Zwei Mitarbeiter der Kripo in Ahrensburg beschäftigen sich ausschließlich mit den Bränden der vergangenen Monate in der Schlossstadt

Ahrensburg. Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte es geschneit. Auf einem kleinen Viereck an den Ahrensburger Bahngleisen, mitten im August. Der Rasen rund um die Überreste einer Gartenlaube ist mit einer weißen Schicht überzogen: kein Schnee, sondern Schaum, mit dem die Feuerwehrleute am Abend zuvor versucht haben, das brennende Häuschen zu löschen. Am nächsten Tag stehen von der Laube nur noch einige verkohlte Bretter, der Rest ist Asche. Zeit für Matthias Sager, sich den Brandort anzusehen. Der 44-Jährige ist Brandursachenforscher. Dieses Feuer hat ihm seine Arbeit nicht leicht gemacht: „Es wird schwierig, eine Ursache zu ermitteln. Fast alles ist verbrannt.“

Seit Monaten brennen in Ahrensburg immer wieder Autos, Papiercontainer und Strohballen. In vielen Fällen hält die Polizei Brandstiftung für wahrscheinlich. Ein Täter wurde bislang jedoch nicht gefasst.

Ob es sich um einen oder mehrere Brandstifter handeln könnte, dazu sagt die Polizei nichts. „Die Feuer waren sehr unterschiedlich. Wir können nicht wissen, ob es sich nur um einen Täter handelt. Es ist wichtig, das im Hinterkopf zu behalten, bevor man sich zu sehr auf eine Einzelperson konzentriert“, sagt Michael Metzler, stellvertretender Leiter der Ahrensburger Kriminalpolizei. „Wir bewerten grundsätzlich jeden Brand für sich.“

Derzeit beschäftigen sich nach Angaben Metzlers zwei Mitarbeiter der Ahrensburger Polizei mit den Brandfällen. Das sei „dem Arbeitsaufkommen entsprechend“. „Wenn es erforderlich ist, stellen wir mehr Mitarbeiter ab.“ Gibt es Bedarf für eine größer aufgestellte Sonderkommission, die sich ausschließlich mit den Feuern beschäftigt? „Derzeit nicht.“

Bevor die Ermittlungen dieser Mitarbeiter beginnen, muss Matthias Sager seine Arbeit machen. Für gewöhnlich werden die Brandursachenforscher einen Tag nach dem Feuer gerufen, wenn wieder ausreichend Sauerstoff in der Luft ist. Sager ist Polizeihauptmeister, vor zwei Jahren hat er sich spezialisiert und ist nun einer von drei Brandursachenforschern, die von Bad Oldesloe aus zentral zuständig sind für diese Arbeit im Bereich der Polizeidirektion Ratzeburg. Kommt Sager an einen Brandort, arbeitet er nach dem Ausschlussverfahren. „Häufigste Ursache für Feuer ist ein elektrotechnischer Defekt“, sagt er. Im Falle der Gartenlaube sei das aber eigentlich auszuschließen: „Ich gehe davon aus, dass es hier keinen Stromanschluss gab.“

Sager macht sich daran, die Überreste der verkohlten Wände aufzurichten. „Ich versuche, den Grundriss des Gebäudes auszuarbeiten“, sagt er. Das ist allerdings nicht so einfach. Er ist auf der Suche nach der Eingangstür, die bleibt jedoch verschwunden. „Der Besitzer der Laube ist noch nicht ermittelt worden. Es wäre hilfreich, wenn er hier wäre. Dann könnte ich ihn zum Beispiel fragen, wo der Eingang war und ob schon einmal eingebrochen wurde.“ Sager zieht sich Handschuhe über. Bei der Arbeit trägt er einen olivgrünen Overall. „Dreckig wird man aber immer.“

Die erste Aufgabe eines Brandursachenforschers ist es, den Brandherd zu finden. Hinweis darauf kann zum Beispiel eine trichterförmige Rußentwicklung an der Wand sein. „Je später das Feuer entdeckt wird, desto schwieriger wird es. Teilweise wird durch die Flammen alles zerstört, was Hinweise geben könnte“, sagt Manfred Knuth, der wie Sager zum Team der Brandursachenforschern gehört. Entscheidend für den Erfolg ihrer Arbeit sei die Erfahrung. „Jeder Brandort ist anderes. Je mehr man gesehen hat, desto besser versteht man.“ Bei brennenden Strohballen etwa, wie sie in den vergangenen Monaten immer wieder in Ahrensburg vorkamen, sei es schwierig, Brandstiftung nachzuweisen. Knuth: „Ein Lappen beispielsweise, der als Anzünder benutzt worden sein könnte, verbrennt meist restlos. Dennoch gibt es bei Strohballen meist keine andere Möglichkeit, als dass jemand sie angezündet hat – sei es vorsätzlich oder aus Nachlässigkeit.“

