1998 kam ich zur Holtzbrinck-Verlagsgruppe, war zunächst bei der Holding in Stuttgart, dann bei Kindler in Berlin und bei der Hanseatischen Gesellschaft für Verlagsservice in Hamburg. 2008 wurde mein Herzenswunsch erfüllt, zu Rowohlt zu wechseln.“ Gut möglich, dass Peter Kraus vom Cleff als Jugendlicher ein Schlüsselerlebnis hatte. Er erzählt, dass er vor den Ferien von seinen Eltern „Urlaubsgeld“ bekam, um sich Lektüre zu kaufen. „Ich habe in meiner Lieblingsbuchhandlung viel geschmökert und genau abgewogen, wofür ich das Geld ausgebe.“ Es scheint, als wäre das eine Lehre fürs Leben gewesen: Bücher sind eine gute Geldanlage, es müssen nur die richtigen sein.