6500 Kinder in Stormarn leben laut dem zweiten Armutsatlas von Hartz IV. Zahl ist in den vergangenen fünf Jahren leicht gesunken

Bargteheide. Im Kreis Stormarn können rund 6500 Kinder nicht auf große Geschenke zu Weihnachten hoffen. Das ist die Anzahl, die laut Armutsatlas des Deutschen Kinderschutzbunds Stormarn (DKSB) in Armut lebt.

2000 Exemplare des Armutsatlas’ hat der Kinderschutzbund in den vergangenen Tagen an Politiker, Verwaltungen, Schulen und Kindergärten übersandt. „Wir wollen das Bewusstsein für das Problem schärfen und dafür sorgen, dass die Prävention von Kinderarmut immer wieder auf die politische Agenda kommt“, sagt Ingo Loeding, Geschäftsführer des Kreisverbandes des Deutschen Kinderschutzbundes.

Die Anzahl der in Armut lebenden Kinder bleibt hoch

„Es ist tragisch, dass sich die gesamtwirtschaftliche Situation in Stormarn in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, aber die Kinder der ärmeren Familien nicht davon profitieren“, so Loeding. Die Anzahl der in Armut lebenden Kinder habe sich auf einem erschreckend hohem Niveau stabilisiert. Seit der Veröffentlichung des ersten Armutsatlas’ im Jahr 2009 ist die offizielle Zahl zwar von 7000 auf 6500 gesunken. Laut Ingo Loeding ist dies aber auf Verschiebungen innerhalb der Statistiken zurückzuführen.

So seien zum Beispiel Kinder, deren Familien Wohngeld beziehen, nicht in den 6500 eingeschlossen. Diese Zahl bezieht sich lediglich auf die Hartz-IV-Empfänger. Außerdem würden Kinder, deren Eltern einen Job finden, nicht automatisch der Armut entkommen, da manche Eltern nur sehr wenig verdienten. „Gerade in einem vergleichsweise reichen Kreis wie Stormarn haben Eltern Probleme, alle Kosten für ihre Kinder zu decken, da die Standards was Mietkosten, Schulzuzahlungen und Kosten für Freizeitangebote betrifft, sehr hoch sind“, sagt Ingo Loeding.

Er fordert daher von der Politik ein umfassendes Armutsbekämpfungskonzept: „Ganztagsschulen sollten für Kinder armer Familien zum Beispiel kostenlos sein, und in den Ferien sollte es umsonst attraktive Freizeitangebote für Kinder geben“, so Loeding.

Kreiselternvertretung hält mehr Familienzentruen für sinnvoll

Judith Wiederhold, Vorsitzende der Kreiselternvertretung Stormarn (KEV), findet, dass es mehr Familienzentren geben sollte, in denen Kitas mit Elterntreffs und anderen Angeboten unter einem Dach sind. „Wenn Mitarbeiter der Agentur für Arbeit oder auch Psychologen vor Ort sind, sinkt die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen“, sagt Wiederhold. „Viele Familien sprechen nicht über ihre Probleme, weil sie sich schämen.“

Dieses Problem sieht auch Ingo Loeding: „Wir erleben immer wieder, dass Betroffene diffamiert werden, weil sie angeblich nichts für ihr Geld tun oder es verschwenden.“ Dabei treffe dies nur in den seltensten Fällen zu. „Viele arme Menschen, vor allem alleinerziehende Mütter, verdienen Anerkennung dafür, wie sie ihren Alltag meistern“, sagt Loeding. „Leider fehlt häufig das Verständnis für arme Menschen.“

Statt Vorurteile zu haben sollten Eltern, die keine finanziellen Probleme haben, Verantwortung übernehmen und sich solidarisch zeigen. „Das beginnt schon bei Kleinigkeiten wie Kindergeburtstagen“, sagt der Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Stormarn. „Wenn Eltern die Standards bei den Feiern mit Essengehen und Kinobesuchen immer weiter hochschrauben oder teure Geschenke machen, ist es für ärmere Familien nicht möglich mitzuziehen.“ Betroffenen Familien rät er, beim Elterntelefon des DKSB Hilfe zu suchen.

Der zweite Armutsatlas des Kinderschutzbundes Stormarn ist als Download auf www.armut.dksb-stormarn.de oder in gedruckter Form beim DKSB unter Telefon 04532/280680 verfügbar.