Eine Bürokratie-Lehrstunde von Sabine Skibbe

Wir regen uns ja gern mal auf über das Europaparlament, das angeblich reichlich Bürokraten-Irrsinn fabriziert und sonst nichts Wichtiges zu tun hat. Dabei müssen wir gar nicht nach Brüssel blicken, wenn es um den arg strapazierten Amtsschimmel geht. Auch bei uns in den kleinen Gemeinden funktioniert Bürokratie ganz fantastisch.

Ich kenne ein Paar, das sich vor Jahren ein wirklich heruntergekommenes Haus gekauft hat. Im Außenbereich einer Gemeinde im Hamburger Umland, in der es eine Ortsgestaltungssatzung gibt. Das Paar beauftragte einen Architekten mit dem Umbau des Gebäudes. Dieser Architekt entschloss sich dazu, dem Giebel eine Holzverkleidung zu verpassen – ebenso weiß gestrichen wie der Rest des Hauses.

Ein aufmerksamer Nachbar ließ das Bauamt wissen, dass die Satzung zwar eine Holzverkleidung zulasse, die Bretter müssten aber senkrecht verlaufen und keinesfalls waagerecht. Darauf waren Ämter und Gerichte mit diesem Fall befasst, Richter und Behördenmitarbeiter rückten zu mehreren Ortsterminen an, und das Paar ist viel Geld dabei losgeworden. Und es wurde ihm sogar verboten, die Fensterrahmen in einem hübschen Taubenblau zu streichen.

Als Jahre später ein Obstbauer eine riesige Halle auf die grüne Wiese setzte und dort ein Schild anbrachte, das die Vorschriften der Ortsgestaltung bei Weitem sprengte, hat keiner mehr etwas gesagt. Vielleicht war aber auch nur der aufmerksame Nachbar nicht mehr da.