Vor zwei Jahren haben die Löwels den Traditionsgasthof Stahmer übernommen. Sie fühlen sich wohl im „Wohnzimmer“ der Kleinstgemeinde und werden langsam Hohenfelder

Hohenfelde. Wer in Hohenfelde im Kreis Stormarn wohnt, braucht sich keine Straßennamen zu merken, um sein Haus zu finden. Hohenfelde heißt der Ort, Hohenfelde heißt die Straße. Hausnummern aber gibt es, sie gehen bis Nummer 20. Dann ist Schluss. Hohenfelde ist eine der kleinsten Gemeinden Schleswig-Holsteins. 60 Menschen leben hier – und sie haben nicht nur den Straßennamen miteinander gemein, sondern auch ihr Wohnzimmer: Hohenfelde Nummer sechs, den Gasthof Stahmer. In dieses Wohnzimmer ist Familie Löwel gezogen: Jan und Katja mit ihren Kindern Melina, Jonas und Jan Mathes. „Die Neuen“. Zwei Jahre ist das jetzt her. Zeit nachzufragen, was sich verändert hat mit den neuen Pächtern des Traditionsgasthofes.

„Nur Kleinigkeiten“, antwortet Jan Löwel. So passen jetzt die Kunststoff-Blumensträuße auf der Fensterbank zur Jahreszeit. Und es gibt eine Geschirrspülmaschine. Aber eigentlich mögen die Löwels ihren Gasthof so, wie er ist. Sie haben ihn von Gertrud und Heinrich Stahmer übernommen und sind von Krummbek bei Kiel hierher gezogen. Jan Löwel: „Nach fast 40 Jahren als Gastwirte haben die Stahmers einen Nachfolger gesucht. Wir haben den Gasthof gesehen und gedacht: Jo, das passt. Er ist ländlich, und die Speisekarte hat uns gefallen.“

Auf der Karte stehen unter anderem hausgemachte Sülze mit Remoulade, Roastbeef und Bauernfrühstück. Auch die Dekoration gefiel der Familie. Die alte Standuhr, das grüne Sofa, der hellbraun gestrichene Heizkörper, die Holzstühle. „Die Gäste sagen, das Ambiente ist wie bei Oma in der guten Stube, das wollen wir bewahren“, sagt Katja Löwel. Ein bisschen Moderne muss aber dann doch sein. „Wir versuchen hier Corporate Design“, sagt Jan Löwel und lächelt. „Unser Briefkopf passt zum Schild über der Tür.“ Das ovale Schild ist groß und gut sichtbar über dem Eingang, in grüner und roter Schrift steht dort „Landgasthof Stahmer, der feine kleine Landgasthof.“ Es muss wohl für Gäste von außerhalb sein, die von Trittau über den Hohenfelder Damm durch den Wald gefahren kommen. Denn die Hohenfelder kennen das Lokal.

In dem um 1835 erbauten Gasthof treffen sich seit fast 180 Jahren die Menschen zum Essen und Feiern. Und hier wird Politik gemacht, im doppelten Sinn: Heinrich Stahmer ist der amtierende Bürgermeister, er wurde 1943 in der Gaststube geboren. Und zweimal im Jahr kommen die Hohenfelder im Gasthof zur Gemeindeversammlung.

Das ist neu: Ein Gemeindetag soll die Gemeinschaft stärken

Hohenfelde ist eine der 28 Kleinstgemeinden in Schleswig-Holstein. Sie haben nicht mehr als 70 Einwohner, deshalb werden keine Gemeindevertreter gewählt, sondern die Hohenfelder vertreten sich selbst. Alle Einwohner, die älter als 16 Jahre sind, dürfen zur Versammlung kommen. „Das ist schon lustig“, sagt Katja Löwel, „die Ehepaare kommen gemeinsam und trennen sich dann hier, die Frauen sitzen rechts, die Männer links.“ Und dann wird abgestimmt.

