Neuer Plan führt dazu, dass Ahrensburger, Oldesloer und Reinbeker bis zu 16 Kilometer fahren müssen. Auf dem Land können es 38 Kilometer sein

Ahrensburg. Wem nicht nur die Silvesterplanung Kopfschmerzen bereitet, sondern erfahrungsgemäß auch der Kater an Neujahr, sollte vorbeugen. Denn der Weg zur Apotheke könnte nachts sowie an Wochenenden und Feiertagen ungewohnt weit sein: Ab Januar 2015 verteilt die Apothekerkammer Schleswig-Holstein die Termine anders.

Bisher ist das Bundesland in 50 einzelne Notdienstringe aufgeteilt. Künftig gibt es ein Gesamtnetz für ganz Schleswig-Holstein. „Auf dem Land muss man längere Strecken zurücklegen als in der Stadt“, sagt Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekerkammer. Für die Stormarner bedeutet das: Sind bisher außerhalb der regulären Öffnungszeiten jetzt kreisweit bis zu fünf Apotheken erreichbar, werden es künftig an manchen Terminen nur zwei sein.

Wie lang die Strecken genau sein dürfen, richtet sich nach der Einwohnerzahl. In Städten wie Lübeck mit mehr als 70.000 Einwohnern soll nach spätestens zehn Straßenkilometern eine Apotheke Notdienst haben. In Städten mit 20.000 bis 70.000 Einwohnern – dazu zählen Ahrensburg, Bad Oldesloe und Reinbek – müssen Menschen maximal 16 Kilometer fahren. In Orten wie Reinfeld oder Glinde mit 5000 bis 20.000 Einwohnern sind es 23 Kilometer, darunter können es bis zu 38 Kilometer sein.

Künftig sind alle Notdienste 24 Stunden erreichbar und nicht nur zeitweise

Wer in Ahrensburg wohnt und am Neujahrstag dringend ein Medikament braucht, soll nach Lütjensee, Norderstedt, Wentorf, Leezen oder gar Kaltenkirchen fahren. Das sind die Apotheken, die die Notdienstsuche im Internet anzeigt. Vom Ahrensburger Ortsteil Wulfsdorf sind es 15 Kilometer zu der Apotheke in Lütjensee. Bisher waren es im schlechtesten Fall gut sechs Kilometer bis nach Großhansdorf.

Von Bad Oldesloe sind es bis nach Leezen gut 13 Kilometer und bis nach Lütjensee knapp 25. Zum Vergleich: An allen drei Weihnachtsfeiertagen stand eine Oldesloer Apotheke bereit. Zum Versorgungsring, gehörte bis jetzt auch noch die Nachbarstadt Reinfeld.

„Bislang hatten Menschen in großen oder mittelgroßen Städten immer eine Apotheke im Ort, die Dienst hatte“, sagt Ulrich Krahmer, Apotheker in Ahrensburg. „Sie müssen nun im schlechtesten Fall nach Lütjensee fahren.“

Generell habe die Umstrukturierung mehrere Seiten. „Für Patienten auf dem Land hat sie Vorteile. Sie haben zwar bis zu 35 Kilometer Fahrtweg. Aber sie haben immer eine Apotheke, die erreichbar ist.“ Und das auch die vollen 24 Stunden. Denn bislang ist es so, dass manche Notapotheken nicht durchgehend geöffnet sind.

So war es auch in Bargteheide während der Feiertage. Da hatten die Apotheken entweder nur bis 21 Uhr geöffnet oder jeweils nur zwei Stunden am Vor- und Nachmittag.

Außerdem werden sich alle Apotheken an den Diensten beteiligen müssen. „Das ist gerechter“, sagt Ulrich Krahmer. Im Jahr 2014 haben die Ahrensburger Apotheken jeweils etwa 28 Notdienste machen müssen, im kommenden Jahr werden es acht weniger sein. „Auch sind die Notdienste nun flexibler, es wird einfacher, sie zu tauschen.“

Deshalb gibt es im Gegensatz zu jetzt auch keinen Notdienstkalender für das ganze Jahr, sondern die Internetseite. Zusätzlich werde natürlich auch in Zeitungen informiert. Krahmer: „Und an allen Apotheken wird es wie bisher Aushänge geben mit den Notdienst-Apotheken, die am nächsten gelegen sind.“

Auch Bettina Seidel von der Privilegierten Apotheke in Reinfeld muss weniger Sonderschichten leisten. „Aber mich haben die Dienste nicht gestört“, sagt sie. „Außerdem war es in diesem Jahr erstmals so, dass die Apotheken für die Notdienste Geld bekommen haben. Das wird dann natürlich auch wieder weniger.“

Erste Beschwerden gibt es bereits aus dem Hamburger Randgebiet

Allerdings sei es schon jetzt so, dass sich Kunden über weite Anfahrten beschweren. Seidel: „Künftig könnte der Weg natürlich noch weiter sein.“ Generell werde das Angebot gut genutzt. Seidel: „Wir haben ja auch Kliniken in der Nähe, zum Beispiel die Uniklinik in Lübeck und das Krankenhaus in Oldesloe. Von dort kommen sonnabends und sonntags viele Patienten zu uns.“

Auch Frank Niehaus, Leiter zweier Apotheken in Ahrensburg, sagt, die Notdienste würden gut genutzt. „Es kommen gerade an den Wochenenden viele Menschen. Mit Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Dienste hatten wir bislang keine Probleme. Die größere Notwendigkeit in der Umstrukturierung gab es wohl eher in ländlicheren Gebieten.“ Sein Kollege Ulrich Krahmer sagt, es sei sehr verschieden, wie viele Menschen nachts oder sonntags Arzneien kauften. „Wenn Fußball-Länderspiel ist, kommt niemand“, sagt er und lacht.

Frank Jaschkowski von der Apothekerkammer Schleswig-Holstein berichtet von Notdiensten, bei denen die Patienten an einer Hand abzuzählen seien. „Das ist natürlich frustrierend.“ Ob sich das neue System bewährt, soll sich bald zeigen. „Wir haben für den 27. Januar alle Apotheker zu uns nach Kiel zum Erfahrungsaustausch eingeladen. Wir wollen nachsteuern, wenn nötig.“

Schon jetzt zeichnen sich Schwierigkeiten ab. Jaschkowski: „Insbesondere die Apotheken im Hamburger Randgebiet sind genervt. Die waren bislang dem Hamburger System zugeordnet und gehören nun wieder zu Schleswig-Holstein. Teilweise ist es wohl so, dass sie nun Notdienst machen müssen, obwohl auf der anderen Straßenseite eine Hamburger Apotheke geöffnet hat.“ Es seien nicht alle voller Freude.

Jaschkowski hofft, dass weite Wege auch ein verändertes Verhalten der Menschen zur Folge haben könnten. „So werden sie außerhalb der regulären Öffnungszeiten vielleicht nur noch wegen wirklicher Notfälle in die Apotheke kommen und nicht wegen Bagatellerkrankungen oder weil sie vergessen haben, ein Rezept für die Antibabypille einzulösen.“ Vielleicht, sagt Jaschkowski, legten die Menschen sich ja einen Vorrat an – Kopfschmerztabletten für Neujahr zum Beispiel.