Ein 31-Jähriger soll den Senegalesen vor der Unterkunft an der Nathan-Söderblom-Kirche angegriffen haben. Ermittlungen wegen versuchten Totschlags

Reinbek. Bei einer Messerstecherei vor dem Gemeindehaus der Nathan-Söderblom-Kirche in Reinbek ist am Donnerstagmittag einer der dort lebenden Asylbewerber möglicherweise lebensgefährlich verletzt worden. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wegen versuchten Totschlags. Ein Mitbewohner soll den Mann mit der Waffe angegriffen haben.

Wie berichtet, leben in dem Gemeindehaus an der Berliner Straße seit April dieses Jahres zehn Asylbewerber. Zwei von ihnen gerieten am Donnerstag gegen 11.30 Uhr während des Deutschunterrichtes offenbar in Streit. Ersten Informationen der Polizei zufolge verlagerten die beiden aus dem Senegal stammenden Männer ihre Auseinandersetzung nach draußen. Dort kam es zu einer Rangelei, in deren Verlauf einer der Männer, 29, ein Messer zog und sein Gegenüber damit attackierte. Das Opfer, 31, erlitt schwere Stichverletzungen im Bereich des Oberkörpers.

„Ja, es hat einen Konflikt gegeben“, sagt Ingo Werth, Ehrenamtler vom Fluchtpunkt Bergedorf. Er betreut die Männer im Alter von 20 bis Anfang 30, die in der Unterkunft leben. „Es ist eigentlich eine harmonische Gruppe“, sagt Werth. Doch am Donnerstag kam es zur Eskalation. Werth sagt: „Es war im Grunde eine banale Situation.“ Offenbar hatte sich im Unterricht einer der Männer auf seinem Sitzplatz gestreckt, seinem Mitbewohner dabei die Sicht versperrt, woraufhin der die Fassung verlor. „Es gab Streit“, bestätigt Werth. „Der Lehrer und die anderen Deutschschüler haben noch versucht zu schlichten.“ Die Tat konnten sie allerdings nicht verhindern.

Kurz darauf kam die Polizei. Die Beamten sprachen mit Zeugen, untersuchten den Tatort. Das Opfer wurde mit dem Rettungswagen in eine nahe gelegene Klinik gebracht. Lebensgefahr konnte am Donnerstagnachmittag nicht ausgeschlossen werden. Der mutmaßliche Täter befindet sich in Polizeigewahrsam.

Ingo Werth und seine Kollegen haben sich kurz nach dem Übergriff im Deutschkursus bereits Gedanken gemacht: „Wir müssen nun eine Lösung finden“, sagt der Ehrenamtler. Über Details will er nicht sprechen. Er sagt aber auch, dass er Verständnis dafür habe, dass die Nerven bei den Flüchtlingen blank liegen. Er spricht über die schlimmen Erfahrungen, die die Männer vor, während und nach ihrer Flucht gemacht haben. Und über die Situation, in der sich die Männer in Reinbek befinden – ohne die Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen.

„Viele haben Krieg erlebt, nicht wenige von ihnen Angehörige verloren“, sagt er. Auch bei der Ankunft der jungen Männer, die aus Westafrika vor islamischen Rebellen geflüchtet sind, gab es demnach Schwierigkeiten: Nachdem sie vor eineinhalb Jahren über die italienische Insel Lampedusa geflüchtet waren, kamen sie vorerst nach Sachsen-Anhalt. Weil sie dort von Neonazis angegriffen wurden, fanden sie schließlich im April in Reinbek Zuflucht. „Da können viele Probleme entstehen, die sich auch in solcher Form wie heute äußern können“, sagt Werth.

Die Mordkommission Lübeck hat nun die Ermittlungen in dem Fall aufgenommen. Es geht um den Anfangsverdacht des versuchten Totschlags. Wer wegen Totschlags verurteilt wird, dem drohen laut Strafgesetzbuch mindestens fünf Jahre Haft. Weitere Angaben zum Tathergang konnte die Polizeidirektion Lübeck am Donnerstagnachmittag noch nicht machen. Mit neuen Informationen ist am heutigen Freitag zu rechnen.