Nach Rauchpatronen-Anschlag auf Flüchtlingsunterkunft sind viele Fragen offen, so auch die nach dem Motiv. Einwohner sind schockiert

Bad Oldesloe. Es ist ein lauter Knall, der die Flüchtlinge in ihrer Asylunterkunft in Grabau aufschreckt. Dann geht auch schon der Feueralarm los. Dichter Qualm verdeckt den Bewohnern der Hohendammer Mühle die Sicht. Irgendjemand hat im Treppenhaus eine Rauchpatrone gezündet. So erzählen es Bewohner.

Am Tag nach der Attacke in der Hohendammer Mühle herrscht Hochbetrieb in dem kleinen Ort. Das Innenministerium beruft eine Pressekonferenz im Feuerwehrgerätehaus ein. Die Staatssekretärin Manuela Söller-Winkler (SPD) reist aus Kiel an. Landrat Klaus Plöger ist vor Ort. Ebenso weitere Vertreter des Kreises, der Polizei und der Feuerwehr. Sie alle wollen sich ein Bild machen von der Situation – und das weitere Vorgehen besprechen.

„Es war mir ein Bedürfnis, nach Grabau zu kommen und mir selbst ein Bild zu machen von den Ereignissen, die sich in dieser Nacht abgespielt haben“, sagt die Innenstaatssekretärin zu den Pressevertretern. Zuvor hat sie sich bereits mit einigen der betroffenen Asylbewerber unterhalten. „Sie haben mir bekundet, sehr dankbar zu sein, und dass sie sich hier wohlfühlen. Natürlich seien sie heute Nacht geschockt und erschrocken gewesen. Aber sie sehen, dass sich viele Menschen gut um sie kümmern.“ Das sei eine große Beruhigung für die Flüchtlinge, betont Söller-Winkler.

Unbekannte hatten am Freitag gegen 22.30 Uhr eine Rauchpatrone ins Treppenhaus der Flüchtlingsunterkunft geworfen. Hinweise zu den Tätern gebe es bisher nicht, sagt der Leiter der Polizeizentralstation Bad Oldesloe, Wolf-Rüdiger Traß.

Auch ist unklar, woher die Rauchpatrone stammt. „Es handelt sich um einen Rauchkörper, der keine Explosion auslöst, sondern lediglich Rauch entwickelt. Bekannt ist bisher nur, dass die Patrone nicht aus Militärbeständen stammt“, sagt Traß. Weiteres müsse die Untersuchung beim Landeskriminalamt ergeben. Die Staatsanwalt Lübeck hat die Ermittlungen aufgenommen und eine Belohnung von 5000 Euro für sachdienliche Hinweise ausgesetzt.

Landrat Klaus Plöger warnt vor voreiligen Spekulationen

Anzeichen für einen fremdenfeindlichen Hintergrund sind laut Polizei derzeit nicht zu erkennen. Weder gibt es Schmierereien noch ein Bekennerschreiben. „Ich hoffe, dass es nur ein Dummejungenstreich war“, sagt Landrat Klaus Plöger und zeigt sich zuversichtlich. „Das wäre dann ja auch schon schlimm genug.“ Dennoch müsse man jetzt erst mal abwarten. „Spekulationen bringen gar nichts“, sagt Plöger.

Grabaus stellvertretender Gemeindewehrführer Holger Kreibring zeigt sich sehr erschrocken über den Einsatz, den er an jenem Abend leitete. „Wir rechneten mit dem Schlimmsten. Wer die alte Wassermühle kennt, weiß, dass das Treppenhaus der einzige Fluchtweg ist“, sagt Kreibring. Die Feuerwehr rückte deshalb mit zwei Drehleitern aus Bad Oldesloe und Bargteheide an. Rund 60 Personen waren im Einsatz.

„Als unsere Einsatzkräfte eintrafen, hatten bereits alle Bewohner das Haus verlassen”, berichtet Polizist Traß. „Sie hatten es auch schon geschafft, den Rauchkörper, der im Hausflur platziert worden war, vor die Tür zu bringen, sodass unsere Leute sofort mit den Ermittlungen beginnen konnten.“ Feuerwehrleute überprüften unterdessen, ob das Gebäude auch wirklich menschenleer war.

Während der Attacke befanden sich sechs der insgesamt neun Bewohner im Haus. Zwei von ihnen wurden mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung und Augenproblemen vom Rettungsdienst ins Krankenhaus Heidberg nach Hamburg-Langenhorn gebracht und dort ambulant behandelt. „Von dort haben wir sie, als sie um drei Uhr nachts fertig waren, abgeholt und wieder zurück in den Ort gebracht“, sagt Grabaus Gemeindewehrführer Christian Rieken.

Rieken lobt insbesondere die Einsatzbereitschaft seiner Feuerwehrleute. Das Krankenhaus habe die Asylbewerber für eine Nacht nicht stationär aufnehmen wollen. Auch Grabaus Bürgermeister Hans-Joachim Wendt (Wählergemeinschaft WGG) bedankt sich für das Engagement der Feuerwehrleute über den Einsatz hinaus. Sie hatten in jener Nacht auch noch alle Bewohner der Flüchtlingsunterkunft – sie stammen aus Syrien, Afghanistan und dem Jemen – in einen Landgasthof nach Travenbrück gebracht.

Denn die verängstigten Asylsuchenden wollten zunächst nicht in der Hohendammer Mühle bleiben. Schon am nächsten Tag seien sie aber wieder in ihre Unterkunft zurückgezogen, sagt Wendt. „Das Positive hier in Grabau ist, dass sich die Nachbarn sehr um die Flüchtlinge kümmern. Was auch bedeutet, dass die sich hier wohlfühlen.“ Dann sagt Wendt bestimmt: „Und wir wollen hoffen, dass es so bleibt!“

Das hofft auch Willi Simoneit. Der 80-Jährige ist direkter Nachbar der alten Mühle. „Die Flüchtlinge sind alle sehr freundlich. Sie haben sich hier gut eingelebt“, sagt der Rentner. Dabei seien sie mittlerweile sehr selbstständig, würden mit dem Fahrrad nach Bad Oldesloe zum Einkaufen fahren, immer freundlich grüßen. „Die tun doch keinem was.“ Er könne nicht verstehen, warum jemand diese freundlichen Menschen attackiere.

Bürgermeister Wendt betont unterdessen, in der Gemeinde habe es noch niemals Probleme mit Flüchtlingen gegeben. Auch die Bewohner der Asylunterkunft selbst loben die Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft ihrer deutschen Nachbarn. „Sie haben gefragt, ob wir irgendetwas brauchen. Und sie haben uns ihre Hilfe zugesagt. Dadurch fühlen wir uns wieder sicher hier“, sagt einer von ihnen, der aber namentlich nicht genannt werden möchte. Ein Mitbewohner zeigt den zahlreichen Reportern derweil, wo die Nebelkerze auf dem grauen Linoleumboden im Treppenhaus gelegen hat. Auch er möchte nicht erkannt werden.

Die Hohendammer Mühle wird seit rund 15 Jahren als Unterkunft für Obdachlose, Aussiedler und Flüchtlinge genutzt. Der Amtsvorsteher des Amtes Bad Oldesloe-Land, Peter Lengfeld aus Travenbrück, sagt: „Wir haben das Gebäude 1991 erworben und nach und nach so ausgestattet, dass Asylbewerber dort untergebracht werden können.“