Der Brite Andrew Newton hat im Keller seines Hauses seinen Traum verwirklicht. Mittlerweile kann er davon leben: Die Aufträge kommen längst aus aller Welt

Tangstedt. Andrew Newton schlängelt sich durch die engen Kellergänge, schiebt mit dem Fuß noch rasch einen Staubsauger beiseite. „Bitte den Kopf einziehen, das ist Stahl“, sagt er und deutet auf einen Deckenträger über der Tür. Dahinter befindet sich sein persönliches Refugium, eine rund 20 Quadratmeter kleine Werkstatt, die je nach Betrachtungsweise entweder viel zu klein ist, oder in der der vorhandene Platz perfekt ausgenutzt wird. Ein intensiver Holzduft von Ahorn, Esche, Zeder und Mahagoni wabert durch den Raum, die Luftfeuchtigkeit wird künstlich immer unter 45 Prozent gehalten. Einen Fernseher gibt es nicht, genauso wenig läuft Musik. „Wenn ich hier unten bin, arbeite ich sehr konzentriert“, sagt Newton.

Der Vater spielte Kontrabass – und baute die Instrumente selbst

Sperrig-korrekt formuliert handelt es sich um einen „Zupfinstrumentenmacherbetrieb“, eingetragen bei der Handwerkskammer Lübeck, den der 54 Jahre alte Tangstedter allein führt. International verständlicher: „Newton Custom Guitars“. Der Brite baut Gitarren – Sonderanfertigungen auf Bestellung, nach Maß, basierend auf individuellen Wünschen, ausnahmslos Unikate. „Ich wage es, davon zu leben“, so beschreibt er seine Profession.

Newton muss angestrengt nachdenken, damit er alle Umwege aufzählen kann, die ihn zu dem Job gebracht haben, den er mit Leidenschaft und Akribie nicht nur erledigt, sondern auch lebt. „Gitarren waren schon immer mein Ding“, fängt er an. Geboren im englischen Seebad Brighton, wuchs er in einer musikalischen Familie auf. Sein Vater Roy spielte nicht nur Kontrabass, sondern fertigte das imposante Streichinstrument auch.

„Er hat mich zum Instrumentenbau gebracht“, sagt Andrew Newton. Aber eben nicht in dem Maße, dass er seinen Vater kopieren würde. Denn Roy Newton war ein Jazz-Liebhaber. „Und ich mochte die Musik, die er hasste.“ David Bowie, Brian Eno, Iggy Pop oder Wishbone Ash. „Und Pink Floyd fand ich immer sehr interessant, es war fabelhafte Musik. Die Beatles waren mir dafür lange Zeit zu poppig.“

Als Roy Newton eines Tages eine ramponierte Wandergitarre am Straßenrand fand, überreichte er diese seinem Sohn. „Ich durfte sie dann reparieren.“ Der Anfang war gemacht. Andrew Newton versuchte sich daran, Instrumente von Grund auf zu bauen. „Meine ersten Versuche waren mit 16, 17 Jahren. Die Gitarren waren grottenschlecht.“

Aber das spornte ihn nur an, besser zu werden. Während er sich parallel in anderen Berufen versuchte. Andrew Newton zog nach London, er war Kellner, Kartograf, er verkaufte Soft- und Hardware – und war sogar Berufsmusiker. „Passing Strangers, so hieß meine Band. Das war New Wave.“ Eine alte Vinyl-Single aus dieser Ära, Anfang der 80er-Jahre, hat er allerdings nicht mehr in seiner Sammlung, sie ist bei irgendeinem Umzug verschwunden. 1998 kam er nach Hamburg. „Die Reiselust hat mich hierhin verschlagen.“ Mittlerweile hatte er sich einen guten Ruf erarbeitet als Gitarrenbauer. „Ich brauche immer eine Aufgabe, die kreativ ist. Ich war Zeichner, Grafiker und Fotograf. All das hilft mir heute, wenn ich schöne Kurven in eine Gitarre bringen möchte.“ Da er jedoch keine Werkstatt in Deutschland fand, musste er regelmäßig nach England pendeln.

Heute ist das nicht mehr nötig, denn Andrew Newton und seine Frau Tracy, eine Amerikanerin, fanden ihr Domizil schließlich in der Gemeinde Tangstedt. „Das Haus hatte Potenzial. Und ich hatte den Ehrgeiz, mit dem Gitarrenbau meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“

Dieses Ziel hat er erreicht. Aufträge kommen aus aller Welt – von Texanern, Schotten, Dänen, selbst Japanern. Durchschnittlich benötigt Newton zwischen 40 und 160 Arbeitsstunden für eine Gitarre, wobei er meist parallel an mehreren Projekten arbeitet. Die Wartezeit? Sechs Monate sind vollkommen normal.

Seine Kunden sind Liebhaber, aber auch Profimusiker. So wurden Newton-Fabrikate auf der Abschlusstour von Fettes Brot eingesetzt. „Für eine Bühne braucht man eine leichte Gitarre, denn der Rücken darf nicht nach zwei Stunden schmerzen. Liebhaber wollen eine große Klangbreite. Und in jedem Detail sollte die Gitarre gut aussehen.“

Dabei müssen die Instrumente nicht immer aus Holz sein. Plexiglas, Aluminium, Grafit oder Glasfaser – Andrew Newton hat mit verschiedensten Materialien experimentiert. „Plexiglas klingt aber zu klinisch. Bei Alu war das Problem, dass die Gitarren unter Bühnenlicht zu heiß geworden sind.“ Was dafür immer gleich bleibt, ist seine Maxime. „Viele Leute sagen, Gitarren sind Kunst. Für mich sind es Werkzeuge, es ist ein Handwerk. Erst wenn Musik damit entsteht, ist es Kunst.“