Ahrensburger organisieren Sonntag einen „Gang des Erinnerns“. Er führt zu Häusern, in denen Juden lebten

Ahrensburg. Der Opfer des Nationalsozialismus gedenken und zu mehr Toleranz aufrufen – das wollen die Organisatoren des „Gangs des Erinnerns und der Ermutigung“ am 9. November in Ahrensburg. Zum dritten Mal bittet der „Runde Tisch für Zivilcourage und Menschenrechte, gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus“ zu einem Rundgang zu Orten, die an die Verbrechen der NS-Zeit erinnern.

Neu ist in diesem Jahr der Aspekt der Ermutigung: „Wir wollen den Blick dieses Mal nicht nur auf die Vergangenheit richten, sondern verstärkt auch auf die Gegenwart und Zukunft“, sagt Winfried Kümpel-Jurgenowski vom Runden Tisch. „Die Aktion soll eine Ermutigung sein zu mehr Mitmenschlichkeit und gegenseitiger Akzeptanz im alltäglichen Leben, im Hier und Jetzt.“ Das beziehe sich insbesondere auch auf die Flüchtlinge und Migranten, die hierzulande leben.

Wie in den vergangenen Jahren lädt der Runde Tisch für 9. November zu dem Rundgang ein – am Jahrestag der Reichspogromnacht 1938, in der in ganz Deutschland Synagogen, jüdische Friedhöfe und Wohnungen verwüstet und etwa 400 Juden ermordet wurden. Auch in Ahrensburg gab es Opfer.

Der „Gang des Erinnerns und der Ermutigung“ beginnt am Sonntag um 14.30 Uhr an der Ecke Hagener Allee/Ernst-Ziese-Straße am Stolperstein für Anneliese Oelte. Das 1934 geborene Mädchen wurde aufgrund ihrer Kinderlähmungserkrankung von ihren Eltern getrennt und nach Wien transportiert. Dort starb sie im Alter von elf Jahren an Unterernährung und unbehandelten Krankheiten.

Von der Hagener Allee führt der Weg zur zweiten Station, dem Wohnhaus der Familie Rath an der Waldstraße. Veronika Rath, jüdische Ehefrau eines Arztes, zerbrach unter dem Druck und der Diskriminierung, der ihre Familie ausgesetzt war: 1938 beging sie Selbstmord.

Letztes Mitglied der Jüdischen Gemeinde wurde 1941 ermordet

Von der Waldstraße geht es weiter zum Stolperstein für den jüdischen Ingenieur Magnus Lehmann auf dem Rondeel. Dort wird unter anderem Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach eine Ansprache halten. Lehmann war 1940 das letzte noch lebende Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Ahrensburg. 1941 wurde er nach Weißrussland deportiert und dort ermordet.

Bei dieser dritten Station soll der Blick insbesondere auf die heutige Zeit und auf aktuelle Fragen gerichtet werden: Wie soll die Gesellschaft mit Minderheiten umgehen? Wie entstehen Vorurteile? Was bedeuten historische Ereignisse wie die Ermordung der Juden für das Zusammenleben in der Gegenwart? Für Kümpel-Jurgenowski ist der Aufruf zu mehr Akzeptanz in der heutigen multikulturellen Gesellschaft entscheidend: „Akzeptanz bedeutet noch mehr als Toleranz, also Duldung“, sagt der pensionierte Richter. „Es bedeutet, andere zu verstehen und sie in ihrer Andersartigkeit zu schätzen. Andersartigkeit ist eine Bereicherung für die Gesellschaft nach dem Motto: Vielfalt statt Einfalt.“

Über den Schäferweg, wo die in der Reichspogromnacht zerstörte Ahrensburger Synagoge stand, führt der „Gang des Erinnerns und der Ermutigung“ zur vierten und letzten Station – dem Mahnmal für die Opfer der Weltkriege und des Nationalsozialismus’ an der Kastanienallee. Hier endet der Rundgang mit einem Bekenntnis gegen Krieg und Gewalt und für Humanität und Frieden. Dann können sich die Teilnehmer im Gemeindesaal der Schlosskirche bei Kaffee und Gebäck austauschen.

In den beiden vorigen Jahren waren etwa 300 und 400 Menschen bei der Aktion dabei. Viel wichtiger als die Anzahl der Teilnehmer ist Kümpel-Jurgenowski aber das Gedenken an die Opfer: „Vergessen und Verdrängen löscht diese Menschen praktisch ein zweites Mal aus. Deshalb ist es so wichtig, die Erinnerung an sie wachzuhalten.“

Die Teilnahme am „Gang des Erinnerns und der Ermutigung" ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich.