Bank-Geheimnisse: Wir treffen Menschen auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Vicky Leandros, die 20 Jahre auf Gut Basthorst lebte und immer wieder gern dorthin zurückkehrt

Basthorst . 55 Millionen verkaufte Platten, der Sieg beim Eurovision Song Contest, zahlreiche Welttourneen – Vicky Leandros hat alles erreicht, wovon die meisten Musiker nur träumen können. Wer bei der Schlagerlegende allerdings eine Diva wie aus dem Bilderbuch erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt: Leandros erscheint pünktlich zum Interview, grüßt freundlich und erzählt mit leuchtenden Augen von ihren Vorbereitungen auf ihre anstehenden Weihnachtskonzerte. „Dabei kommt man immer so schön zur Besinnung“, sagt die 62-Jährige. „Die Bühne ist aufwendig dekoriert mit großen Weihnachtsbäumen. Alles ist in Rot gehalten – so wie auch bei mir zu Hause zur Weihnachtszeit.“

Am 10. Dezember feiert die Sängerin in der Hamburger Laeiszhalle die Premiere ihrer Konzerttournee mit deutschen und internationalen Weihnachtsliedern. Ein Teil des Erlöses der Weihnachtskonzerte kommt der Aktion „Ein Herz für Kinder“ zugute. Die Weihnachtssaison beginnt sie allerdings wie in den vergangenen sieben Jahren mit einem Benefizkonzert ebenfalls zugunsten der Kinderhilfsorganisation am 28. November in der St. Marien-Kirche auf dem Gut Basthorst. Dort lebte sie fast 20 Jahre lang mit ihrem Ex-Mann, dem Gutsherrn Enno von Ruffin. „Schleswig-Holstein ist auf jeden Fall ein Stück Heimat für mich“, sagt die gebürtige Griechin.

Ihr Ziel sei nie gewesen, berühmt zu werden

Eigentlich habe sie zwei Heimatländer. „Ich liebe auch Griechenland, besonders natürlich im Sommer“, sagt Leandros, die ursprünglich Vassiliki Papathanasiou hieß. Als Kind kam sie mit ihren Eltern nach Hamburg. „Ich wollte immer schon Sängerin werden – unbedingt“, sagt sie. „Allerdings hatte ich nie die Absicht, berühmt zu werden. Ich wollte vor allem eine gute Sängerin sein.“ Ihr Vater Leo Leandros, selbst ein bekannter Sänger, Komponist und Plattenproduzent, half ihr bei ihrer Karriere. 1965 veröffentlichte Vicky Leandros ihre erste Single „Messer, Gabel, Schere, Licht“, die auf Anhieb zu einem Erfolg wurde. Sie ging aber weiterhin zur Schule, das war ihr und ihren Eltern wichtig. „Ich hatte eigentlich eine ganz normale Kindheit mit Freunden und Familie“, erzählt sie. „Bis zu meinem 19. Lebensjahr habe ich, abgesehen von meinen Grand-Prix-Auftritten und einigen TV-Sendungen, nie wirklich auf der Bühne gestanden.“

Der Auftritt beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie der Eurovision Song Contest damals hieß, im Jahr 1967 legt den Grundstein für ihre internationale Karriere. Mit dem Titel „L’amour est bleu“ erreichte sie für Luxemburg den vierten Platz. Bis heute ist der Song einer der kommerziell erfolgreichsten der Grand-Prix-Geschichte. Aufgeregt war sie damals nicht besonders: „Die Nervosität kam erste Jahre später, als ich mir der Verantwortung bewusst wurde“, sagt die Sängerin. „Früher habe ich gar nicht darüber nachgedacht.“ Überhaupt sei ihr nicht klar gewesen, was ihr Erfolg bedeutete. Auch nicht, als sie vier Jahre später den Wettbewerb mit „Apès toi“ (deutsch: „Dann kamst du“) für Luxemburg gewann. Der Titel wurde in sieben Sprachen veröffentlicht und Leandros damit weltweit bekannt.

Wenn sie Zeit hat, sieht Vicky Leandros sich heutzutage den Eurovison Song Contest im Fernsehen an. Über den Sieg von Lena Meyer-Landrut im Jahr 2010 habe sie sich sehr gefreut: „Lena hat Charisma, und der Song war musikalisch wirklich gut. Auch Conchita Wursts Auftritt hat mir sehr gut gefallen. In unserem Beruf muss man außergewöhnlich sein.“

Außergewöhnlich ist Vicky Leandros zweifellos. Nur wenige können auf so eine lange Bühnenkarriere zurückblicken wie sie. Nicht nur in Europa, sondern auch in Kanada und Japan ist sie seit Jahrzehnten erfolgreich. Ihre Alben nimmt sie meistens in mehreren Sprachen auf. Im Laufe ihrer Karriere hat sie außer auf Deutsch und Französisch auch auf Englisch, Spanisch, Italienisch und Japanisch gesungen. „Japanische war schon eine Herausforderung“, sagt Leandros. „Wegen der Aussprache hab ich viele Tage bis spät in der Nacht im Aufnahmestudio gestanden.“ Die japanische Kultur mit ihren uralten Traditionen und gleichzeitig ihrer Innovationskraft habe sie sehr fasziniert. „Im Japanischen gibt es kein richtiges Wort für ‚nein‘. Die Menschen sind so unglaublich freundlich. Als sie mich gefragt haben, ob ich nicht ein Album in ihrer Sprache aufnehmen möchte, konnte ich einfach nicht ablehnen.“

Ihre Konzerttourneen führten Vicky Leandros quer durch Europa nach Japan, Kanada und auch Lateinamerika, wo sie vor allem mit ihren spanischen Alben das Publikum begeisterte. Eine Zeit lang lebte sie in London und Paris. Nach ihrer Heirat mit Enno von Ruffin 1986 zog sie mit ihm auf dessen Gut Basthorst. Hier wuchsen auch ihre drei mittlerweile erwachsenen Kinder auf. „Das Leben hier auf dem Land war wunderbar“, sagt die Sängerin. „Die Großstadt habe ich nie vermisst. Schließlich hatte ich vorher ja schon alles gesehen.“ Auch heute kommt Leandros immer wieder gern nach Gut Basthorst zurück. Ihr Benefizkonzert zur Weihnachtszeit ist mittlerweile Tradition. Auch den Weihnachtsmarkt auf dem Gut besucht sie jedes Jahr.