Bei einer solchen Versammlung wurde ebenfalls über eine Neuerung diskutiert, die Katja und Jan Löwel angeregt hatten. „Es gab hier immer einmal im Jahr ein Altencafé“, sagt Jan Löwel. „Da kamen dann nur fünf bis acht ältere Menschen und der Pastor. Das ändern wir jetzt: Wir wollen einen Gemeindetag machen, damit die Gemeinde wieder näher zusammenrückt.“ Die Gemeinschaft sei ein bisschen eingeschlafen. „Jeder puzzelt so vor sich hin.“

Bei der Gemeindeversammlung sei über die Idee gesprochen worden. „Es gab eine heiße Diskussion wegen der Kosten“, sagt Jan Löwel. „Dabei geht es Hohenfelde gut.“ Allerdings beträgt der Etat, über den die Gemeinde frei verfügen kann, auch nur rund 6000 Euro. Die Rücklagen allerdings sind verhältnismäßig hoch: 188.000 Euro. „Man gibt kaum etwas aus, es gibt zum Beispiel keine Straßenbeleuchtung“, sagt Jan Löwel. Eine Kanalisation gibt es ebenfalls nicht. Und auch keinen Schulbus. Die sieben Kinder werden von einer Dame aus dem Nachbardorf abgeholt und zur Bushaltestelle gefahren, jeden Tag. Das bezahlen anteilig der Kreis Stormarn und der Schulverband Trittau. Eine öffentliche Verkehrsanbindung ist nicht geplant, den Gemeindetag aber wird es geben, er ist genehmigt worden. Jan Löwel: „Mit knapper Mehrheit.“

Das soll bleiben: Beim Grog gehört die ganze Flasche auf den Tisch

Das also ist so eine Sache, die nun anders wird. Vielleicht kommt sie gut an. Manch andere Neuerung wird in Hohenfelde eher skeptisch betrachtet. Denn viele Veränderungen gibt es nicht, die Hohenfelder sind beständig. Heinrich Stahmer wurde 2001 zum Bürgermeister gewählt, er löste Ulrich Meyer ab, der 1948 Bürgermeister geworden war und es blieb bis zu seinem Tod. „Meyer hatte sich dafür eingesetzt, dass in Hohenfelde keine neuen Häuser gebaut werden dürfen. So erhält sich das Altertümliche“, sagt Jan Löwel. Die Kritik am Nichtbewahren alter Bräuche war gegenüber den Löwels in zwei Fällen „schnapsspezifisch“. Katja Löwel erklärt die Geschichte. „Hier muss man aus der Hand einschenken“, sagt sie. „Aber wir waren es gewohnt, die Zentiliter abzumessen.“ Das sei nicht gut angekommen. Ihr Mann ergänzt: „Oder wenn man Grog bestellt. Bei uns bekommt man ein Glas Rum. Hier war es üblich, die ganze Flasche auf den Tisch zu stellen.“

Und auch beim Essen kollidierten die Gewohnheiten. „Bei uns gibt es in der Grünkohlzeit Grünkohl satt. Und wir dachten, wenn man bei der ersten Runde Kochwurst und Kassler bekommt, mag man beim Nachschlag vielleicht nur noch eine halbe Kochwurst essen. Da hieß es dann, wir seien knatterig“, sagt Katja Löwel. Es sei wichtig, dass man solche Einschätzungen mitbekommt. Dann könne man reagieren.

„Herr Stahmer ist fast wie eine Zeitung, er hört und sieht viel“, sagt Jan Löwel. „Wir haben guten Kontakt zu ihm und seiner Frau. Es ist wirklich nett, dass die beiden da sind. Sie stehen auf unserer Seite.“ Es habe eine gemeinsame Abschieds- und Willkommensparty gegeben. „Und Frau Stahmer hat am Anfang vermittelt. Sie hat den Gästen gesagt, dass sie uns vertrauen können“, sagt Katja Löwel. Stahmers wohnen nun nebenan. Nur ihr Hund lebt noch im Zwinger auf dem Gelände des Landgasthofs.

Fragt man sie nach einem ersten Fazit, sagt die Familie, sie fühle sich hier wohl. „Wir wurden gut aufgenommen“, sagt Katja Löwel. „Und wir kommen ja aus einem Dorf. Wir wussten, dass man sich auf die Besonderheiten einstellen muss.“ Ein bisschen von ihrer Tradition bringen die Löwels aber auch nach Hohenfelde. Es gibt Käsekuchen und auch Sauerbraten in Lebkuchensoße mit Serviettenknödel nach einem Rezept von Oma Löwel. Und auf der Kinderkarte stehen jetzt auch Nudeln mit der Tomatensoße, die Katja Löwels Großmutter immer gekocht hat.

So mischen sich die Traditionen. Und so langsam werden die Löwels Hohenfelder. Jan Löwel: „Vielleicht müssen wir das mit der Grogflasche auf dem Tisch wieder einführen.“