Kampf gegen Keime: Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift investiert in neues Labor für die Arzneimittelherstellung

Reinbek. Jedes Jahr erkranken nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums in deutschen Kliniken 400.000 bis 600.000 Menschen an Krankenhauskeimen, 15.000 von ihnen verlieren den Kampf gegen die multiresistenten Varianten und sterben an den Folgen der Infektion. Experten sprechen sogar von der doppelten Zahl. Die Übertragung erfolgt nicht nur durch Hautkontakt oder Tröpfchen. „Auch Arzneimittel spielen dabei eine Rolle“, sagt Prof. Stefan Jäckle, Ärztlicher Direktor im Reinbeker Krankenhaus St. Adolf-Stift und Mitglied der hausinternen Arzneimittelkommission. Und weiter: „Wenn Keime durch eine Injektion direkt in den Blutkreislauf der Patienten gelangen, kann das tödliche Folgen haben.“

Weg ins Labor führt über sechs Räume und mehrere Schleusen

Damit das nicht passiert, hat seine Klinik kräftig investiert: Rund 450.000 Euro kostet das neue Steril-Labor der Apotheke. Dort werden ab November Medikamente wie zum Beispiel Zytostatika-Lösungen, die für die Chemotherapie benötigt werden, individuell hergestellt. Und zwar in einer Umgebung, die steril ist. Das müssen auch die Mitarbeiter, die künftig in den Räumlichkeiten ihrer Tätigkeit nachgehen, sein. Einer von ihnen ist Dr. Andreas Braun, Apotheker und zuständig für die Herstellung von Medikamenten. Bevor er auf der Werkbank Platz nehmen darf, muss sich Braun mehrmals umziehen und sechs Räume samt Schleusen durchlaufen. Eine Prozedur, die viermal so lange dauert wie die Produktion eines Medikaments: nämlich 20 Minuten. Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn hat Braun bei seiner Verwandlung beobachtet.

Weißer Kittel, weiße Stoffhose, blaues Hemd und der obligatorische Kugelschreiber in der Brusttasche – vor Eintritt in den 60 Quadratmeter großen Labortrakt sieht Braun wie der typische Apotheker aus. Allein an seinen Händen haften jetzt Millionen von Keimen. Durch eine Tür geht es vom Eingansbereich in den Umkleideraum. Hier zieht sich Braun bis auf die Unterwäsche aus, reinigt und desinfiziert seine Hände. Er schlüpft in blaue Hartgummi-Clogs und streift sich Handschuhe über.

Durch eine Druckschleuse gelangt er zum nächsten Punkt. Auch hier ist alles in Weiß gehalten, der Raum nicht größer als vier Quadratmeter. Der Druck beträgt 25 Pascal – und damit 15 mehr als noch im ersten Trakt. „Dadurch verhindern wir eine Verschleppung von Partikeln“, sagt der Apotheker. Im gesamten Labor kann immer nur eine Tür zur Zeit geöffnet werden, darauf machen grüne und rote Lampen aufmerksam. Braun setzt sich auf eine flache Bank und wechselt die Schuhe noch mal. Er zieht eine Haube über seinen Kopf und justiert den Mundschutz, dann schwenkt er mit den Beinen über die Bank, schlüpft in die blaue Bereichskleidung, die einem Jogginganzug ähnelt, und wechselt die Handschuhe – kein Vorgang für Unsportliche.

Im C-Bereich, dort steigt der Druck auf 40 Pascal, befindet sich die Produktionsvorbereitung. Diesen Raum passieren Braun und auch die Substanzen, aus denen die Medikamente hergestellt werden. Die Ampullen gelangen durch zwei separate Materialschleusen ins Labor und werden dreimal desinfiziert. Zu - und Abluftkanäle sorgen in allen Räumen dafür, dass Partikel direkt vor Ort abgesaugt werden. „Unsere Anlage tauscht 4000 Kubikmeter Luft pro Stunde aus“, sagt Heinz Küsel, Technischer Betriebsleiter im St. Adolf-Stift.

Braun ist inzwischen im fünften Raum, in dessen Mitte eine Bank steht. Also wieder umziehen. So wie er hier rausgeht, wird der Apotheker nach dem Passieren einer sechsten Station auch das Labor betreten: mit dem dritten Paar Schuhe, einem grünen Ganzkörperoverall mit integrierter Kopfhaube, neuem Mundschutz und zwei Schutzhandschuhen übereinander. Der Apotheker ist schnell und schon nach 17 Minuten am Ziel.

Handschuhe werden nach jeder Herstellung auf Keine überprüft

„Im Labor sollte die Kontamination des Produkts mit Krankheitserregern nach dieser Prozedur eigentlich ausgeschlossen sein“, sagt Mario Hartig. Der 59-Jährige ist Chefapotheker in der Reinbeker Klinik. Denn dort, wo zwei Sicherheitswerkbänke stehen, herrscht Reinraumklasse A. Das bedeutet, dass an dieser Stelle nur 20 Staubkörner mit einer Größe von fünf Tausendstel Millimeter erlaubt sind. Trotzdem werden nach jeder Herstellung einer Infusion die Handschuhe der Mitarbeiter auf Keime kontrolliert.

Lothar Obst, Geschäftsführer des Krankenhauses, macht sich diesbezüglich keine Sorgen. Er sagt: „Wir haben eine Klasse weiter gerüstet als das, was vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Wir fertigen künftig unsere Medizinprodukte nach ähnlichen Anforderungen wie die Pharma-Industrie.“ Und wenn trotz der hohen Sicherheitsstandards ein Malheur passiert, zum Beispiel eine Ampulle mit giftigen Zytostatika-Bestandteilen auf den Boden fällt und ausläuft? Hartig spricht in diesem Fall von einem GAU. „Dann müssten wir den Raum auseinandernehmen.“ Die Glasampullen seien jedoch durch einen Plastiküberzug zusätzlich gesichert.