Bauingenieur aus Brunsbek baut sein Haus in Köthel mit unterschiedlichen Materialien. Welche dämmen am besten?

Köthel. Stolz führt Ralf Eichrodt zwischen Mauern hindurch, die zu seinem Einfamilienhaus zusammenwachsen werden, macht plötzlich vor einer Halt. „Hier: 42,5 Zentimeter Gasbetonstein. Und je anderthalb Zentimeter Kalkputz außen und Gipsputz innen. Das wird das Wohnzimmer.“ Spricht’s und klopft dagegen. Hört sich solide an, klingt auch so. Weiter geht’s, in ein anderes Zimmer. Mit einer andersartigen Außenwand. In puncto Material und Aufbau gleicht keine der anderen; das Haus hat vier Zimmer. Dem ersten Anschein nach mag er ein bisschen unentschlossen wirken, der Bauherr Ralf Eichrodt.

Doch was wie das Werk eines Mannes erscheint, der sich nicht entscheiden kann, hat System. Ralf Eichrodt, 48, ist Bauingenieur und -sachverständiger. Was er am Rande von Köthel errichten lässt, ist ein Experiment. Nahezu alles zu verarbeiten, was der Dämm- und Baustoffmarkt hergibt, das hat vor ihm noch keiner gemacht. Solch ein Haus gibt es bisher nirgendwo. Dass Eichrodt in jedem Zimmer auch unterschiedliche Heizungssysteme installieren lässt, liegt fast schon auf der Hand.

Das klingt völlig verrückt, soll es aber nicht sein. „Sinn und Zweck meines Hauses ist, Bauherren, Immobilienbesitzern und Verwaltern die unterschiedlichen Konstruktionen und Systeme deutlich zu machen, die bei Sanierungen oder Neubau relevant sein könnten“, sagt Eichrodt. Welche Lufttemperatur wird in jedem der ganz unterschiedlich konstruierten Räume gemessen, welche Wand- und welche Außentemperatur? Wie hoch ist die Luftfeuchtigkeit? Und, ganz entscheidend: Wie hoch ist der sogenannte Wärmebedarf – mit anderen Worten: Wie viel kostet es, diese Messwerte zu erzielen? Diese Daten will Ralf Eichrodt ins Internet stellen, 24 Stunden am Tag in Echtzeit einzusehen. „Dann kann jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.“

Denn Eichrodt meint, dass der Markt derzeit keine Möglichkeiten biete, die Thematik für Hauskäufer oder Bauherren greifbar zu machen. „Es gibt lediglich theoretische Berechnungen. Das Nutzerverhalten und das Empfinden der Bewohner bleiben dabei unberücksichtigt.“

Eichrodt wird eines Tages am eigenen Leib erfahren, was die Bewohner empfinden. Seine Freundin und er, die zurzeit noch in einer Mietwohnung in Brunsbek leben, werden selbst einziehen. Und auch sein Büro verlagert der Ingenieur von Hamburg-Rahlstedt nach Köthel. Dafür hat er Zimmer 3 reserviert, „17,5 Zentimeter Gasbetonstein, außen davor 16 Zentimeter Wärmedämmung und anderthalb Zentimeter Putz, anderthalb Zentimeter Gipsputz innen.“ Als Wärmequelle für diesen Raum hat er eine Fußbodenheizung ausgesucht, eventuell kombiniert mit einer Lüftungsanlage.

Was Eichrodt Wärmeabgabesysteme nennt – gemeint ist die Beschaffenheit des Heizkörpers –, spielt für ihn eine ebenso große Rolle wie der Aufbau einer Außenwand. Beides, betont er, muss miteinander harmonieren. Er erklärt: „Wir unterscheiden zwischen Lüftungswärme und Strahlungswärme.“ Lüftungswärme sei das, was die meisten Menschen kennen: erzeugt von einem normalen Heizkörper. Der ist warm, von unten strömt Luft hinein, wird durch die Hitze emporgesaugt und tritt erwärmt oben wieder aus.

Strahlungswärme, wie sie etwa Kachelöfen oder moderne Wandheizungen erzeugen, heizt die Raumluft hingegen kaum, sie wird erst wirksam, wenn sie auf einen Menschen trifft. Das ist am ehesten mit Sonnenschein an einem kalten Wintertag zu vergleichen. „Insofern ist es durchaus möglich, sich bei einer Raumlufttemperatur von 16 Grad wohlzufühlen“, sagt Eichrodt. Er benutzt gern den Begriff Wohlfühltemperatur: Raumtemperatur plus Wandtemperatur geteilt durch zwei.

Aber Strahlungswärme funktioniert nicht überall, Zimmer 2 („sechs Zentimeter Holzfaserplatte, 16 Zentimeter Wärmedämmung, anderthalb Zentimeter Holzschalung, sechs Zentimeter Luft, zweieinhalb Zentimeter Gipskartonplatte zweilagig“) ist ein gutes Beispiel. Hier kann der Ingenieur nur einen konventionellen Heizkörper wählen. „Denn Holzwände speichern keine Wärme.“ Diesen Raum hat Eichrodt als Schlafzimmer auserkoren.

Andere Experten, die sich mit Energieberatung befassen, blicken unterdessen mit Verwunderung nach Köthel. Thomas Hagen von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein etwa sagt: „Vier verschiedene Techniken in einem Baukörper? So etwas habe ich ja noch nie gehört.“ Er könne sich auch nicht vorstellen, dass die Werte in Eichrodts Haus objektiv auswertbar seien. „Die Luftfeuchtigkeit zum Beispiel hängt ja auch stark von der Nutzung eines Raumes ab.“ In der Küche zum Beispiel werde sie höher sein als im Wohnzimmer. „Hinzu kommen Feuchtigkeitsübertritte von einem Raum in den anderen.“ Auch Hagen räumt ein, dass es schwer ist, sich einen Überblick über alle Möglichkeiten und Techniken zu verschaffen. „Am Ende hängt viel vom Geldbeutel ab. Und das Bauchgefühl spielt eine große Rolle.“ Auf jeden Fall sollten Bauherren, so seine Empfehlung, einen in Energieberatung geschulten Architekten oder Ingenieur hinzuziehen.

Ralf Eichrodt, der als Firmenwagen ein altes Feuerwehrauto fährt, ist jedenfalls gespannt auf sein Experiment. Dass es auch einem dienen soll, das gibt er unumwunden zu: Aufmerksamkeit erzeugen.