Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Ohe üben im Parcours mit acht Stationen zentimetergenaues Fahren, um im Einsatz keine Zeit zu verlieren

Reinbek. Der Motor des leuchtend roten Feuerwehrautos läuft rund. Hinter dem Lenkrad hat Christian Schulz auf dem schwarzen Ledersitz Platz genommen. Der 34-Jährige ist der Erste, der mit dem Löschgruppenfahrzeug (LF) 20/16 den Geschicklichkeitsparcours der Freiwilligen Feuerwehr Ohe bewältigen muss.

Auf der Wiese vor dem Gut Schönau haben die Gruppenführer Thomas Bohlens und Philip Willner acht verschiedene Stationen aufgebaut. Willner ruft Schulz die Reihenfolge der Stationen noch einmal kurz durch das offene Fahrzeugfenster zu. Dann geht es auch schon los. Mit dem rechten Fuß drückt Schulz das Gaspedal des Vollautomatik-Wagens hinunter.

Rund 15 Tonnen rollen über sechs Schlauchbrücken aus Hartgummi und Holz. Das Fahrzeug ruckelt ein wenig, als es über die Schwellen rollt. „Dank der Schlauchbrücken können Fahrzeuge über die Wasserschläuche fahren, ohne diese zu beschädigen“, sagt Christian Schulz. Die Brücken dürfen bei der ersten Parcours-Station nicht verrutschen. Gar nicht so einfach bei diesem Untergrund. Trotz strahlendem Sonnenschein ist das Gras vormittags noch mit Tau überzogen und nass. Doch Schulz meistert die Aufgabe problemlos: null Fehlerpunkte.

Zwischen Hütchen und Tonnen bleiben dem Wagen nur wenige Zentimeter

Als nächstes muss der Feuerwehrmann eine Gasse aus kegelförmigen Hütchen durchfahren, die trichterförmig aufgereiht sind. Das 2,55 Meter breite Fahrzeug bahnt sich seinen Weg zwischen den rot-weiß gestreiften Plastikhütchen. Bei dem letzten Paar hat das Feuerwehrauto auf beiden Seiten nur noch fünf Zentimeter Platz. Alle Hütchen bleiben stehen. Ebenso an der nächsten Station – einer Kurve aus Hütchen.

Bei der vierten Station sollen die beiden Vorderreifen des Löschgruppenfahrzeugs in einem rot aufgesprühten Rechteck stehen bleiben. Schulz lehnt sich mit dem Oberkörper aus dem geöffneten Fahrzeugfenster heraus. Nach mehrmaligem Rangieren klappt es. Als Nächstes soll nur der rechte Vorderreifen innerhalb eines rot aufgesprühten Kreises stehen. „Seh‘ ich nicht“, sagt Schulz und schaut dabei in den auf den Boden ausgerichteten rechten Seitenspiegel. Mit dem Rückwärts- und Rückwärts-Seitwärts-Einparken hat der 34-Jährige keine Probleme. Nur 50 Zentimeter trennen ihn vom orange-weiß gestreiften Absperrband.

Die letzte Station fällt Schulz am schwierigsten. „Wir ziehen die Tonnen langsam auseinander. Wenn du denkst, dass du durchpasst, hältst du den Arm raus, und wir halten an“, ruft Philip Willner dem Fahrer entgegen. Ein gutes Augenmaß ist gefragt. Zögerlich streckt Schulz bei einem Abstand von geschätzt 2,60Meter die linke Hand aus dem Wagenfenster. Das Fahrzeug hat auf beiden Seiten zusammen nur etwa fünf Zentimeter Platz. Doch die blauen Plastiktonnen wackeln nicht einmal. In drei Minuten und 52 Sekunden hat Schulz das 286 PS starke Feuerwehrauto erfolgreich durch den Parcours befördert.

