Firma hat mit Neubau der Zentrale die größte Grundwasser-Geothermie-Anlage Schleswig-Holsteins geschaffen.

Braak. Es ist eines der innovativsten Projekte zur Wärmegewinnung in Norddeutschland: Die Boltze-Gruppe hat mit dem Neubau der Firmenzentrale im Gewerbegebiet Braak die größte Grundwasser-Geothermie-Anlage Schleswig-Holsteins geschaffen. Der Geschenk- und Dekorationsartikel-Hersteller kann dadurch mit der im Boden vorhandenen Erdwärme heizen – und ist komplett unabhängig von fossiler Energie. Michael Scharrer, Mitglied der Boltze-Geschäftsleitung, sagt: „Unsere Motivation war tatsächlich, ökologisch nachhaltig zu bauen. Es ging darum, eine Energieform zu finden, die unabhängig ist von Sonne, Wind und Witterung. Wir sehen uns ein wenig als Pioniere dieser neuen Technologie.“

Um das Firmengebäude zu beheizen, wird etwa neun Grad Celsius warmes Grundwasser aus rund 50 Meter Tiefe an die Oberfläche geleitet. Wärmepumpen entziehen dem Wasser Energie und komprimieren diese mithilfe von Zusatzenergie auf 50 Grad. Das um etwa drei Grad abgekühlte Grundwasser strömt dann wieder über die Sonde in den Erdboden zurück. Doch auch im Sommer sorgt die sogenannte oberflächennahe Geothermie für gutes Klima: „Um das Gebäude abzukühlen, wird dann ohne Wärmepumpe gearbeitet“, sagt Tobias Viernickel, Geschäftsführer der Firma Geo-En, die die Anlage gebaut hat. „In dem Fall wird die Temperatur im Gebäude durch das relativ kühle Grundwasser und über Wärmetauscher zur Verfügung gestellt.“

Die Anlage hat sieben rund 80 Meter tiefe Brunnen mit Sonden im Betrieb. Sie liefert für das 6000 Quadratmeter große Verwaltungsgebäude 380 Kilowatt Heiz- und 340 Kilowatt Kühlleistung. 2,8 Kilometer Rohre wurden dafür im Gebäude verlegt.

Durch das ausgeklügelte System will die Boltze-Gruppe vor allem die Betriebskosten für das Gebäude reduzieren. Mit rund 57 Prozent Kostenersparnis rechnet die Herstellerfirma. Zudem sei zu erwarten, dass die Preise für Fernwärme und Erdgas in den nächsten Jahren weiter steigen. „Davon wollten wir ein Stück weit unabhängig werden“, betont Boltze-Sprecher Scharrer. Dennoch werde es rund acht Jahre dauern, bis sich die Anlage amortisiert hat. Seit rund acht Monaten ist das System in Betrieb. Bis es rund lief, verging allerdings einige Zeit: „Es war schwierig, die Anlage einzustellen“, sagt Scharrer. „Insbesondere die Feinjustierung war ein Problem. Es sehr anspruchsvoll, diese Technik zu beherrschen.“ Allein der Hersteller habe einen Zeitraum von rund drei Monaten dafür gebraucht. Doch auch für Boltzes Haustechniker und die Mitarbeiter ist die Technologie eine Herausforderung: „Was die Beschäftigten erst noch lernen mussten, ist Stoßlüften, also die Fenster auch schnell wieder zu schließen. Denn die Heizungsfühler reagieren darauf“, sagt Scharrer. Diese Temperaturschwankung wieder einzufangen, sei äußerst schwierig. „Und es ist natürlich so, dass die Mitarbeiter ein unterschiedliches Wärmeempfinden haben“, sagt Scharrer schmunzelnd. „Da muss man auch einen guten Mittelweg finden.“ Daher stehen in den Büros vier Klimazonen zur Verfügung.

Scharrer betont: „Unsere Firmenphilosophie ist, Arbeitsplätze für die Zukunft zu schaffen. Die attraktiv für unsere Mitarbeiter sind, und ökologisch nachhaltig. Wir wollen Verantwortung für die Zukunft übernehmen.“ Dafür nahm das Familienunternehmen mit seinen 250 Mitarbeitern eine fünfjährige Planungsphase in Kauf. „In Norddeutschland gibt es noch nicht so viele Anlagen, und vor allem keine so große Wasseranlage“, sagt Viernickel. Die Planung war unter anderem mit einem langwierigen Genehmigungsverfahren durch das Landratsamt und der unteren Wasserbehörde verbunden. Zudem mussten viele Punkte beachtet werden. Dr. Nikolaus Meyer von Geo-En: „Das Grundstück darf nicht auskühlen oder sich aufheizen.“ Dies könnte geschehen, wenn das Grundwasser mit veränderter Temperatur zurück in die Erde geleitet wird. „Deshalb muss die Anlage saisonal ausgeglichen werden“, so Meyer. Pro Brunnen zirkulierten jeweils rund acht Kubikmeter Wasser in der Stunde.