In Barsbüttel und Glinde kümmern sich Bürger mit Hingabe um ihre ausländischen Schützlinge

Barsbüttel/Glinde . Die Begrüßung ist herzlich. Als Jutta Walbrodt, 73, den Flur betritt, kommt die vierjährige Sahar auf sie zugestürmt. Das kleine Mädchen lacht – und bekommt sofort einen Kuss von der Barsbüttelerin auf die Wange gedrückt, während Helga Gönnemann, 74, deren Mutter Shirin in die Arme schließt. Die beiden Rentnerinnen sind Sozialpaten für Flüchtlinge.

Inzwischen betreuen sie seit mehreren Wochen drei Familien im Ortsteil Stellau, die in einem kürzlich von der Gemeinde erworbenen Haus untergebracht sind. Die Rahimis aus Afghanistan wohnen in der ersten Etage: neben Sahar, die Brüder Amir-Hossein, 10, und Ali, 13, sowie Mutter Shirin, 30, und ihr Mann Karim, 35. Im Erdgeschoss leben Flüchtlinge aus Albanien und Serbien.

Das afghanische Ehepaar hatte seiner Heimat noch vor der Geburt des ersten Kindes den Rücken gekehrt. Aus Angst vor den Taliban. Die vergangenen 14 Jahre lebten sie im Iran. Karim, der keine Berufs- und abgeschlossene Schulausbildung hat, schlug sich als Bauarbeiter durch. Aber dort seien die Afghanen gehasst worden, die Kinder hätten nicht zur Schule gehen dürfen, berichtet der hagere Mann. Eine Fremdsprache beherrscht Karim nicht. Die Kommunikation mit den ehrenamtlichen Helfern klappt jetzt trotzdem besser. Dank Mosene Kohistani, 50. Sie ist gebürtige Afghanin, lebt aber seit 15 Jahren in Stellau und fungiert seit einigen Tagen als Dometscherin. Dafür nimmt sie kein Geld.

In den ersten Tagen nach der Ankunft besuchte Jutta Walbrodt die Rahimis täglich, absolvierte mit ihnen die Behördengänge, begleitete sie zur Tafel, sprach mit der Barsbütteler Verwaltung oder besorgte Kleidung, Schuhe sowie Spielzeug für die Kinder. „Ich verstehe mich als Bindeglied und will es den Flüchtlingen einfacher machen, hier anzukommen“, sagt Walbrodt.

Das ist ihr gelungen. Wenn Walbrodt, Gönnemann und Kohistani zu Besuch sind, wird viel gelacht. Dann vergessen die Rahimis für einen Moment all die schrecklichen Erfahrungen der vergangenen Jahre. Karim Rahimi hat die Hoffnung auf eine Rückkehr nach Afghanistan verloren. Er wünsche sich vor allem eine bessere Zukunft für seine Kinder, sagt er. Rahimi möchte vor allem rasch Deutsch lernen.

Das deutsch-serbische Wörterbuch liegt stets griffbereit in der Nähe des braunen Wohnzimmertisches. Wenn Susanne Böhnert-Tank, 62, und Karl-Heinz Klemann, 71, vom Glinder Verein Flüchtlingshilfe zu Besuch sind, zieht es Cedomir Simic samt Schreibblock und Bleistift sofort hervor. Er sagt zwar „Guten Tag“, „Auf Wiedersehen“ und „gut“, doch um die wirklich relevanten Sachen zu klären, reichen die deutschen Sprachkenntnisse nicht aus. Noch verständigt man sich auch mit Händen und Füßen. Doch der 45-jährige Serbe, der mit seiner Frau Monica, 34, und den vier Kindern im Alter von acht bis 14 Jahren seit sechs Wochen in der Unterkunft am Willinghusener Weg untergebracht ist, macht Fortschritte. Zweimal pro Woche nimmt er an einem Sprachkurs des Vereins teil.

Böhnert-Tank, eine Lehrerin im Sabbatjahr, ist deren Vorsitzende. Sie sagt: „Der Deutschkurs ist aus der Not heraus geboren. Was von staatlicher Seite aus gemacht wird, ist einfach zu wenig.“ In Glinde seien vom Bildungsstand hoch qualifizierte Flüchtlinge. Die Pädagogin: „Sie müssten sofort einen vernünftigen Deutschkurs mit Prüfungen besuchen, um später eine schnelle Arbeitserlaubnis zu bekommen. Auch sollte den Menschen ein Bildungsabschluss ermöglicht werden.“

So wie Tank-Böhnert denken auch ihre Mitstreiter. 20 ehrenamtliche Helfer sind inzwischen im Verein organisiert. Sie betreuen 30 Flüchtlinge unterschiedlichster Herkunft.