Während die Fahrer einzelnen Stationen absolvieren, messen Thomas Bohlens und Philip Willner mit einem Zollstock die Abstände aus und nehmen mit einer Stoppuhr die Zeit. Die 16 Jahre alte Karoline Hilker notiert die Werte auf einem Zettel, der an einem Klemmbrett befestigt ist. „Für jeden Fehler gibt es eine bestimmte Punktzahl“, sagt Philip Willner. „Der Fahrer, der die geringste Fehlerpunktzahl hat, gewinnt. Bei einer gleichen Punktzahl entscheidet die Zeit.“

Rund 30 von 56 Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Ohe testen an diesem Sonnabend ihre Geschicklichkeit am Lenkrad. Neben dem LF 20/16 durchfahren ein weiteres, nur halb so schweres Löschgruppenfahrzeug sowie ein Einsatzleitwagen den Parcours. Bis zu 3000 Fehlerpunkte können erreicht werden. Für das große Löschgruppenfahrzeug beträgt das Zeitlimit viereinhalb Minuten. Die Fahrer des kleineren Autos müssen den Parcours in weniger als dreieinhalb Minuten passieren.

Gefühl, Geschicklichkeit und Spaß sind die Gründe für den Parcours

Wie die Idee für ein Geschicklichkeitsfahren entstand, erläutert Ortswehrführer Oliver Selke: „Unsere Leute sollen ein Gefühl für die Fahrzeuge entwickeln. Bei Einsätzen gelten andere Bedingungen. Da parkt niemand ein oder guckt, wie groß der Wendekreis oder wie breit das Fahrzeug ist“, sagt Selke. „Der Parcours ist eine echte Herausforderung.“

Zusätzlich schickt die Stadt Reinbek jeden Maschinisten einmal im Jahr zu einem achtstündigen Blaulicht-Training beim ADAC. „Dazu gehören unter anderem das Slalomfahren und die Vollbremsung. Die Teilnehmer lernen, die Bremse zu treten, als wenn sie eine Cola-Dose zerdrücken würden“, sagt Selke. „Bei unserem Parcours geht es mehr um Geschicklichkeit als um Reaktion.“

Um ausreichend Fahrer zu haben, beteiligt sich die Stadt Reinbek auch an den Führerscheinkosten. Etwa 35 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Ohe haben einen Lkw-Führerschein der Klasse C. Das kleinere Löschgruppenfahrzeug, das knapp 7,5 Tonnen wiegt, darf mit dem Führerschein der Klasse C1 oder der alten Klasse drei gefahren werden.

Neben den Gruppen in Reinbek und Neuschönningstedt ist die Freiwillige Feuerwehr Ohe eine von drei Ortswehren der Stadt Reinbek. Wie wichtig ein geübter Umgang mit den Feuerwehrautos bei einem Einsatz ist, weiß auch Christian Schulz.

Übung dürfe jedoch nicht mit Routine verwechselt werden, betont er: „Routiniert an die Sache ranzugehen, wäre eher schlecht. Man hat ja auch Verantwortung für die anderen acht, die mitfahren. Respekt vor dem Fahrzeug muss man schon haben.“

Routine ist schlecht – jeder Einsatz ist für die Freiwillige Feuerwehr anders

Vor allem bei Einsätzen mitten in der Nacht sei es für die freiwilligen Feuerwehrmänner manchmal schwierig, sich in nur wenigen Minuten auf den Einsatz vorzubereiten. Das Gefühl, mitten in der Nacht vom Alarmmelder geweckt zu werden, kennt Schulz nur allzu gut: „Wenn man aus dem Tiefschlaf gerissen wird, muss man erst einmal den inneren Schweinehund überwinden“, sagt Schulz. Beim Anziehen und der Fahrt zum Gerätehaus komme es auf jede Sekunde an. Schulz: „Es gab Jahre, da waren wir jede dritte Nacht unterwegs.“ Im vergangenen Jahr sei es nachts zwar relativ ruhig gewesen. Dennoch musste die Freiwillige Feuerwehr Ohe viele Einsätze fahren.

Nach einem einsatzreichen Jahr möchte Oliver Selke den Mitgliedern etwas Abwechslung gönnen. „Natürlich geht es hierbei auch immer noch um den Spaßfaktor“, sagt Selke. Vor dem Geschicklichkeitsfahren wurde gemeinsam in der Feuerwehrwache gefrühstückt, anschließend wurde der Grill angeheizt. Der Fahrer mit den wenigsten Fehlerpunkten war am Ende tatsächlich Christian Schulz. Er erhielt eine Urkunde.