Seit Ahrensburg ausreichend Krippenplätze anbieten kann, bricht die Nachfrage für private Kindertagesbetreuung ein

Ahrensburg. In Ahrensburg ist die Schnuller-Dichte besonders hoch. Das lässt sich auf einer Karte des Vereins Tagesmütter & -väter Stormarn auf den ersten Blick erkennen. Schnullis in Grün, Gelb und Rot zeigen an, wo in der Region Kindertagespflegepersonen zu finden sind, ob es freie Plätze gibt und wann. Ahrensburg hat zurzeit viele freie Plätze, Bargteheide, der zweite größere Schnuller-Ballungsraum, ebenfalls.

Was die Karte nicht zeigt, ist eine Entwicklung hin zum Schnuller-Entzug. „Unser Verein hat 150 Mitglieder, 130 davon sind zurzeit aktiv“, sagt die 1.Vorsitzende Petra Niquet. Sie selbst ist seit 25 Jahren als Tagesmutter im Einsatz und hatte nie Probleme, ihre Betreuungsgruppe mit maximal fünf Kindern im Krippenalter (unter drei Jahre) auszulasten. Doch das dürfte ihr künftig schwer fallen, weil die Nachfrage nach privater Kindertagespflege deutlich zurückgegangen ist. Erste Auswirkungen registriert Petra Niquet schon jetzt: „Drei Tagesmütter in Bargteheide haben bereits aufgegeben, weil es sich für sie nicht mehr lohnte. Weitere werden folgen, insbesondere in Ahrensburg.“

Dort wurde das Angebot von Kindertagespflegeplätzen bisher besonders gut angenommen – begünstigt durch die Differenzbezuschussung, eine freiwillige Leistung der Stadt. Sie kann von Eltern in Anspruch genommen werden, die keinen Krippenplatz bekommen und ihre Kinder stattdessen von Tagesmüttern und -vätern betreuen lassen. Dieser Zuschuss, mit dem die Stadt den Eltern hilft, den höheren Beitrag für die private Kindertagespflege zu tragen, ist kein Rechtsanspruch. Er wird nur gezahlt, wenn kein Krippenplatz angeboten werden kann. Was in den vergangenen Jahren oft der Fall war.

Inzwischen verfügt Ahrensburg jedoch über ausreichend eigene Kapazitäten. Zurzeit gibt es 165 Krippenplätze in acht verschiedenen Kindertagesstätten, weitere 30 werden am 1. Januar mit der Eröffnung der Kita im Neubaugebiet Erlenhof hinzukommen. Tagesmütter werden also nicht mehr akut gebraucht, um die Versorgung in Ahrensburg sicherzustellen. Das sah noch vor kurzem anders aus. „Die Stadt hat sogar für uns bei den Eltern geworben, als sie in Not war“, sagt eine Ahrensburger Tagesmutter, die nicht genannt werden möchte. „Jetzt aber erfahren wir, dass wir nur die Lückenfüller waren.“

Mehr noch: Es gefährdet berufliche Existenzen. Die Tagesmutter erzählt, dass sie noch drei Kinder betreue, eines davon nur in Teilzeit, und dass kein Zuwachs in Sicht sei. Sie rechnet vor, dass das nicht ausreicht, um wirtschaftlich zu arbeiten. Zumal sie in ihrem Haus mehrere Räume für die Kinder nutzt und extra dafür investiert hat. So wurde zum Beispiel der Sanitärbereich kindgerecht umgebaut und der Garten als attraktiver Spielplatz gestaltet.

Eine Tagesmutter bekommt je nach Qualifikation zwischen 3,30 Euro und 4,40 Euro pro Stunde pro Kind. Petra Niquet sagt, dass eine Vollzeitbetreuung bis zu 900 Euro kostet. Das ist für die meisten Eltern nicht ohne Hilfe finanzierbar, deshalb sind sie auf die Differenzbezuschussung angewiesen, die bis zu 300 Euro betragen kann. Es ist Voraussetzung für diese städtische Unterstützung, dass die Tagespflege Qualitätsstandards erfüllt. Dazu zählen eine Pflegeerlaubnis des Jugendamts und Nachweise über Aus- und Fortbildung.

Wer im Bedarfsplan der Stadt stehen möchte, muss sich zudem in einem halbjährlich zu kündigenden Vertrag verpflichten, mindestens drei Ahrensburger Kinder aufzunehmen (eine Tagesmutter darf zeitgleich maximal fünf Kinder betreuen). Um Tageseltern zu unterstützen übernimmt die Stadt auf freiwilliger Basis den Mitgliedsbeitrag im Verein Tagesmütter und -väter Stormarn und Kosten für die Fortbildung.

Eltern, die einen bezuschussten Krippenplatz benötigen, werden auf eine Warteliste der Stadt erfasst. Bis vor kurzem wurden sie von dort auch an Tagesmütter vermittelt. Seit das Angebot der Stadt ausreichend ist, werden ihnen nur noch deren Plätze vorgeschlagen. Eltern haben zwar das Recht auf Wahlfreiheit, aber keinen Anspruch auf den städtischen Zuschuss, wenn sie sich für eine Tagesmutter entscheiden.

Dabei ist eine private Kindertagespflege für manche Eltern geeigneter als ein Kita-Krippenplatz, weil Tagesmütter längere Betreuungszeiten anbieten und auch flexibel auf kurzfristigen Bedarf reagieren können. Misslich ist die Situation auch für einige Eltern, denen noch vor kurzem zur Betreuung ihrer Kinder bei einer Tagesmutter geraten wurde, denen aber danach ein Krippenplatz in der Kita angeboten wird.

Eine im Schichtdienst arbeitende Mutter, die auch lieber anonym bleibt, erzählt, dass sie das Gefühl hat, zwischen den Stühlen zu sitzen: „Ich habe mir, weil es zunächst keinen freien Krippenplatz für meinen Sohn gab, eine passende Tagespflege mit Beginn der Eingewöhnungsphase im November gesucht. Vor kurzem wurde mir jedoch vom Amt ein Platz zum 1. Januar in der neuen Krippe am Erlenhof angeboten, den ich zu 90 Prozent sicher hätte. Ich werde deshalb jetzt keinen Vorvertrag mit der Tagesmutter abschließen, obwohl der zeitliche Rahmen bei ihr für mich deutlich günstiger ist.“

Die Sorgen der Tagesmütter sind noch größer. Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach ist sich des Dilemmas bewusst. „Das ist eine Parallelentwicklung. Wir müssen Quoten erfüllen und haben unser Kinderbetreuungsangebot ausgeweitet. Jetzt können wir selbst ausreichend Plätze anbieten, und diese müssen wir zuerst besetzen“, sagt er. Dennoch findet Bürgermeister Sarach es wichtig, dass das Nebeneinander in der Kinderbetreuung erhalten bleibt: „Meine persönliche Meinung ist, dass das Angebot möglichst breit sein sollte. Die derzeitige Entwicklung geht zu Lasten der Tagesmütter, das ist leider so. Aber wir kommen aus der Zwickmühle nicht heraus.“