Das Krisen-Interventions-Team (KIT) leistet bei Unfällen und traumatischen Erlebnissen Erste Hilfe für die Seele

Bad Oldesloe. „Manche schreien, viele weinen, andere ziehen sich komplett in sich zurück.“ Wie Menschen auf die Nachricht vom plötzlichen Tod oder einem schweren Unfall Angehöriger reagieren, sei sehr unterschiedlich, sagt Andreas Herlt. Der 47-Jährige ist Gruppenleiter des Krisen-Interventions-Teams (KIT) vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Regionalverband Stormarn-Segeberg.

Notärzte, Polizei und Feuerwehr können das KIT anfordern, wenn Menschen an Unfall- oder Tatorten Betreuung brauchen. Derzeit besteht das Stormarner Team aus vier Frauen und sechs Männern. Alle arbeiten ehrenamtlich. „Der klassische Rettungsdienst sorgt für die schnelle medizinische Versorgung der körperlich verletzten Personen“, so Andreas Herlt. „Die vom Unglücksfall indirekt betroffenen Menschen benötigen jedoch auch dringend Beistand. Sie stehen mit ihrer seelischen Belastung oft ganz allein am Rand des Geschehens.“

Genau hier greift das KIT ein. Zu seinem letzten großen Einsatz rückte das Team Ende November aus, als in Rümpel ein tragisches Zugunglück passierte. Eine 56-jährige Autofahrerin wurde von einer Regionalbahn erfasst und starb noch an der Unfallstelle. Während Rettungskräfte und Feuerwehr sich um das Opfer und die Evakuierung der Bahnreisenden kümmerten, halfen Andreas Herlt und sein Team mit Worten und Aufmerksamkeit. „Wir mussten viele Fahrgäste und Anwohner beruhigen. Wer so ein Unglück miterlebt, steht oft erst einmal komplett neben sich.“

Ein Teil des Krisen-Interventions-Teams blieb am Unfallort, die anderen begleiteten den Lokführer ins Krankenhaus. Er stand unter Schock. „Wir sind so lange bei ihm geblieben, bis seelsorgerische Mitarbeiter der Deutschen Bahn eingetroffen sind“, so Herlt, der in Glinde wohnt und hauptberuflich als Logistiker arbeitet. „In solchen Momenten sollte niemand allein sein.“

Rund 25-mal wurde das KIT in diesem Jahr zu Hilfe gerufen. Es ist nicht nur bei Unfällen sofort vor Ort, sondern wird auch von der Polizei um Unterstützung gebeten, wenn diese jemanden vom Tod eines Angehörigen unterrichten muss.

„Das ist einer der persönlichsten und intimsten Momente, die man mit einem anderen Menschen erleben kann. Und niemand kann vorhersagen, was passieren wird.“ Andreas Herlt erinnert sich an einen Teamkollegen, der von der Ehefrau eines Verunglückten minutenlang beschimpft und geschlagen wurde. „Er hat das ausgehalten. Danach hat sich die Frau weinend bei ihm dafür bedankt.“

Christopher Kort, 22, ist seit zwei Jahren beim KIT, Mathias Kohls, 26, seit drei. Die beiden Oldesloer haben dafür, wie die anderen Team-Mitglieder, zwei Lehrgänge absolviert und besuchen jährlich mindestens eine Fortbildung. Außerdem geben ihnen regelmäßige Supervisionen die Möglichkeit, sich unter fachmännischer Anleitung mit Kollegen auszutauschen. „Natürlich gehen uns schlimme Ereignisse auch nahe“, so Mathias Kohls. „Aber gerade wir sind am Unfallort oder bei der Überbringung von Todesnachrichten diejenigen, die Ruhe ausstrahlen müssen.“ Hier gelte es, zu funktionieren – erst, wenn sich die Lage stabilisiert habe, bekommen auch persönliche Gedanken ihren Raum.

Damit sie nicht selbst von dramatischen Bildern und Situationen traumatisiert werden, passen die KIT-Mitarbeiter gut aufeinander auf. „Wir sind immer mindestens zu zweit unterwegs und haben uns ständig im Blick. Mittlerweile kennen wir uns so gut, dass wir sofort merken, ob der andere mit der Aufgabe klarkommt oder Unterstützung braucht“, so Andreas Herlt. „Direkt nach den Einsätzen setzen wir uns für eine Weile zusammen und rufen uns auch noch mal an, wenn jeder wieder zu Hause angekommen ist.“

Der Vater, der mitten in der Nacht von der Polizei geweckt wird und vom Selbstmord seines Sohnes erfährt oder der junge Ehemann, der seine schwangere Frau am Valentinstag zum Arzt begleitet und dann ganz allein zurück nach Hause gehen muss, weil die werdende Mutter in der Praxis plötzlich kollabiert und verstirbt – jeder einzelne Fall fordert vom Krisen-Interventions-Team ganz individuelle Betreuung.

„Wenn Kinder unter den Angehörigen sind, ist besondere Sensibilität gefragt“, sagt Herlt, der selbst zweifacher Vater ist. Seine Idee war es deshalb, sogenannte „Sorgenfresser“ anzuschaffen. Die bunten Plüschtiere haben einen verschließbaren Mund. „Die Kinder können auf einem Zettel Trauer und Angst in Worte fassen und sie dann ihrem Sorgenfresser anvertrauen.“ Diese kleine Geste spende häufig Mut. Dank finanzieller Unterstützung der Sparkassen-Sozialstiftung Stormarn ist das Krisenhelferteam aus Bad Oldesloe nun um viele kleine gestreifte Sorgenfresser angewachsen.

„Das ist eine große Hilfe und wir freuen uns sehr darüber“, so Andreas Herlt. „Auch, wenn wir am liebsten keinen davon gebrauchen würden.“