Wie sie vorgeht, um eventuelle Täter zu fassen, dazu gibt die Polizei keine nähere Auskunft. „Zu unserer Kriminaltechnik sagen wir nichts“, sagt Kripo-Chef Ralf Lorenzen. Er weist jedoch darauf hin, dass die Polizei vor allem auf Zeugen angewiesen sei. „Viele Menschen wissen nicht, dass ihre Beobachtungen interessant sind. Die Hemmschwelle, sich an uns zu wenden, sollte äußerst gering sein“, sagt Lorenzen. Je größer die Zerstörung an einem Tatort sei, desto wichtiger seien Hinweise von Zeugen. Metzler bekräftigt das: „Zeugen sollten uns neutral ihre Beobachtungen mitteilen, wir ermitteln dann. Erst dann kommt die Bewertung.“

Matthias Sager ist derzeit auf sich allein gestellt. Nach und nach macht er sich ein Bild vom Brandort, schaufelt Asche zur Seite und richtet noch mehr Wände auf. Zwischendurch hält er seine Eindrücke auf Fotos fest. „Die Arbeit ist wie ein Puzzle: Man muss sich Stück für Stück voranarbeiten.“ Nahezu jedes Teil, das er in den Trümmern findet, hat für ihn eine Bedeutung. Etwa die Rückseite einer Couch aus Kunstleder. „Die Rückwand ist kaum verbrannt. Das Feuer muss also von der anderen Seite des Raumes gekommen sein“, sagt Sager. Auch dafür, dass der über dem Laminat verlegte Kunstrasen rund um die Couch verbrannt ist, an anderen Stellen aber noch intakt, hat er eine Erklärung: „Die Kunstfasern des Sofas brennen stark. Deshalb war die Hitze hier größer als etwa in der Mitte des Raumes.“

Auch das Türschloss, das Sager schließlich findet, kann aufschlussreich sein. „Ich kann daran erkennen, ob jemand die Tür aufgebrochen hat. Hier ist aber nichts zu sehen“, sagt er. Wenn das Feuer wenig Hinweise hinterlassen hat, achtet Sager auch darauf, was er nicht findet. „Fehlt zum Beispiel jede Spur eines Fernsehers oder Radios, kann das bedeuten, dass vor dem Feuer eingebrochen wurde.“

Häufig ist kein Bezug zwischen Täter und Tatort erkennbar

Vor rund sechs Wochen wurde nach einem Balkonbrand ein 19-Jähriger festgenommen, auf dessen Handy die Polizei verdächtige Videos fand. „Die Ermittlungen laufen noch“, sagt Metzler. Auch hier verweist sein Kollege Lorenzen auf die Mithilfe der Bürger. „Täter sind durchaus nicht immer isoliert. Vielleicht hat jemand gehört, dass ein anderer über die Tat gesprochen hat, oder man traut es jemandem aufgrund bestimmter Beobachtungen zu“, sagt Metzler. Ein Täterprofil könne man erstellen lassen, ergänzt Lorenzen. Üblicherweise werde das jedoch in schwerwiegenderen Fällen, beispielsweise nach Vergewaltigungen, gemacht.

Die Motivlagen könnten sehr unterschiedlich sein. „Was die Ermittlungen erschwert, ist oftmals die Willkür der Taten. Teilweise gibt es keinen Bezug zwischen Täter und Tatort“, sagt Lorenzen. Brandursachenforscher Manfred Knuth wird genauer: „Brennt zum Beispiel ein Auto, kann der Täter verschiedene Motive haben: reine Böswilligkeit etwa. Oder aber der Halter selbst hat das Fahrzeug angezündet, um von der Versicherung Geld zu kassieren. Natürlich muss man in solch einem Fall auch die Möglichkeit eines Defekts im Auge behalten“, sagt Knuth,

Nach einer Stunde und 15 Minuten verlässt Brandursachenforscher Matthias Sager den Brandort. Nicht immer ist die Arbeit so schnell getan, sie kann sich auch mehrere Wochen hinziehen. Sager jedoch hat den Brandherd gefunden: Hinter der Eingangstür, die er zuletzt doch noch aus den Trümmern gezogen hat, ist der Grad der Zerstörung am höchsten. Das Parkett ist an dieser Stelle tiefschwarz, von den Wänden und dem Kunstrasen ist kaum etwas geblieben. Dennoch: Die Brandursache kann Sager nicht abschließend feststellen, zu viel ist zerstört worden. Vieles konnte er jedoch ausschließen, sein Fazit ist deshalb klar: „Ich muss von mutwilliger Brandlegung ausgehen.“

Die Arbeit des Brandursachenforschers ist damit getan. Wäre er unsicher, hätte er die Möglichkeit, Sachverständige des Landeskriminalamtes zurate zu ziehen oder einen Brandspürhund anzufordern. Das ist dieses Mal nicht nötig. Sager wird nur noch ein Protokoll schreiben, dann geht der Fall in die Hände der Ermittler über.