Stadt feiert ihr 700. Jubiläum am Wochenende mit einem Mittelalterfest. Bei Aktionen sind Besucher zum Mitmachen und Lernen aufgefordert

Bargteheide. Im Mittelalter ging es deutlich rauer zu als im Bargteheide des Jahres 2014. Das merkt Leonid, 4, spätestens beim ersten Schlag mit dem Jutesack, der ihn von der Tjoste befördert. Sein Widersacher Efecan, Besucher des Bargteheides der modernen Zeit und fünf Jahre alt, hat damit seine Knappenprüfung bestanden. Eike Horstmann hilft dem nächsten auf den Holzbalken, der im Schergenlager eine der Attraktionen für Kinder darstellt.

700 Jahre Bargteheide hat die Stadt gemeinsam mit dem Ring Bargteheider Kaufleute (RBK) und dem Verein Ars Vivendi am Wochenende mit einem Mittelalterfest gefeiert. Rund um den Utspann-Parkplatz präsentierten sich Verkäufer mittelalterlicher Kunst und Handwerker, in den Heerlagern konnten Besucher erleben, wie ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren lebten.

„Das Fest gefällt mir super. Vor allem gibt es viele tolle Aktionen zum Mitmachen für Kinder“, sagt Gül Koparan, Mutter von Efecan, die aus Bargteheide kommt und nun in Bergedorf lebt. Während sich also Efecan und Leonid der Knappenprüfung unterziehen, prüft Bürgermeister Henning Görtz gemeinsam mit Johannes Faget von Ars Vivendi lieber das Kirschbier. „Es hat uns allerdings beiden nicht besonders geschmeckt“, sagt Faget, der sich im Vorfeld des Festes mit Görtz zur Verkostung getroffen hatte. „Wir sind der Meinung: Ins Bier gehört nur Hopfen, Malz und Gerste.“ Dieser Meinung ist ein Großteil der erwachsenen Besucher augenscheinlich nicht. Am Getränkestand in der Mitte des Parkplatzes – mit bestem Blick auf die Gaukler-Bühne – ist das ganze Wochenende über viel Betrieb. Neben dem Kirschbier ist vor allem Met beliebt, ein alkoholisches Getränk aus Honig und Wasser.

Während die einen ihre Trinkfestigkeit prüfen, wollen die anderen lieber wissen, wie sich die Menschen im Mittelalter versorgten. Ingeburg Nanninga lässt sich im Heerlager von Rosemarie Hufnagel die Technik des Nadelbindens erläutern. Mit einer Nadel aus Hirschhorn stellt diese mit einer Knotentechnik eine Wollmütze her. „Das ist der sogenannte Oslo-Stich. Die Techniken wurden danach benannt, wo sie herkamen“, sagt Hufnagel. „Der Stich ist ganz einfach zu lernen.“ Ingeburg Nanninga versucht es selbst. „Es interessiert mich, wie Menschen im Mittelalter gelebt haben. Ich habe heute viel gesehen und immer Fragen gestellt“, sagt sie. „Wie erfinderisch die Menschen früher mit ihren begrenzten Mitteln umgegangen sind, finde ich toll.“

Zu dem Fest, das die Veranstalter seit März vorbereitet haben, gehört ein Laternensternlauf durch die Stadt, ein verkaufsoffener Sonntag und einige Veranstaltungen im Nachgang. Bereits am Sonnabend gegen Nachmittag gab es erste positive Bilanzen. „Wir sind hochzufrieden damit, dass das Fest schon jetzt so gut besucht ist“, sagt Johannes Faget, der zur Hoch-Zeit mit bis zu 3000 Besuchern rechnet. „Das Thema Mittelalter wird sowohl von den Bargteheidern als auch von Besuchern, die angereist sind, wunderbar angenommen“, sagt Faget, der acht Jahre lang Präsident des Vereins Ars Vivendi war. Schon vorab bilanziert er: „Das Fest gebührt einer 700-Jahr-Feier. Beste Kurtzweyl.“

Den Veranstaltern geht es vor allem darum, altes Handwerk wiederzubeleben. An seinem Stand zeigt Malte Dose, wie man Bilder auf Furnierholz malt. Der Kunstpädagoge, der mit seinem Sohn Niklas, 13, in Bargteheide ist, arbeitet in Altenheimen und Kindergärten. „Hier habe ich mein Konzept auf das Thema Mittelalter umgestellt“, sagt Dose. Das zeigt sich in den mittelalterlichen Motiven, geprägt von Drachen und Rittern, und den Steinen, die diesmal Magnete als Beschwerer ersetzen.

Karl Odendahl baut traditionelle Musikinstrumente wie Trommeln und Flöten. Gerade unterhält er sich aber in der Nähe seines Standes mit Bastian Brockmeyer aus Bargteheide. Zwar mittelalterlich gewandet, ist der Bargteheider dieses Mal nur als Besucher hier. „Wir verkaufen eigentlich Schmuck, haben hier aber keinen Stand“, sagt Brockmeyer, der über seinen Bruder Zugang zu dem Thema gefunden hatte. „Er hat bei Mittelaltermärkten in einer Bäckerei gearbeitet.“

Neben dem märkischen umfasst das Fest auch einen ritterlichen Teil, bei dem Rüstungen und Waffen gezeigt werden – und ausprobiert. Zwei eiserne Äxte bietet Tanja Wulf der neun Jahre alten Tarya zur Auswahl an. Sie entscheidet sich für die leichtere. Nach kurzer Einweisung geht’s los: linker Fuß vor, Arm ausstrecken, Schwung holen, werfen. Die Axt verfehlt das Ziel – eine zerschrammte Holzwand – knapp. Tanja Wulf sammelt die Axt vorsichtig wieder vom Boden auf. „Vorsicht ist hier immer geboten. Wir spielen zwar, aber die Äxte sind trotzdem Waffen.“ Hannah, 8, hat sich für die ungefährlichere Variante entschieden. In Begleitung ihres Großvaters besucht die Bargteheiderin das Fest. An der Seilerey von Günter Köhler dreht Hannah aus ungefärbten und neongelben Seilen ihr eigenes Springseil und wird dabei von anderen Kindern angefeuert.

Köhlers Frau Nadine hat sich wohl einen der Jobs ausgesucht, die am meisten fordern. Beim Bogenschießen herrscht Andrang. Gerade legt die sechs Jahre alte Amelie Fay den Bogen an. Ihre Mutter Saskia Petras ist von dem Fest begeistert: „Es ist mal etwas anderes als normale Stadtfeste“, sagt die Delingsdorferin. Währenddessen hat Nadine Köhler ein ganz anderes Problem gerade gelöst. Einer am Schießstand vorbeigehenden Besucherin hat sie die Bratwurst abgekauft, die diese gerade essen wollte. Warum geht sie nicht selbst los? „Keine Zeit.“ Die Bratwurst wird noch längere Zeit unangebissen neben ihr auf der Bank liegen. Für manche ist das Mittelalter rau. Für die meisten Bargteheider ist es vor allem kurzweilig.