Seit zwei Jahren lebt Vicky Leandros wieder in Hamburg. Viel Zeit am Stück verbringt sie dort meistens nicht. Gerade erst hat sie in Griechenland und Österreich Konzerte gegeben. Kurz darauf war sie Gast in der NDR-Fernsehsendung DAS!. „Bald weiß ich selbst gar nicht mehr, wo ich gerade bin“, sagt Leandros und lacht. Ihre Musikkarriere ist jedoch nicht das Einzige, das sie beschäftigt. Als Botschafterin der José-Carreras-Stiftung setzt sie sich für die Leukämie-Forschung ein. Außerdem unterstützt sie karitative Einrichtungen wie die Berliner Aidshilfe und gibt mehrere Benefizkonzerte im Jahr.

Einst als Kultursenatorin in Hamburg und Berlin gehandelt

2003 bekam Vicky Leandros den St.Marco Orden Erster Klasse verliehen, der sie als erste Frau zur Botschafterin der orthodoxen Kirche machte. „Ich finde, dass es selbstverständlich ist, sich sozial zu engagieren, wenn man die Möglichkeit dazu hat“, sagt die Sängerin. „Ich bin ein gläubiger Mensch, und die Ordensverleihung war eine große Ehre für mich.“

Auch politisch war die Sängerin schon aktiv. Nachdem ihr sowohl in Hamburg als auch in Berlin das Amt der Kultursenatorin angeboten worden war, sie jedoch abgelehnt hatte, kandidierte sie 2007 bei den griechischen Kommunalwahlen. In der Hafenstadt Piräus wurde sie zur stellvertretenden Bürgermeisterin und Stadträtin für Kultur und internationale Beziehungen gewählt. In dieser Zeit setzte sie zum Beispiel durch, dass kostenloser Musikunterricht für Migrantenkinder angeboten wurde. „Durch meine Arbeit habe ich vor allem gelernt, Reden zu halten und Projekte mit wenig Geld zu verwirklichen. Das war nicht immer leicht“, erinnert Vicky Leandros sich. Nach knapp zwei Jahren trat sie von ihrem Amt zurück. „Politik ist nun einmal ein Fulltime-Job, und ich hatte ja auch noch einen anderen Job“, sagt sie. „Man kann nicht alles gleichzeitig machen, deshalb habe ich mich für meine Leidenschaft entschieden.“

Sie sagt: Die Griechen mögen die Deutschen nach wie vor

Auch wenn sie nicht mehr als Politikerin aktiv ist, setzt sich Leandros nach wie vor mit politischen Themen auseinander: Während der Schuldenkrise in Griechenland rief sie Deutsche und Griechen öffentlich dazu auf, in der schwierigen Situation zusammenzuhalten und sich auf ihre enge Freundschaft zu besinnen. Die Kritik der deutschen Medien an ihrem Heimatland hielt sie für übertrieben. „Nicht jeder einzelne Grieche hat über seine Verhältnisse gelebt, sondern der griechische Staat“, schrieb sie im Hamburger Abendblatt. In Griechenland habe es Bestechlichkeit und Korruption gegeben, aber das sei nicht die Mentalität des Volkes, sondern liege begründet im Interesse einzelner Menschen und Gruppen. „Die Griechen sind ein fleißiges und gebildetes Volk. Viele Eltern haben zwei Jobs, um ihren Kindern die Schule oder das Studium zu finanzieren“, sagt Leandros. „Durch die starke Kritik haben sie sich beleidigt gefühlt, aber mittlerweile hat sich der Unmut gelegt. Die Griechen mögen die Deutschen nach wie vor.“

Wenn Vicky Leandros auf ihr Leben und ihre lange Karriere zurückblickt, empfindet sie vor allem Dankbarkeit: „Klar habe ich Fehler gemacht, aber es hat ja keinen Sinn, etwas zu bereuen“, sagt sie. „So viele meiner Träume sind in Erfüllung gegangen. Ich bin einfach froh, dass ich immer noch so viele Konzerte geben kann und so viele Leute mich auf der Bühne sehen wollen.“ Für die Zukunft wünsche sie sich daher vor allem, dass sie so weitermachen kann wie bisher. „In meinem Alter muss man einfach Spaß haben an der Arbeit, sonst kann man auch gleich aufhören.“

Und Spaß hat sie. Fürs kommende Jahr ist eine Europatournee geplant, und im Frühjahr soll ein neues Album erscheinen. Und im vergangenen Jahr wurde sie zum ersten Mal Großmutter. Ihre älteste Tochter Milana brachte einen Jungen zur Welt. „Es ist ein Geschenk Gottes, wenn ein gesundes Baby geboren wird“, sagt Vicky Leandros. „Ich sehe meinen Enkel sehr oft und bin sehr stolz auf ihn.“