Günther Fielmann hat gestern Geburtstag gefeiert. Seit 25 Jahren engagiert sich der Optiker in Lütjensee auch in der Landwirtschaft

Lütjensee. Der Hausherr ist ein Mann von bundesweiter Bedeutung. Einer der erfolgreichsten Unternehmer seiner Zeit, der Gründer und Chef von Europas größter Optikerkette, angeblich 90 Prozent aller Deutschen bekannt. Und seit gestern 75 Jahre alt. Günther Fielmann. Und doch ist er irgendwie erdverbunden geblieben. Das mag etwas mit seinem Kindheitstraum zu tun haben, mit seinem Hobby, aus dem längst auch ein einträgliches Geschäft geworden ist: ökologische Landwirtschaft.

Was das schon rein opisch bedeutet, ist jedes Jahr kurz vor der Getreideernte zu sehen. Die Halme sind durchwachsen mit blauen Kornblumen, weißer Kamille, Ehrenpreis und sonst noch einigem, das der konventionelle Bauer als Unkraut verschmäht. Hier aber, auf dem Hof Lütjensee, ist das gewollt. Fielmann hat den Hof vor 25 Jahren gekauft. Seitdem dreht sich dort alles um ökologische Agrarwirtschaft, Naturkost, Landschaftspflege, artgerechte Tierhaltung und die Zucht alter und gefährdeter Haustierrassen. Und das bedeutet unter anderem, dass Massentierhaltung vermieden und altbewährte Getreidesorten, die noch viele gute Urstoffe in sich tragen, in sogenannten „lichten Beständen“ angebaut werden – daher die Sommerblumen im Feld. „Wir nennen diese Pflanzen nicht Unkraut, sondern Beikräuter“, sagt Martin Natmeßnig, der Betriebsleiter.

Da auch auf mineralischen Stickstoffdünger und Pestizid-Einsatz verzichtet wird, liegen die Erträge allerdings bis zu 60 Prozent unter denen des konventionellen Landbaus. Das Ergebnis ist gesundes Getreide, das nicht chemisch behandelt wurde. Das lohnt sich, meint Günther Fielmann.

Er wuchs auf in der landwirtschaftlich geprägten schleswig-holsteinischen Gemeinde Stafstedt und hatte sich immer gewünscht, einmal einen eigenen Bauernhof betreiben zu können. Und da er stets über das Übliche hinausgeht, spezialisierte er sich, als es so weit war, bewusst auf gesunde, naturverträgliche Bewirtschaftung. Inzwischen ist der Hof Lütjensee Mitglied des größten deutschen Ökoverbandes Ökoland.

Insgesamt bewirtschaftet die Marke Hof Lütjensee in Betrieben in Schierensee bei Kiel, Ritzerau im Kreis Herzogtum Lauenburg und eben in Lütjensee 2000 Hektar Land und Forstflächen. Schierensee ist Zuchtbetrieb für Limousin-Rinder und Holsteiner Pferde und Kärntner Brillenschafe, in Ritzerau werden Schafe und Rinder gehalten, außerdem wird Ackerbau betrieben und Grünland beweidet. In Lütjensee werden alte und bewährte Tierrassen gezüchtet, auch Limousin-Rinder.

Um bei der guten Sache für die Zukunft zu lernen, läuft in Ritzerau seit 2002 in Zusammenarbeit mit der Kieler Christian-Albrechts-Universität ein Forschungsprogramm, das untersucht, wie sich Flora und Fauna verändern, wenn man von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft umstellt.

Alle Tiere werden artgerecht gehalten. Hübsche Hühner verschiedener Rassen mit glänzenden Federn kratzen eifrig im Misthaufen und spazieren frei auf dem ganzen Hof herum, zum Eierlegen gehen sie in einen Stall. Daneben Familienidylle: Eine Angler Sattelsau säugt, gemütlich im Stroh in der Sonne liegend, ihre neun Ferkel. Jederzeit kann sie sich im nahen Matschloch suhlen oder nach drinnen gehen. Das Futter für die Tiere wird auf dem Hof angebaut.

Im Besonderen züchtet man in Lütjensee mit den gefährdeten Haustierrassen wie besagtem Angler Sattelschwein und der Weißen Moorschnucke für eine stabile Genreserve. Sinnigerweise lebt auf dem Hof von Brillenkönigs auch die derzeit weltgrößte Herde des vom Aussterben bedrohten „Kärntner Brillenschafs“ mit 600 Tieren. Fielmann sollte vor geraumer Zeit für einige Exemplare im Tierpark Warder die Patenschaft übernehmen, stattdessen übernahm er gleich die damals noch kleine Herde.

Oft kommen ganze Familien auf den Hof, damit die Kinder direkt am Entstehungsort sehen, wo Milch, Fleisch und Eier eigentlich herkommen. Die Kids dürfen die Tiere besuchen, und jeder, der hier spazieren geht, darf am Wegesrand die Äpfel von den Bäumen pflücken, wenn sie reif sind. Und hinterher können sich die Besucher mit Lebensmitteln aus dem hofeigenen Laden eindecken. Das Brot besteht nur aus selbst angebauten Getreidesorten, und an der Fleischtheke gibt es auch nur Fleisch von Rindern, Schweinen und Lämmern aus eigener Zucht. Der Apfelsaft stammt von Äpfeln der Streuobstwiese.

„Bei uns ist nicht nur alles Bio, wir verkaufen auch bewusst regionale Produkte, sagt Binela Götting, Leiterin des Hofladens. So kommen zugekaufte Bio-Produkte wie Eier und die mehr als 35 Käsesorten möglichst aus der Nachbarschaft. Und: „Wir bieten nur an, was unsere Jahreszeiten hier hergeben“, sagt die Hofladenleiterin, „Wassermelonen im Winter wird es bei uns nicht geben.“