Bahnstreik trifft Tausende von Stormarnern. Sie suchen nun nach Alternativen

Ahrensburg/Reinbek. Genervte Pendler, enttäuschte Reisende: Sie sind die Leidtragenden des längsten Streiks der Bahn-Geschichte. Seit Donnerstagmorgen fährt nur etwa ein Drittel der Züge der Deutschen Bahn, der Güterverkehr steht schon seit Mittwoch still. Auch S-Bahn-Pendler sind betroffen, wie die Reinbekerin Susan Brauer: „Als ich die Streik-Ankündigung gehört habe, dachte ich nur noch: ‚Na super! So ein Ärger!‘ Aber wenigstens fährt die S-Bahn alle 20 Minuten.“ Die 21-Jährige muss für ihr Praktikum täglich in die Hamburger Innenstadt. Um pünktlich zur Arbeit zu kommen, musste sie extra früher aufstehen. Für das Anliegen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat sie kein Verständnis. „Warum müssen die uns das nur antun? Wir streiken doch auch nicht, obwohl wir gern mehr Geld hätten!“

Pendler steigen sogar aufs Fahrrad um, damit sie rechtzeitig ankommen

Sascha Scharfenberg aus Neuschönningstedt trifft der Streik besonders hart. Der 40-Jährige muss täglich nach Bergedorf pendeln– und verpasst an Streiktagen dann meistens mehrere Anschlüsse. Deshalb hat er immer sein Fahrrad bei sich. „Das ist doch ein reines Kräftemessen der Gewerkschaften“, sagt Scharfenberg ärgerlich. „Wenn die Bahn Verspätung hat oder ausfällt, bedeutet das für mich mindestens eine Stunde Fahrrad fahren.“ Und das bei jedem Wetter. Aber immerhin komme er überhaupt nach Hause.

Pendler und Reisende brauchen auch weiterhin viel Geduld. Zwar versuchte die Deutsche Bahn am Donnerstag, eine Fortsetzung des Streiks per einstweiliger Verfügung zu verhindern. Bis Redaktionsschluss gab es allerdings noch keine Entscheidung durch das Arbeitsgericht Frankfurt/Main.

Und so gilt vermutlich auch für heute wieder der Notfallplan der Deutschen Bahn: Etwa ein Drittel aller Züge ist im Einsatz. Die gültigen Zugverbindungen sind unter www.bahn.de/aktuell abrufbar. Die S-Bahnen sollen weiterhin alle 20 bis 30 Minuten fahren. Regionalzüge machen zusätzlich Halt an kleineren Bahnhöfen, um mehr Pendler transportieren zu können. Bahn-Sprecherin Sabine Brunkhorst: „Zum Beispiel auf der Strecke Hamburg–Lübeck können Fahrgäste in Bargteheide zusteigen. Teilweise sind die Züge sogar relativ leer. Unsere Erfahrung: Pendler suchen Alternativen.“

Miriam Engels aus Grönwohld fährt deshalb anstatt mit der Regionalbahn mit der U-Bahn zur Arbeit. Das dauere zwar wesentlich länger, sei dafür aber zuverlässig. Busunternehmer, andere Bahnanbieter wie die Nordbahn oder Mitfahrzentralen sind die Gewinner des Streiks. Auch Autovermietungen verzeichnen teils deutlich mehr Anfragen. Der Verleiher Enterprise kommt Streik-Opfern sogar entgegen. Er verzichtet auf die Gebühr für die sogenannte Einwegmiete, wenn das Auto nicht in derselben Filiale abgegeben werden kann. Auch private Fahrgemeinschaften bilden sich. So finden zum Beispiel auf Twitter Fahrer und Mitfahrer unter dem Stichwort #twitfahrzentrale zusammen.

Allerdings ist mit Staus auf den Autobahnen zu rechnen, besonders zum Wochenende. ADAC-Sprecher Ulf Evert: „Jeder, der sich ins Auto setzt, muss aufgrund des Streiks mit viel mehr Verkehr auf den Straßen rechnen.“ So könnte es auch Heike Schulze-Noethlichs aus Ahrensburg ergehen: Eigentlich wollte sie am Wochenende mit der Bahn nach Kassel reisen. Nun muss sie aufs Auto umsteigen. „Langsam wird es wirklich anstrengend. Zwar habe ich grundsätzlich Verständnis für die Lokführer, weil sie viel Verantwortung tragen und wenig verdienen. Aber vier Tage streiken – das ist einfach zu lang!“

GDL betont: „Streik ist die einzige Möglichkeit, Druck auszuüben“

Hartmut Petersen, der Bezirksvorsitzende der GDL Nord, sieht das anders: „Ich appelliere an die Deutsche Bahn, dass sie unsere Forderungen endlich anerkennt oder wenigstens mit uns verhandelt. Welche anderen Möglichkeiten haben wir denn sonst außer Streik?“ Seit Monaten streiten GDL und Deutsche Bahn um fünf Prozent mehr Lohn bei kürzeren Arbeitszeiten. Weit umstrittener ist allerdings, dass die GDL dies nicht allein für die 20.000 Lokführer verlangt, sondern für das gesamte Zugpersonal. Also auch für rund 17.000 Zugbegleiter und Rangierführer. Die Vertretung dieser Gruppe beansprucht jedoch die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für sich. Die Bahn wiederum will konkurrierende Tarifverträge für eine Berufsgruppe vermeiden. Und so wird weiter gestreikt: Bis Montag, 4 Uhr, sollen die Züge nach dem Willen der Lokführergewerkschaft GDL stillstehen.