24 Schulen in Stormarn geben entgegen der Landesverordnung des Bildungsministeriums ab dritter Klasse Zensuren, drei Schulen ab vierter Klasse

Bargteheide/Steinburg. An acht der 35 Stormarner Grundschulen haben sich die Verantwortlichen für notenfreie Zeugnisse für die dritten und vierten Klassen entschieden. Das Bildungsministerium in Schleswig-Holstein hatte im Juni beschlossen, dass Lehrer die Zeugnisse für alle Grundschulklassen in Berichtsformen schreiben sollen. Die endgültige Entscheidung liegt allerdings bei den Grundschulen selbst.

Während sich die Schulkonferenzen von 27 Grundschulen darauf geeinigt hatten, zumindest im laufenden Schuljahr weiterhin Noten ab der dritten beziehungsweise ab der vierten Klasse zu vergeben, haben acht Schulen die Idee der notenfreien Zeugnisse bereits umgesetzt. Eine davon ist die Grundschule Mollhagen in Steinburg. „Wir sind stolz, dass wir an unserer Schule keine Noten mehr haben“, sagt Schulleiterin Sabine Gerdes. „Wir haben uns mit einer überwältigenden Mehrheit für Zeugnisse mit Kompetenzrastern entschieden, weil wir dieses Bewertungssystem für entlastend für die Schüler halten.“ Die Kompetenzraster enthalten sowohl für das Arbeits- und Sozialverhalten als auch für jedes einzelne Fach Aussagen, bei denen die Lehrer ankreuzen können, ob sie immer, überwiegend, wechselnd oder selten zutreffen. Im Fach Deutsch wird zum Beispiel gefragt, ob die Schüler den Inhalt von Texten erfassen und mündlich wiedergeben können.

„Zensuren erzeugen nur Druck und bestrafen Fehler“, sagt Sabine Gerdes. „Dabei sind Fehler ein wichtiger Bestandteil des Lernens. Außerdem sind Noten nicht objektiv. Zum Beispiel im Fach Deutsch kann man Aufsätze nicht objektiv benoten.“ Noten seien zudem der stärkste Auslöser von Schulangst und -stress. Und sie sagten nichts über die individuelle Leistungsentwicklung oder die Stärken und Schwächen der Schüler aus.

Ähnlich argumentiert auch Jörg Peters, Rektor der Johannes-Gutenberg-Schule, an der die Zeugnisse seit diesem Schuljahr ebenfalls nur noch Kompetenzraster enthalten: „Im Kollegium war von Anfang an die große Mehrheit gegen Noten“, sagt Peters. „Wir wollten, dass die Eltern diesen Weg mit uns gehen und haben deshalb alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um sie zu informieren und zu überzeugen.“ Anfangs habe es viele Diskussionen gegeben, weil die Eltern an das Notensystem gewohnt seien. „Unerfreulich war auch, dass der Erlass aus Kiel so kurzfristig kam und wir so schnell Klarheit schaffen und eine Entscheidung treffen mussten“, sagt der Schulleiter. Seitdem die Schulkonferenz allerdings gegen Noten gestimmt habe, sei die Entscheidung von allen Seiten akzeptiert worden.

Elternvertreter Christian Seegraef fand die Umstellung auf das neue Bewertungssystem anfangs schwierig, vor allem, weil es für die neuen Zeugnisse keine Vorlage vom Bildungsministerium gab: „Inzwischen hat sich das neue System aber gut etabliert“, so Seegraef. „Die Kinder sind in Hinblick auf die Zeugnisse entspannter und die Schule tut einiges für die Fortbildung der Lehrer, damit diese für die Bewertung einheitliche Standards anwenden.“

Lehrerin Maike Rottmann ist von der notenfreien Bewertung begeistert: „Mit Hilfe der Kompetenzraster können wir die Leistungen der Kinder viel differenzierter beurteilen und anschließend gezielt an bestimmten Defiziten arbeiten“, sagt Rottmann. „Noten sind in der Schule und auch zu Hause ein großer Stressfaktor. Anstatt sich mit ihren Mitschülern zu vergleichen, können die Kinder sich jetzt mehr auf die Inhalte konzentrieren. Dadurch haben sie mehr Freude am Lernen.“

Claudia Hannemann hat als Elternvertreterin viel mit den betroffenen Schülern gesprochen. „Die Kinder trauen sich eher, Fehler zu machen, weil niemand lacht, wenn sie eine schlechte Note haben“, sagt Hannemann gegenüber dem Abendblatt. „Besonders im Alter zwischen sechs und neun Jahren verkraften Kinder eine Fünf viel schlechter als zum Beispiel mit 13 oder 14 Jahren, sind schnell entmutigt.“

Einen weiteren Vorteil der notenfreien Zeugnisse sieht sie in der Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. „Nicht alle Eltern beschäftigen sich intensiv mit den Schulleistungen ihrer Kinder und wissen, wo deren Stärken und Schwächen liegen“, sagt Hannemann. „Für diese Eltern und auch für die Kinder selbst ist ein Kompetenzraster viel aussagekräftiger als eine Note, die sich aus dem Durchschnitt aller erbrachten Leistungen ergibt.“

Auch an der Grundschule Bünningstedt gibt es seit diesem Schuljahr in den dritten und vierten Klassen nur noch Zeugnisse mit Kompetenzrastern. „Im Kollegium waren wir alle der Meinung, dass Noten nicht in die Grundschulen gehören“, sagt Schulleiterin Birgit Graumann-Delling. „Noten werden oft als Druckmittel verwendet. Die Aufgabe der Schule ist es aber, das Kind als Ganzes zu betrachten. Kompetenzraster bieten hierfür einen viel umfassenderen Blick als Noten.“ Die derzeitige Zeugnisvariante sei allerdings nur eine Übergangslösung bis das Bildungsministerium in Kiel eine verbindliche Vorlage zur Verfügung stellt.