Die in Reinbek lebenden Flüchtlinge aus Mali lernen Deutsch und packen in der Kirchengemeinde mit an

Reinbek. „Dunkaholic“ steht in blauen Lettern auf dem weißen T-Shirt des 26 Jahre alten Modibo. Der junge Mann aus der malischen Kleinstadt Kidal zuckt auf die Frage, was der Ausdruck bedeute, mit den Schultern. Dann beginnt die Rätselei um das merkwürdige Wort. Das T-Shirt ist von einem bekannten US-amerikanischen Sportausstatter. Leitet es sich vielleicht von dem englischen Wort „Dunk“ – ein Korb, der im Basketball von oben geworfen wird – ab? Ein „Dunkaholic“ wäre also ein Sportler, der süchtig nach Körbewerfen ist. „Ja, das könnte es sein“, sagt schließlich Ingo Werth, der ebenfalls mit gerätselt hat.

Werth gehört zum „Fluchtpunkt Bergedorf“, einem Netzwerk aus freiwilligen Helfern, die sich seit bald einem Jahr um die Flüchtlinge aus Mali, zu denen auch Modibo zählt, kümmern (wir berichteten). Seit Anfang April leben elf junge Afrikaner in einem Gemeindehaus der Reinbeker Nathan-Söderblom-Kirche. Nachdem sie wegen Angriffen von Neonazis aus Sachsen-Anhalt geflüchtet waren, waren sie bis dahin im Hamburger Stadtteil Bergedorf untergekommen.

Die Männer hatten ihre Heimat aus Furcht vor islamistischen Rebellen verlassen. Über die italienische Insel Lampedusa kamen sie vor eineinhalb Jahren nach Deutschland und landeten zunächst in Sachsen-Anhalt. „Das ist das Bundesland, das für westafrikanische Flüchtlinge vornehmlich zuständig ist“, sagt Anke Heidorn vom Fluchtpunkt Bergedorf über die Zuteilungspraxis des Bundes.

Ein Dunkaholic ist Modibo, der von Freunden auch Mo genannt wird, zwar nicht. „Aber ich mache jeden Tag Sport. Am liebsten gehe ich Joggen und spiele Fußball“, sagt der 26-Jährige. Außerdem spielt er gern Tischfußball und kocht für seine Mitbewohner und Helfer afrikanische Spezialitäten. „Ich mag es nur nicht, wenn mir jemand beim Kochen dazwischenfunkt“, sagt Modibo und lächelt verschmitzt. Gegessen werde aber immer zusammen.

Auch sein Freund Abdou, der mit dem Spitznamen AJ gerufen wird, liebt Fußball. „Ich spiele nicht nur, sondern schaue es mir auch gern an“, sagt der 28-Jährige aus der malischen Stadt Togel. Zum Fernsehen gehe er immer in eine Sportbar in der Nähe des Gemeindehauses. Manchmal fahren die jungen Männer auch nach Hamburg, um Freunde zu besuchen. Denn Gemeinschaft und Solidarität ist sehr wichtig für sie. Seit ihrer Flucht aus Mali müssen sie ohne ihre Familien, ihre gewohnte Umgebung, ihr Zuhause auskommen – immer mit der Angst vor der Ablehnung des Asylantrags und der folgenden Ausweisung.

Dass sie nur ganz selten Kontakt zu ihren Familien haben, sei sehr belastend. „Ich habe eine zwei Jahre alte Tochter, die ich noch nie gesehen habe“, sagt Abdou. Als sie auf die Welt kam, war er bereits auf der Flucht. Nur von Fotos wisse er, wie das Kind aussehe.

„Ich habe, seit ich in Deutschland bin, überhaupt keinen Kontakt mehr zu meiner Familie gehabt. Das ist sehr schwierig“, sagt Modibo. Umso wichtiger sei es, den Menschen einen Rückhalt zu geben, betont Anke Heidorn.

Damit das Warten nicht im Nichtstun endet, helfen Mitglieder des Unterstützerkreises, den Alltag der Männer zu strukturieren. Sie geben ihnen seit neun Monaten viermal die Woche zwei Stunden Deutschunterricht und arbeiten auf eine Prüfung hin. „Wir packen auch in der Kirchengemeinde an, wenn Hilfe gebraucht wird“, sagt Modibo. In seiner Heimat war der 26-Jährige Fliesenleger. Abdou hatte ein Geschäft.

Einen Job annehmen dürfen die jungen Malier in Deutschland während ihres Asylverfahrens nicht. „Wir würden gern arbeiten und für uns selbst sorgen“, sagt Abdou. Ingo Werth, der sich inzwischen gut mit den juristischen Aspekten der Verfahren auskennt, fügt an: „Es gibt theoretisch nach einem Jahr die Möglichkeit zu arbeiten. Aber die Voraussetzungen dafür sind so utopisch, dass es praktisch unmöglich ist.“ Es gebe Asylbewerber, die schon 20 Jahre in diesem „unmenschlichen Status“ verharrten.

Wie ihre Chancen stehen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, können Abdou und Modibo nicht einschätzen. „Die Anerkennungsquote liegt jedenfalls bei nicht einmal zwei Prozent“, sagt Ingo Werth. Trotz ihres Lebens in ständiger Ungewissheit geben die elf Männer in Reinbek die Hoffnung nicht auf. Bis eine Entscheidung über ihren Antrag gefällt wird, müssen sie weiterhin einmal im Monat nach Sachsen-Anhalt fahren, um ihre Anwesenheit nachzuweisen. Denn dort müssten sie eigentlich leben, weil das Bundesland nach wie vor für sie zuständig ist.