Die Stadt habe ein Problem mit Rechtsextremen, meint eine neue Initiative. Es gebe keine Strukturen, meint die Polizei

Glinde. Eingeworfene Scheiben im Geschäft des Sprechers der Bürgerinitiative gegen rechts, dazu in den vergangenen Monaten vermehrt Schmierereien mit rechten Parolen und Symbolen auf Gehwegplatten, Papierkörben und Stromverteilerkästen, die Ermittlungsverfahren zur Folge haben: Glinde hat offenbar ein Problem mit Neonazis. Dieser Meinung ist zumindest Hans-Jürgen Neff. Der Jurist sagt: „Allein die Parole ‚Nationaler Widerstand Glinde‘, die an mehreren Stellen aufgesprüht wurde, zeigt das Vorhandensein einer autonomen, rechtsextremistischen Gruppierung in Glinde.“

Viele M.u.T-Mitglieder waren zuvor in anderer Initiative aktiv

Neff will die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam machen und hat mit Gleichgesinnten die Initiative „Aktion Menschlichkeit und Toleranz“ (M.u.T) gegründet. Der 58-Jährige: „Sie steht für die Überzeugung, durch gelebte Zivilcourage und gezieltes Eingreifen bestehende Missstände aufzugreifen und ihnen zivilgesellschaftlich entgegentreten zu können.“ Derzeit zählt die Initiative zehn Mitglieder. Sie ist die zweite in Glinde, die gegen rechte Gesinnung kämpft.

Bereits 2011 hatte sich die Glinder Bürgerinitiative gegen rechts, der Neff bis vor Kurzem angehörte, gebildet. Ihr Ziel ist die Schließung des Bekleidungsladens Tønsberg am Glinder Berg. Dort werden Artikel der Modemarke Thor Steinar verkauft – ein Label, das bevorzugt von Anhängern der rechten Szene getragen wird. Fast täglich halten die Mitglieder vor dem Geschäft Mahnwache, sorgen mit regelmäßigen Veranstaltungen zum Thema Rechtsradikalismus für Aufmerksamkeit und Aufklärung. Für ihren Einsatz wurde die Initiative mit mehreren Preisen ausgezeichnet und erlangte Bekanntheit in ganz Deutschland.

Wie auch Neff entstammen die Mehrzahl seiner Mitstreiter der Protestbewegung gegen den Thor-Steinar-Laden. Neff sagt: „Glinde gegen rechts ist gut. Aber die Initiative konzentriert sich sehr auf das Geschäft am Glinder Berg. Wir wollen uns breiter aufstellen.“ Zuletzt waren die M.u.T-Mitglieder vor allem damit beschäftigt, die Schmierereien zu beseitigen. Neff: „Den Großteil haben wir im Bereich der Straße An der Au gefunden.“ Am Mittwoch entdeckte er einen weiteren Tatort: Die Eingangsbereiche eines Hochhauses im Sandweg hatten Unbekannte mit der Parole ‚Nationaler Widerstand Glinde‘ versehen. „Das wurde alles der Polizei gemeldet“, sagt der Initiativensprecher.

Torsten Gronau, Leiter der Glinder Polizei-Zentralstation, bestätigt die Häufung von Schmierereien mit rechtsextremen Symbolen und Parolen in der Stadt. „Rund 15-mal wurde an verschiedenen Orten die Parole ‚Nationaler Widerstand‘ auf Gehwegplatten gesprüht. Die Täter haben dabei eine Schablone benutzt. Zudem haben wir Hakenkreuze auf Mülleimern und Stromkästen registriert.“ Auch ein Baum wurde mit diesem Symbol in roter Farbe versehen, das Kreuz jedoch falsch herum positioniert. Gronau: „Bei uns sind mehr als zehn Anzeigen eingegangen. Es laufen mehrere Ermittlungsverfahren.“

Bürgermeister Rainhard Zug: Kein Glinder muss Angst haben

Der Beamte steht deswegen in regelmäßigem Kontakt mit dem Staatsschutz in Lübeck. Laut Gronau gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass in der Stadt funktionierende rechtsextremistische Strukturen existieren. Einen Verdacht, wer für die Schmierereien zuständig ist, hat die Glinder Polizei sehr wohl. Im Visier stehen ein Heranwachsender und zwei Jugendliche, die in anderen Bereichen straffällig geworden sind. „Sie haben jedoch alles abgestritten“, sagt Gronau. Glindes Polizeichef sagt, er nehme an, dass die Taten eine Provokation von Jugendlichen seien. „Derzeit können wir sie aber keiner Person nachweisen.“

Das gilt auch für zwei Anschläge, die sich Ende August in der Mühlenstraße ereignet hatten. Dort betreibt Rolf Metschulat, Sprecher der Bürgerinitiative gegen rechts, seit 16 Jahren ein Zoofachgeschäft. Unbekannte warfen binnen 48 Stunden mehrere quadratische Betonsteine durch die großen Schaufenster sowie die gläserne Eingangstür. Dabei entstand ein Schaden von rund 5000 Euro. Beim zweiten Anschlag legten die Täter Metschulat zwei der Steine vor die Eingangstür. Der interpretierte das als ein Zeichen, sagte: „Das ist doch eine Drohung.“ Der Schluss, zwischen Anschlägen und dem Aufmalen von Nazi-Symbolen bestehe ein Zusammenhang, liegt nahe. Dagegen Polizeichef Gronau: „Dafür gibt es keine Erkenntnisse.“

Glindes Bürgermeister Rainhard Zug vermutet, dass die jüngsten Schmierereien nicht von Glinde aus gesteuert wurden. „Wir machen in der Stadt seit drei Jahren viele Aktionen gegen rechts, und nie ist etwas passiert. Ich gehe davon aus, dass es externe Leute sind.“ Laut Verwaltungschef muss kein Glinder, der abends auf die Straße geht, Angst vor Rechtsradikalen haben.