Artemis-Quartett gibt umjubeltes Festival-Konzert in der Oldesloer Peter-Paul-Kirche

Bad Oldesloe. Drei Herren und eine Dame. Wie funktioniert die Unterhaltung in einer solchen Konstellation? Hervorragend. Was die Vier vom Artemis Quartett musikalisch zu sagen hatten, war von höchstem Einvernehmen geprägt, beeindruckend zugewandt und von einer blitzsauberen Stimmung, mit der die drei Perlen des Abends in der ausverkauften und in Kerzenlicht getauchten Oldesloer Peter-Paul-Kirche zu leuchten begannen: Mozart, Mendelssohn und Beethoven.

Cello-Hocker für die Zugabe freigemacht

Streichquartette dieser drei Meister hatte sich das weltweit renommierte Ensemble für seinen Stormarner Auftritt beim Schleswig-Holstein Musik Festival ausgesucht und wurde für die brillante und zugleich lebendige musikalische Unterhaltung mit Bravorufen überhäuft. Etwas Süßes gab es auch. Wolfgang Gerstand vom Festival-Beirat legte mit rosafarbenen Seidenblumen dekorierte Päckchen auf den Hocker des Cellisten – mit Dank und der Bitte um Zugabe. Der Cellist lächelte. Wolfgang Gerstand auch. So ging das natürlich nicht. Flugs wurden die Päckchen woanders hingelegt. Und der Weg für Musiker und Zugabe war frei.

Mit einem Stück aus dem Wohltemperierten Klavier kam jetzt der gute alte Bach an die Reihe. Sehr forsch. Vielleicht ein bisschen zu forsch. Und nachdem sich Eckart Runge seinen Platz auf dem Hocker zurückerobert hatte, mit einem sehr deutlichen Cello-Ostinato. Vielleicht zu deutlich. Wenn kritisieren auf hohem Niveau erlaubt ist.

Ein ungeahnt dramatischer Mendelssohn ließ aufhorchen

Zum allerletzten Schluss erklang ein zweites Mal Mendelssohn – der Künstler, der dieses Jahr das musikalische Zentrum des Festivals bildet. Jetzt klang er weicher, versöhnlicher und viel vertrauter als beim Streichquartett in f-Moll, das im ersten Teil des Abends zu hören gewesen war. Kaum zu glauben, dass dieses hochdramatische Werk aus der Feder des Romantikers stammt.

Ein Blick in die Geschichte hinter der reinen Notenwirklichkeit liefert eine Erklärung: Im Frühjahr 1847 hatte Mendelssohn die Nachricht vom Tod seiner Schwester Fanny erhalten. Sie war seine menschliche und künstlerische Vertraute. Ihr Tod traf ihn in seinem Innersten. „Wüste im Kopf und im Herzen“ breitete sich aus. So hat es Mendelssohn selbst beschrieben. Sein Streichquartett in f-Moll spricht davon. Und das Artemis Quartett sprach von dieser verzweifelten Künstlerseele – in einer sensiblen musikalischen Unterhaltung, die mit kraftvollem Streichen auch die Schmerzakkorde in den sakralen Raum entsandte.

Der Abend hatte heiterer begonnen, mit dem Streichquartett in G-Dur vom Amadeus. Auch die oft unterschätzte Hintergründigkeit der Mozart’schen Leichtigkeit kam zum Ausdruck. Vor allem aber das Sich-Zuspielen der Themen: Die zweite Geige begann, die erste Geige übernahm. Das Cello fing an, alle anderen Instrumente folgten und griffen auf ihre Weise das Motiv auf.

Bei Beethoven ging es weniger um Dialog als um Monolog. Der Meister der Klassik zeigte sich mit seinem Streichquartett in cis-Moll so wie zuvor Mendelssohn von einer ganz anderen, in seinem Fall weniger kraftvollen Seite. Sieben Sätze hat dieses Beethoven-Werk. Sie gehen alle ineinander über, wie ein nicht endender, sich verzweigender, wandernder Gedanke, auf dessen Weg durch die Gefühlswelten das Artemis Quartett die Zuhörer mitnahm. Die Akustik der Oldesloer Kirche erwies sich dafür als bestens geeignet. Alle Nuancen waren hörbar, keine Verstärkung nötig. Die Instrumente trugen einen großen Anteil daran. Es war unglaublich, was die Primaria, „die erste Geige“, aus ihrem Instrument herausholte.

Die einzige Frau ist zugleich das jüngste Ensemble-Mitglied, auch was die Zugehörigkeit anbelangt. Vineta Sareika ist erst seit 2012 dabei. Die Lettin hatte bei einem Probespiel, zu dem Frauen wie Männer eingeladen waren, auf Anhieb das Rennen gemacht. Die Qualität gab den Ausschlag. Aber auch die Gruppendynamik dürfte eine Rolle gespielt haben: Eine Dame, drei Herren, das hatte sich für die Vierer-Ehe nach Noten bewährt. Eine gemeinsame Sprache, die die Zuhörer erreicht, haben die vier auf jeden Fall gefunden.