Bruch mit einem Tabu: Volkshochschule bietet in Großhansdorf einen ungewöhnlichen Kursus an. Ein Ortstermin

Großhansdorf. Die sechs Frauen im Schwimmbecken haben einander bei den Händen gefasst und drehen sich gemeinsam gemächlich im Kreis. Zwei von ihnen treiben auf dem Rücken, sie werden von den anderen gezogen, nur ihre Köpfe schauen aus dem Wasser. Die Szene hat etwas Spielerisches, es scheint allen Spaß zu machen.

Kaum vorstellbar, dass die beiden lächelnden Frauen, die sich ziehen lassen, noch vor einigen Wochen Angst vor dem Element hatten, das sie jetzt trägt. „Ein Wassertropfen im Gesicht, dann ging gar nichts mehr“, erzählt Caroline. Die 14-Jährige ist Teilnehmerin eines Großhansdorfer Volkshochschulkursus‘ im Bad der LungenClinic, der eher selten angeboten wird: Schwimmen für Erwachsene. Noch kurz vor dem Start am 27. August war nicht klar, ob der Kursus überhaupt stattfinden könnte, weil die Anmeldungen sehr zögerlich kamen. Schließlich wurden es doch sieben Teilnehmerinnen.

Es ist immerhin acht Jahre her, dass Anke Rath, die sonst Kindern das Schwimmen beibringt und im Wasser mit Behinderten arbeitet, einen Schwimmkursus für Erwachsene anbot. Sie weiß, dass die Hemmschwelle ungewöhnlich hoch ist, denn es wird ein Tabuthema berührt. Anke Rath weiß aber auch, dass der Bedarf gar nicht so gering ist, denn es gibt viele Menschen, die in der Kindheit das Schwimmen nicht gelernt und sich danach nicht mehr getraut haben, es nachzuholen. Die Sportpädagogin aus Hoisdorf ist sogar der Meinung, dass die meisten Erwachsenen sich unwohl fühlen, wenn sie in ein Schwimmbecken kommen, dass sie also eher wasserscheu sind.

Meta ist mit 78 Jahren die älteste Teilnehmerin. Sie wird auf ihrer Bahn von Ute Borgwardt begleitet, der zweiten Kursleiterin im Schwimmbad der LungenClinic. „Super, du hast keinen Rührkuchen gemacht“, lobt Borgwardt, als ihre Schülerin nach zwölf Metern ohne Unterbrechung am Beckenrand angekommen ist. Auf Qualität der Bewegungen legen beide Lehrerinnen großen Wert. „Ihr müsst ein Gefühl dafür bekommen, euch treiben zu lassen. Möglichst lange gleiten, regelmäßig Luft holen. Wenn ihr aber ins Hüpfen kommt, seid ihr unrund. Dann stellt euch lieber hin und startet neu. Das ist besser, als sich falsche Bewegungsmuster anzugewöhnen“, sagt Anke Rath.

Es ist die neunte und vorletzte Stunde des Kursus’. Alle Teilnehmerinnen haben große Fortschritte gemacht. Meta war zu Beginn Nichtschwimmerin. „Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen, dort gab es kein Schwimmbad in der Nähe – und meine Eltern konnten auch nicht schwimmen“, erzählt sie. Francina und Margrit, beide Anfang 60, haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch die, dass sich manchmal ausgeschlossen fühlt, wer nicht schwimmen kann. „Das ist etwas, von dem man glaubt, dass das jeder können müsste – so wie Fahrradfahren“, sagt Francina. Sie hat als Kind versucht, durch Nachahmen und Korrekturen der Freunde sich das Schwimmen selbst beizubringen. Dabei wäre sie beinahe in einem Fluss ertrunken.

Caroline, die Jüngste in der Gruppe, hat mit vier, fünf Jahren an zwei Schwimmkursen teilgenommen – mit dem Erfolg, dass sie seitdem große Angst vor Wasser hatte. Danach fühlte auch sie sich manchmal ausgeschlossen: „Wenn ein Kindergeburtstag im Badlantic gefeiert wurde, habe ich mir eine Ausrede einfallen lassen. Und an der Kanu-Tour auf der Klassenreise durfte ich nicht teilnehmen“, erzählt sie. Den VHS-Kursus im LungenClinic-Bad hat sie von ihrer Tante geschenkt bekommen, die als Zuschauerin am Rand sitzt und sich darüber freut, dass ihre Nichte Ängste abbaut und genügend Selbstvertrauen entwickelt, um auf Schwimmhilfen zu verzichten. „Caroline hat einen Riesensprung gemacht, sie gewinnt Sicherheit“, sagt Anke Rath.

Dass alle so offen über ihre Erfahrungen und Ängste sprechen können, ist ein Erfolg dieses Kursus’ und eine Sache des Vertrauens in die anderen Teilnehmer und in die eigenen Fähigkeiten. „Der Geist der Gruppe ist sehr wichtig“, sagt Anke Rath. „Wir haben zu Beginn alle gefragt, warum sie hierher gekommen sind. Und dann gemeinsam beschlossen, dass wir uns duzen, um freier und unkomplizierter miteinander umzugehen. Es ist rasch so großes Vertrauen entstanden, dass alle sich hier gut aufgehoben fühlten.“

Elementar im wahrsten Sinne des Wortes ist die behutsame Gewöhnung ans Wasser, weiß Rath. „Kinder, die Wasser als ihren Feind betrachten, werden nie sicher schwimmen.“ Deshalb standen am Anfang Übungen, die Sicherheit geben sollten. Die Teilnehmer sollten ein Gefühl für Wasser entwickeln, Auftrieb erfahren, den Widerstand bei der Bewegung spüren, sich treiben lassen, ausprobieren, wie es ist, unter Wasser auszuatmen – kurz: Angstgefühle abbauen und Vertrauen in das als fremd empfundene Element setzen. „Wasser ist dein Freund, wenn du es akzeptierst“, sagt Rath.

Sie selbst ist Leistungssportlerin, erfolgreiche Triathletin beim TSV Bargteheide, hat sich aber als Lehrerin ein Gespür für die Ängste und Unsicherheiten ihrer Schüler bewahrt. In ihrem Motopädagogik-Studium hat sie sich im Examen mit erwachsenen Nichtschwimmern beschäftigt und festgestellt, dass es dazu wenig Material gibt, weil sich der Schwimmunterricht fast ausschließlich mit Kindern beschäftigt und dessen Konzepte nicht vollkommen zu übertragen sind: „Erwachsene sind viel stärker kopfgesteuert. Wenn sie wieder ein bisschen zu Kindern werden, sind sie lernfähiger.“

In ihrem Unterricht mischt Anke Rath Erklärung, Ermunterung und spielerische Elemente. „Auch wenn ihr keine Leistungsschwimmer seid, braucht ihr Kraft, um die Wasserlage zu verbessern. Der Körper soll gerade im Wasser liegen. Also: Hoch die Kiste!“ Es folgen Übungen mit Unterstützung von Schaumstoffnudeln. Alle Teilnehmerinnen sind begeistert und wollen auch beim Fortsetzungskursus im Februar dabei sein. Sechs Plätze sind noch frei. „Auch männliche Nichtschwimmer sind willkommen – sie müssen sich nur trauen“, sagt Rath und grinst.

Ein Seepferdchen gibt es übrigens bei erfolgreicher Teilnahme nicht, vielleicht aber einen Schlüsselanhänger. Auch erwachsene Kinder freuen sich über Kleinigkeiten.