Historikerin Helga von der Nahmer hält beim Kamingespräch in Reinbeker Schloss einen Vortrag

Reinbek. „Müssen wir unser Bild von China in Teilen revidieren?“, fragt Helga von der Nahmer, Lehrerin, Anglistin, Historikerin und China-Expertin aus Ahrensburg. In ihrem Vortrag aus der Reihe der Reinbeker Kamingespräche spricht sie am Mittwoch, 10. September, um 19.30 Uhr über das knapp 1,4 Milliarden Einwohner zählende Land. Durch den Abend im Kaminzimmer des Reinbeker Schlosses (Schloßstraße 5) führt Dirk Bavendamm. Der Eintritt ist frei.

In ihrem Vortrag beleuchtet von der Nahmer die politische und wirtschaftliche Entwicklung Chinas mit ihren Konsequenzen für Mensch und Umwelt. „Ein Aspekt ist der gigantische Reichtum, der gleichzeitig mit bitterer Armut einhergeht und die Gesellschaft auseinanderdriften lässt“, sagt Helga von der Nahmer. Dieses große Land sei sehr vielschichtig und entwickle sich je nach Region sehr unterschiedlich.

Ihr Wissen über China hat von der Nahmer erlangt, als sie von 1988 bis 2007 im Auftrag des Hamburger Senats den deutsch-chinesischen Schüleraustausch, der durch die Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Shanghai entstanden ist, betreute. „Durch meine Reisen habe ich viele Kontakte geknüpft, etwa zum Botschafter und anderen Vertretern des Landes. So konnte ich wertvolle Einblicke in die Verhältnisse des Landes bekommen“, sagt von der Nahmer, die stellvertretende Chefredakteurin der Deutsch-Chinesischen Allgemeinen Zeitung (DCA) ist. Sie schreibt außerdem auch für das deutschsprachige Wirtschaftsmagazin China Contact.

Die DCA, die ausschließlich online erscheint, kritisiert laut von der Nahmer auch Dinge, die in China schieflaufen. „Wir berichten unabhängig und fair, hüllen unsere Kritik aber eher in kritische Fragen. Die Beziehung zu China leidet deswegen nicht.“ Ihre Quellen seien von politischen Aktivisten geführte Blogs und auch offizielle Informationsstellen. „Häufig bekommen wir einen heißen Tipp über einen Blog. Dann müssen wir schnell handeln, weil die Informationen manchmal nach wenigen Minuten schon gelöscht werden.“ Der Überwachungsapparat Chinas müsse gewaltig sein, um den Informationsfluss kontrollieren zu können, vermutet die Ahrensburgerin.

Das gute Verhältnis, dass von der Nahmer heute zu China pflegt, sei nicht immer so gewesen. „Als wir damals den ersten Schüleraustausch organisierten, schickte China keine Schüler im Gegenzug, sondern Delegierte aus der damaligen Erziehungskommission der Regierung. Sie waren sehr misstrauisch.“ Von der Nahmer konnte die Regierungsvertreter bei ihrem Besuch überzeugen. „Sie wohnten bei deutschen Familien, guckten sich den Unterricht in den Schulen an und gewannen einen Eindruck, wie es bei uns läuft.“ Im Jahr darauf kamen die Delegierten mit den Schülern. „Mit der Zeit begleiteten sie die Schüler gar nicht mehr.“