Im Jahr 2020 sollen 8000 Hektar der Wälder in Schleswig-Holstein naturbelassen sein. Derzeit sind es 7200

Trittau. Der Boden ist zentimeterhoch mit gelben, brauen und dunkelroten Blättern bedeckt. Meter voneinander entfernt ragen die glatten Stämme der Buchen aus dem Herbstlaub weit in die Höhe – so weit, bis sich die Spitzen ihrer Baumkronen berühren. Nur einer der rund 180 Jahre alten Bäume sieht anders aus. Förster Michael Hansen, zuständig für den Wald namens Hahnheide in Trittau, zieht ohne Mühe ein großes Stück Rinde von dem Stamm, an dem kein einziger Ast, kein einziges Blatt hängt. „Der Baum ist tot“, sagt er. Das ist in diesem Fall kein Grund zur Besorgnis. Denn abgestorbene Bäume sind eine wichtige Grundlage für den Urwald, der an dieser Stelle in etwa 60 bis 70 Jahren entstanden sein soll.

Naturwaldfläche in der Hahnheide hat sich fast verdoppelt

Die Hahnheide wird voraussichtlich Ende des 21. Jahrhunderts nicht nur in Teilen ein richtiger Urwald sein, sondern auch die größte Urwaldfläche in Schleswig-Holstein haben. Derzeit verfügt der insgesamt 1450Hektar große Wald im gesamten Bundesland bereits über die größte Naturwaldfläche – die Vorstufe zum Urwald. 150 Hektar waren es bis vor wenigen Wochen, nun sind noch mal 120Hektar hinzugekommen. Doch auch an anderen Stellen in Stormarn sowie in ganz Schleswig-Holstein wächst der Naturwald.

Das schleswig-holsteinische Umweltministerium hatte in Zusammenarbeit mit den schleswig-holsteinischen Landesforsten – eine hundertprozentige Tochter des Landes – sowie der landeseigenen Stiftung Naturschutz die Fläche in Trittau sowie knapp 2000Hektar in anderen Wäldern im Bundesland als Flächen für Naturwald ausgewählt. Damit sind es jetzt insgesamt 7200 Hektar. 5600 Hektar davon gehören dem Land, der Rest dem Bund, den Kreisen und Kommunen. In Stormarn gibt es neben den Flächen in der Hahnheide (die ältesten sind seit 1985 Naturwald) noch neuerdings rund 40Hektar naturbelassenes Waldgebiet im Moorgebiet Kranika bei Lütjensee sowie neun kleinere Flächen im Kreis.

„Naturwälder tragen dazu bei, die Artenvielfalt zu schützen“, sagt Umweltminister Robert Habeck (Grüne). Dort gebe es vom vermodernden Baumriesen bis zum Keimling alles. Zudem bieten, so heißt es aus seinem Ministerium, Naturwälder und die späteren Urwälder Fledermäusen, Spechten und Dohlen, Käfern und Pilzen einen Lebensraum, in dem sie sich ungestört entwickeln könnten.

Aus diesem Grund hat die Bundesregierung bestimmt, dass bis 2020 zehn Prozent der Waldflächen in Deutschland naturbelassen sein sollen. In Schleswig-Holstein sei, so heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Umweltministeriums, das Ziel fast erreicht. Sprecherin Nicola Kabel sagt: „Es fehlen zu den zehn Prozent noch 800 Hektar. Die Flächen sollen in den kommenden Jahren ausgewählt werden.“

Der Unterschied von normalen Waldflächen und Naturwäldern ist einfach: Naturwälder werden nicht forstwirtschaftlich genutzt. „Das bedeutet, dass es keinen Holzeinschlag mehr gibt“, erklärt Trittaus Förster Michael Hansen und zeigt auf den Waldboden, auf dem kein einziger abgeschlagener Baumstubben zu sehen ist. Statt nach etwa 60 bis 70 Jahren für die Holzindustrie geerntet zu werden, wachsen die Buchen im Naturwald in der Hahnheide, bis sie ihre natürliche Altersgrenze erreicht haben. Die tote Buche geht mit ihren etwa 180 Jahren allerdings etwas vor ihrer Zeit. Bis zu 300 Jahre werden Buchen in der Regel alt. Eichen erreichen sogar ein Alter von bis zu 1000Jahren. Stehen sie in einem normalen Wald, werden sie nach 200 Jahren gefällt. Sterben die Bäume, so fangen Pilze an, ihr Holz zu zersetzen – so lange, bis der Baum abbricht und auf em Waldboden kippt. Dort wird das Holz weiter zersetzt und dient später als Dünger für nachwachsende Bäume.

„Den Wald in einen Urwald zu verwandeln führt auch dazu, dass der Wald weniger abwechslungsreich wird“, sagt Hansen. Der Grund: Nur die heimischen Baumsorten bleiben bestehen, aus forstwirtschaftlichen Gründe angepflanzte Sorten würden nach und nach aussterben.

Wie das in Schleswig-Holstein aussehen wird, können die Besucher der Hahnheide bereits erahnen – etwa rund um die tote Buche und ihre (noch) lebendigen Artgenossen. Zudem erforscht ein Team der Uni Göttingen die Verwandlung der Hahnheide. Hansen: „Heimisch sind bei uns eigentlich nur Rotbuchen.“ Sie machen laut dem Förster fast 95 Prozent des natürlichen Waldwuchses aus. Dazu kommen je nach Beschaffenheit des Bodens einige Kiefern und Eichen. Gestrüpp am Boden wird es im Stormarner Urwald kaum geben, sondern vornehmlich abgestorbene Buchenstämme.