Ein 19 Jahre alter Abiturient aus Ammersbek hat drei krebskranke Bewohner des Hospizes des Israelitischen Krankenhauses in Hamburg in ihren letzten Tagen mit der Kamera begleitet. Seine Dokumentation in Spielfilmlänge hat das Publikum beeindruckt.

Ammersbek. „Zeit zu Leben“, so heißt Sina Aaron Moslehis Dokumentarfilm über das Hospiz des Israelitischen Krankenhauses in Hamburg-Alsterdorf. Ein Titel, den der Ammersbeker bewusst gewählt hat. „Im Hospiz geht es darum, die Zeit, die man noch zum Leben hat, intensiv zu nutzen. Die Menschen treffen ihre Angehörigen, bestellen ihr Lieblingsessen oder unternehmen lange Spaziergänge“, sagt Sina. Mit seinem Film will der junge Mann Klischees ausräumen und zeigen, dass ein Hospiz nicht nur ein Ort zum Sterben ist. Regie, Kameraführung, Filmschnitt: Hat er alles selbst gemacht.

Als er im Sommer 2012 mit den Vorbereitungen für den Film beginnt, ist er 17 Jahre alt. Gedreht wird in den Weihnachtsferien – denn Sina geht zu dieser Zeit noch zur Schule.

Der inzwischen 19-Jährige hat im Sommer dieses Jahres sein Abitur am Heinrich-Heine-Gymnasium in Hamburg-Poppenbüttel gemacht. Doch auch bei seinem Filmprojekt hat sich viel getan: „Zeit zu Leben“ hat im April dieses Jahres bei der 11. Dokumentarfilmwoche im Lichtmess-Kino in Hamburg-Altona Weltpremiere gefeiert. Bei weiteren Filmfestivals hat sich der Ammersbeker mit seiner 87-minütigen Dokumentation ebenfalls beworben. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat den Film mit dem Prädikat „wertvoll“ ausgezeichnet. Mittlerweile hat Sina seine eigene Produktionsfirma MoslehiFilm gegründet.

Dass der junge Mann ein so sensibles Thema gewählt hatte, verwunderte anfangs viele seiner Freunde und Bekannten. „Zwischendurch wurde ich immer wieder gefragt, warum ich mir nicht etwas Fröhlicheres aussuche“, sagt Sina und lacht. „Aber ein Film sollte meiner Meinung nach zum Nachdenken anregen.“ In „Zeit zu Leben“ begleitet er drei Gäste des Hospizes, die an Krebs erkrankt sind, und spricht mit ihnen über ihre Hoffnungen und Ängste. Dass jeder von ihnen unterschiedlich mit dem Tod umgegangen ist, sei Zufall gewesen. „Am Anfang habe ich überhaupt nicht gefilmt und bin mit den Krankenpflegern mitgegangen. So konnte ich mir einen ersten Eindruck verschaffen“, sagt Sina. Er führte viele persönliche Gespräche und erlebte sehr private Momente – mit und ohne Kamera. „Viele Geschichten haben mich auch nach Drehschluss begleitet“, sagt Sina „Denn natürlich ist das Hospiz auch ein Ort der Trauer.“ Das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wurde, weiß der 19-Jährige sehr zu schätzen. „Ich selbst hatte vorher keinen Berührungspunkt mit dem Tod“, sagt Sina. „Aber ich habe mitbekommen, wie alle drei gestorben sind.“ Einblicke in Sinas jüngstes Projekt gibt auch die Homepage www.zeitzuleben-film.de.

Es ist nicht das erste Filmprojekt des Abiturienten: Den 31-minütigen Dokumentarfilm „Zum Andenken: Vom Leben und Sterben des Ernst Lossa“ hat Sina 2011 fertiggestellt. In dem macht der Jugendliche die NS-Euthanasie zum Thema: Er erzählt, wie Ernst Lossa 1944 im Alter von 14 Jahren in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren von einer Krankenschwester ermordet wird. „Der Film basiert auf Robert Domes Roman ‚Nebel im August: die Lebensgeschichte des Ernst Lossa‘“. Die Themenwahl war reiner Zufall, wie Sina sagt: „Ich habe mit einer Freundin über Bücher geredet, und da hat sie mir ‚Nebel im August‘ empfohlen. Nachdem ich es gelesen hatte, schaute ich nach, ob das Buch auch verfilmt wurde.“ Als Sina nichts fand, beschloss er, einen eigenen Film zu machen. „Ich habe dem Autor auf den Anrufbeantworter gesprochen und von meiner Idee erzählt. Drei Tage später hat er sich gemeldet.“

2011 bekam Sina Aaron Moslehi den Bertini-Preis für Zivilcourage

Wenig später wurde der Film bei dem gemeinnützigen Hamburger Community-Sender Tide ausgestrahlt. Das blieb nicht unbemerkt: „Mehrere Leute haben bei Tide angerufen und gefragt, wann der Film das nächste Mal gesendet wird“, sagt Sina. 2011 erhielt er dafür den Bertini-Preis für Zivilcourage, der seit 1998 an junge Menschen in Hamburg vergeben wird.

„Zeit zu Leben“ und „Zum Andenken“ waren eigene Filmprojekte. Erste Erfahrungen als Kameramann und Interviewer hatte Sina bei den beiden Kurz-Dokumentarfilmen „contraPUNKT“ und „The Art of Music Education Vol. II“ gesammelt. Was er für seine eigenen Filme ausgegeben hat, kann er nicht genau sagen. Für den ersten Film lieh ihm sein Kunstlehrer eine Kamera. Mittlerweile hat der Ammersbeker sein eigenes Equipment gekauft.

Obwohl er schon jetzt in der Öffentlichkeit als Filmemacher bezeichnet wird, möchte er beruflich eine andere Laufbahn einschlagen. In Kürze beginnt er an der Uni Hamburg ein Jurastudium. „Ich weiß schon seit Jahren, dass ich das will, das ist einfach so ein Gefühl“, sagt Sina. Das Filmemachen will er trotzdem nicht an den Nagel hängen, ganz im Gegenteil. Der Ammersbeker sagt: „Sicherlich werde ich noch das eine oder andere Filmprojekt starten.“