Dritter Tag des Bargteheider Schützenfestes: eine Art schießsportlicher Aschermittwoch. Streng nach fröhlichem Protokoll. Ein Ortstermin

Bargteheide. Es ist angerichtet: Rührei mit Speck. Deftige Landleberwurst mit Stückchen. Salami, Käse. Und dazu Brötchen und Butter. Von Rollmöpsen keine Spur. Auch von verschlafenen Gestalten, die sich den dröhnenden Kopf halten, ist nichts zu sehen. Das ist das Katerfrühstück? Dass der Name täuscht, ist schon beim ersten Blick ins Bargteheider Festzelt zu sehen: Auf den Tischen stehen frisch gezapfte Biere und Schnaps- und Sektgläser. So schlimm kann der Katzenjammer nicht sein. Da geht noch was – nach drei Tagen Schützenfest.

„Einen Kater? Ne. Hat hier heute keiner mehr“, sagt Ulrich Splettstösser. „Aber früher waren beim Abschlussfrühstück tatsächlich alle duun.“ Betrunken heißt das auf Hochdeutsch. Der 77-Jährige muss es wissen. Seit 39 Jahren ist er im Bargteheider Schützenverein und kann sich noch gut an die wilden Zeiten erinnern. Kaum zu glauben, wenn man in die Runde schaut.

Mit Ketten und Orden hochdekorierte Herren in grünen Anzügen und weißen Hemden sitzen korrekt an der langen Tafel – alle links im Festzelt. Rechts haben die Damen Platz genommen, in roten Trachtenkleidern. Vorn ist der Ehrentisch mit den neuen Bargteheider Majestäten aufgebaut. Alles ist genau geregelt. Zeremonienmeister Rolf-Peter Fröhlich, der Vereinsvorsitzende, achtet auch akribisch auf das Protokoll. Schließlich wimmelt es hier von Majestäten samt Hofdamen und edlen Rittern. Der Hofstaat hat geladen. Und das Schützenvolk ist erschienen. Das Protokoll zu durchbrechen und schon mal schnell mit dem neuen Schützenkönig zu plaudern ist unmöglich und wäre ein Faupax.

„Erst kommt die Begrüßung, dann folgen die Reden und die Ehrungen. Und zum Schluss gibt es Musik und Tanz“, sagt Fröhlich und schaut sich etwas nervös um. Er muss alles im Blick behalten, damit der Laden läuft.

Der König und die Königin – in diesem Fall die Möllers – haben doch immer so nette Beinamen. „Später.“ Der Zeremonienmeister winkt ab. Jetzt gibt es Wichtigeres. Ein besonderer Programmpunkt steht auf dem Plan: König Martin Möller gibt einen aus.

Der Klare schmeckt. Die Schützen machen einen entspannten Eindruck. Und immer, wenn es einen erhabenen Moment gibt, erhebt sich folgerichtig die Frühstücks-Festgesellschaft. „Schützen in die Ständer“, ruft der Vereinsvorsitzende. Schon stehen alle auf. Ulrich Splettstösser, der vor acht Jahren zum Vorsänger berufen wurde, hebt an und lässt ein deutliches „Joooo“ erklingen. Dann schmettert das ganze Zelt:. „Schützenbrüder sind wir. Das liegt uns so im Blut. Durstig sind wir immer. Das liegt uns so im Blut.“ Und dann ein dreifaches: „Gut Schuss.“

Der neue Bargteheider Schützenkönig strahlt, während am äußersten Ende des Honoratiorentisches die Miene des Landrats eher düster ist. Er sieht aus wie eine Spaßbremse. Aber offenbar ist er nur konzentriert und schreibt noch schnell ein paar Notizen für seine Rede auf. Er hat es ohnehin drauf. Aber heute sind seine Spitzen besonders gefragt. „Heute wird Resümee gezogen“, sagt Vereinsvorsitzender Fröhlich. „Zum Abschluss des Schützenfestes begegnen sich auch Politik und Schützen und tauschen Spitzfindigkeiten aus.“

Katerfrühstück? Es ist wohl eher so eine Art Schützen-Aschermittwoch mit deftiger Landleberwurst und ebenso deftigen Sprüchen am Mikrofon. Dass sich der neue Könige heute den Spruch „Alles Möller, oder was?“ öfter anhören muss, stört ihn nicht. Er weiß, warum: Seine ganze Familie hat beim diesjährigen Schießen abgeräumt: Er ist König geworden, seine Mutter Bärbel Königin, sein Neffe Julius Jugendkönig, sein Sohn Jonas Schülerkönig und seine Nichte Helena Schülerhofdame. Und wie sind nun die Spitznamen der neuen Majestäten? Erst nach einer Stunde wird das Geheimnis gelüftet: Bärbel, die Rennmaus, und Martin der Jugenddompteur, schauen sich an und lachen.

Es ist warm geworden im Festzelt. Einfach die Jacken auszuziehen verbietet das Protokoll. Der Zeremonienmeister hat ein Einsehen. Um 11.17Uhr kommt die erhoffte Anweisung: „Große Anzugserleichterung.“ Keine zehn Sekunden später ist aus dem Grau-Grüne-Jacken-Meer eine Ansammlung von Weißhemden geworden. Langsam wird es kommodig. Und das, obwohl der offizielle Teil erst kommt. „20 Minuten Pause“, verkündet der Zeremonienmeister wie im Theater. Und schon tritt die Verwaltungs- und Politik-Riege auf. Mit dabei: Bürgervorsteherin Cornelia Harmuth und Bürgermeister Henning Görtz. Statt sich bei allen Aktiven nur mit schönen Worten für die Rettung der Schützenfest-Tradition zu bedanken, haben sie sieben kleine Trophäen mitgebracht: Quietschi-Gummi-Schützen-Enten in zünftiger grüner Vereinsjacke.

Auch Landrat Klaus Plöger bekommt von Bürgermeister Görtz eine Quietschi-Ente für das sommerliche Planschen in der Ostsee – und eine kleine Breitseite noch dazu. „Schönen Dank auch“, sagt Görtz und meint die Idee des Kreises, Radfahrer verstärkt auf die Straßen zu zwingen. „Dann bin ich eben Klaus, der Doofe“, kontert der Landrat schon ganz im Schützenjargon und reißt die Arme hoch. Aber wenn da ein breiter Radweg sei, was benutze man dann wohl? Das Schützenvolk hat den Aufruf zum zivilen Ungehorsam verstanden und entlässt Plöger aus der Bütt – mit Applaus, einem Ständer und der kompletten Zeremonie.

Vieles ist wie seit Jahren. Eines hat sich bei den Schützen allerdings komplett geändert: Kein König muss mehr pleitegehen. Erstens bezahlt er nur eine Runde beim Katerfrühstück und nicht wie früher sämtliche Getränke. „Und außerdem zahlen alle Schützen in eine Versicherung ein“, sagt Peter Fröhlich. 50 bis 100 Euro seien üblich. Wer König wird, bekommt nicht nur die Königskette, sondern den gesamten Pott. So kann er das Königsfrühstück bezahlen. Das wird traditionell am zweiten Festtag in aller Frühe ausgerichtet. Vielleicht ist ja der Kater mit am Tisch.