Staatsanwalt glaubt an einen fremdenfeindlichen Hintergrund für Anschlag auf das Flüchtlingsheim

Grabau. Nach der Nebelkerzen-Attacke auf eine Flüchtlingsunterkunft in Grabau geht die Staatsanwaltschaft von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus. Zwar gebe es immer noch keine konkreten Hinweise darauf, sagte der Sprecher, Oberstaatsanwalt Günter Möller. „Aber es liegt doch näher als alles andere: Es handelt sich um ein Asylbewerberheim, in dem sich Flüchtlinge befinden, und denen eine Rauchbombe ins Haus gelegt worden ist. So, dass man sie letztlich ausräuchern wollte“, sagte Möller. Das sehe nicht gerade wie ein Willkommensgruß aus.

Am Freitagabend, 2.Januar, hatten sechs Bewohner des Flüchtlingsheims ihre Unterkunft verlassen müssen, nachdem ein oder mehrere Unbekannte einen Rauchkörper im Treppenhaus platziert und starken Qualm verursacht hatten. Die Rauchpatrone wird derzeit kriminaltechnisch untersucht. Nach bisherigen Erkenntnissen stamme sie aber nicht aus militärischen Beständen und sei vermutlich so auch nicht im Handel zu erhalten, sagte Staatsanwalt Möller.

Während am Sonnabend das schleswig-holsteinische Innenministerium noch betont hatte, man hoffe, die Attacke sei ein „Dummerjungenstreich“ gewesen, zeigt sich der schleswig-holsteinische Flüchtlingsbeauftragte, Stefan Schmidt, beunruhigt: „Die Zeichen sind doch recht eindeutig“, so der Zuwanderungsbeauftragte Schmidt. „Rechtsextreme sind auch dumme Jungs. Das passt zusammen.“ In der Regel seien es Mitläufer, die Anschläge dieser Art verübten. Die eigentlichen Brandstifter im übertragenen Sinn blieben im Hintergrund.

Schmidt warnt vor zunehmender Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. Schon seit einiger Zeit werde im Land gegen Asylsuchende gehetzt. Schutzsuchende seien im vergangenen Jahr vermehrt Zielscheibe rechtsextremer Propaganda geworden. „Meist knüpfen die Rechtsradikalen an weit verbreitete rassistische und nationalistische Ressentiments an, erzeugen Ängste in der Region und verbinden diese mit Drohgebärden.” Mit dem Schüren von Ängsten vor angeblicher Überfremdung versuchten rechte Rattenfänger ihre Anhängerschaft zu erweitern, sagte Schmidt.

In Grabau fährt die Polizei jetzt vermehrt Streife. Auch die Nachbarn sind wachsam. Der Bürgermeister der Gemeinde, Hans-Joachim Wendt (Wählergemeinschaft WGG), sagte, in der Gemeinde habe es noch niemals Probleme mit Flüchtlingen gegeben. Auch die Bewohner der Asylunterkunft selbst loben die Hilfsbereitschaft ihrer deutschen Nachbarn. „Nach der Attacke haben sie gefragt, ob wir irgendetwas brauchen. Und sie haben uns ihre Hilfe zugesagt. Dadurch fühlen wir uns wieder sicher hier“, sagte einer der Bewohner, der aber namentlich nicht genannt werden möchte.

Ob diese Maßnahmen ausreichen, hält Hajo Funke, Politologe und Professor an der Freien Universität Berlin, für fraglich. Funke ist ausgewiesener Experte für Rechtsextremismus und der Meinung: „Wenn die Staatsanwaltschaft von einer fremdenfeindlich motivierten Tat ausgeht, dann muss man weitere Vorsorge treffen. In Grabau wurde offenbar signalisiert: ‚Wir wollen an die ran!‘“

Deshalb müsse man auch die Aspekte Brandschutz und Fluchtwege im Gebäude beachten. „Das kann auch bedeuten, eine andere, sicherere Unterkunft für die Flüchtlinge zu suchen“, sagte Hajo Funke. „Damit aus dem Signal von Grabau nicht etwas Schlimmeres wird.“ Bislang sieht der Experte für Rechtsextremismus zwar noch keine größeren Bedrohungen durch rechtsextreme Strukturen. Dennoch fordert Funke zu Wachsamkeit auf. Hier sei auch die Gesellschaft gefragt, so der Politologe .

Auch ein Sprecher des Verfassungsschutzes bestätigt, dass derzeit keine akuten Bedrohungen durch extremistische Organisationen in Schleswig-Holstein zu erkennen seien. Bei der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2013 wies der ehemalige Innenminister Andreas Breitner allerdings darauf hin, die extremistische Szene verfüge über ein Gewaltpotenzial, das jederzeit aktiv werden könne. Die gegenwärtige Ruhe sei trügerisch, sagte Breitner. Laut Verfassungsschutz gibt es auch in Stormarn gewaltbereite, neonazistisch geprägte Einzelpersonen, die sich oft kennen und in der Lage sind, rechtsextremistische Aktionen durchzuführen und politisch motivierte Straftaten zu begehen. Das Gesamtpotenzial sei eher niedrig, aber vorhanden und dürfe nicht unterschätzt werden, so der Sprecher.

Staatsanwalt Günter Möller warnt davor, Vorfälle wie in Grabau zu verharmlosen. „Ich hoffe, dass man aus der Geschichte gelernt hat: Die Situationen 1991 in Hoyerswerda und 1992 in Rostock-Lichtenhagen hatten damals dazu geführt, dass Brandanschläge in Gudow und in Kollow auf die Asylbewerberheime verübt wurden. Und letztlich aus dieser Gruppierung heraus auch die Anschläge in Mölln“, so Möller. „Das habe ich als ermittelnder Staatsanwalt miterlebt – und möchte ich nicht noch einmal erleben.“

Bisher gibt es noch keine heiße Spur. Die Staatsanwaltschaft hat 5000 Euro als Belohnung auf sachdienliche Hinweise ausgesetzt. Die Polizei Lübeck bittet Zeugen, sich unter der Telefonnummer 0451/1310 zu melden.