Um etwa Kinder und Allergiker zu schützen, werden auch heute noch erstaunlich viele Rezepturen per Hand angerührt

Ahrensburg. Halb versteckt durch Regale, auf denen Porzellangefäße stehen, liegt das Herzstück der Ahrensburger Adler-Apotheke. In dem kleinen, verglasten Labor liegt ein leichter Pfefferminzduft in der Luft, denn am Vortag sind hier Pfefferminzpastillen hergestellt worden. Auf der aufgeräumten Arbeitsfläche wartet eine Waage auf ihren nächsten Einsatz. Elena Baach trägt einen weißen Kittel und blaue Gummihandschuhe. Mit einem Spatel gibt sie eine zähe, trübe Masse in den Mörser. Ein- bis zweimal täglich wiegen, rühren und mörsern hier die Apotheker und Pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTAs).

Im vergangenen Jahr wurden laut dem Deutschen Arzneiprüfungsinstitut in den 706 Apotheken in Schleswig-Holstein mehr als 380.000 Rezepturen für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung hergestellt. „Die Zahl dürfte noch deutlich höher liegen, weil Rezepturen für Privatversicherte oder auf direkte Nachfrage gar nicht erfasst werden“, sagt Frank Jaschkowski, Geschäftsführender Apotheker der Apothekerkammer Schleswig-Holstein.

Er schätzt, dass die Gesamtzahl aller hergestellten Rezepturen 2013 bei etwa einer halben Million lag. Den größten Anteil der hergestellten Arzneimitteln bildeten die sogenannten allgemeinen Rezepturen – dazu gehören Kapseln, Salben, Cremes, Tees und Augentropfen. Dazu kommen noch Spezialrezepturen, die zum Beispiel für die Krebs- oder Heroinersatztherapie hergestellt werden.

Insbesondere kleine Kinder benötigen individuell gefertigte Arzneimittel

Außer Allergikern, für die Rezepturarzneimittel ohne die allergieauslösenden Stoffe hergestellt werden, sind insbesondere Kinder auf Rezepturarzneimittel angewiesen. Ein Kleinkind mit einem angeborenen Herzfehler muss beispielsweise Medikamente nehmen, die den Blutdruck senken. Die industriell gefertigten Arzneimittel sind für Erwachsene von etwa 70 Kilogramm ausgelegt und somit viel zu hoch dosiert. In den Apotheken werden die Tabletten zermahlen, wird das Pulver in kleineren Dosen in Kapseln abgefüllt.

In der Adler-Apotheke, die eine von 45 Apotheken im Kreis Stormarn ist, werden überwiegend kortisonhaltige Salben und Hautpflegeprodukte hergestellt. „Die in Apotheken hergestellten Salben enthalten keine Geruchsmittel und weniger Konservierungsstoffe. Dafür sind sie auch nicht so lange haltbar“, sagt Apothekeninhaber Martin Zuther. Fünf bis zehn Bestandteile enthalten die meisten.

„Die Herstellung einer einfachen Salbe dauert etwa 15 Minuten“, sagt die Pharmazeutisch-technische Assistentin Elena Baach. Zeitaufwendiger sei die Herstellung einer kalt gerührten Salbe. Zunächst werden die Bestandteile geschmolzen und dann miteinander vermischt. Während des Erkaltens muss die Masse oft umgerührt werden, bis sie eine cremige Textur hat. In der Adler-Apotheke geschieht das in Handarbeit. „Wenn ein Kunde während der Herstellung einer kalt gerührten Salbe in die Apotheke kommt, kann es schon mal vorkommen, dass wir noch einmal von vorn mit der Herstellung beginnen müssen, weil die Salbe nicht rechtzeitig umgerührt wurde“, sagt Apotheker Zuther.

Mit der Herstellung der Salbe ist die Arbeit aber noch nicht getan. Bei jeder Rezeptur muss der Apotheker vor der Herstellung die Plausibilität der ärztlichen Verordnung prüfen und dokumentieren. Wenn er von der Wirkung des verordneten Arzneimittels nicht überzeugt ist oder die Dosierung für falsch hält, kontaktiert er den Arzt und schlägt ihm eine Änderung der Rezeptur vor. „Die Plausibilitätsprüfung und Dokumentation dient der Verbesserung der Wirksamkeit und Sicherheit der Rezepturarzneimittel“, sagt Frank Jaschkowski von der Apothekerkammer. Die 2012 in Kraft getretene Apothekenbetriebsordnung, die die Prüfung und Dokumentation jeder einzelnen Rezeptur vorschreibt, bedeutet aber auch einen deutlich höheren Zeitaufwand. Laut Jaschkowski dauert sie in der Regel zwischen zehn und 15 Minuten. „Trotz des gestiegenen Zeitaufwands ist die Anzahl der individuell gefertigten Arzneimittel stabil, denn Rezepturarzneimittel bleiben eine notwendige Ergänzung zu industriell hergestellten Medikamente“, sagt er.

Apothekeninhaber Zuther ärgert sich über den Mehraufwand. „Bei Rezepturen, die ich schon öfter hergestellt habe und von denen ich weiß, dass sie wirken, sehe ich die Prüfung und Dokumentation als nicht sinnvoll an.“ Außerdem seien nicht alle Ärzte kooperativ und würden auf ihre Rezepturen bestehen – selbst wenn er ihnen Alternativen vorschlage.