33-Jähriger hatte im November 2013 einen Bekannten in Barsbüttel erstochen. Verteidigung sieht minder schweren Fall des Totschlags

Barsbüttel/Lübeck. „Es tut mir aufrichtig leid“, sagt Maksim A. (alle Namen geändert). Der Mann mit dem schwarzen, grau melierten Haar ist aufgestanden, nachdem ihm der Richter das letzte Wort erteilt hat. Der 33-Jährige aus dem Kaukasus, der zuletzt in Barbüttel lebte, hält seine Hand auf der Brust, während er wie ein Soldat mit starrem Blick spricht. Eine Dolmetscherin übersetzt die Worte. „Ich möchte mich bei der Familie und den Verwandten entschuldigen“, sagt der Mann, der in Russland eine Kampfausbildung absolvierte und in einer Spezialeinheit arbeitete, die Häftlinge bewachte.

Etwa acht Monate sitzt er nun selbst in Haft. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Asylbewerber vor, im November 2013 den 37-jährigen Viktor D. aus Tschetschenien nach einem Streit in Barsbüttel erstochen zu haben. „Für mich hat sich die Tat so wie angeklagt bestätigt“, sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer vor dem Lübecker Landgericht am Dienstag und fordert eine siebenjährige Haftstrafe.

Der Ankläger rekonstruiert die Tat so: „Das Opfer ist schwer betrunken und hochgradig aggressiv, als es mit einem Messer auf den Angeklagten losgeht.“ Doch dieser tritt dem Angreifer die Waffe aus der Hand und sticht selbst zu. Wie im Rausch rammt er dem Opfer immer wieder das Messer in Hals und Rücken. Solange, bis die Klinge abbricht. Eine Rechtsmedizinerin wird später 15 Einstiche feststellen. Viktor D. aus Tschetschenien, der ebenfalls in Deutschland Asyl suchte, kann sich noch 300 Meter vom Soltausredder in eine Seitenstraße schleppen. Dort bricht er tot zusammen. Maksim A. geht nach der Tat zur Polizei und stellt sich. „Hätte ich es nicht getan, hätte er mich getötet“, sagte Maksim A. in seinem Geständnis und sieht sich damit offenbar selbst als Opfer. „Notwehr scheidet nach dem deutschen Recht aber aus“, betont der Staatsanwalt. Denn schließlich habe A. dem Angreifer das Messer schon aus der Hand getreten und es an sich genommen.

Dennoch sieht der Ankläger eine verminderte Schuldfähigkeit. „Alle Zeugen bestätigen, dass das Opfer sehr aggressiv war und dazu neigte, Menschen herabzusetzen, zu schlagen und zu quälen“, so der Staatsanwalt. Auch in der Tatnacht beleidigt Viktor D. den Angeklagten, schlägt ihn und tritt ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Auch diese Verletzungen werden später von einem Rechtsmediziner erfasst. „Wie die Sachverständige bestätigt hat, befand sich der Angeklagte in einer psychischen Ausnahmesituation und war steuerungsunfähig“, so der Jurist weiter.

Die Anwältin der Witwe stimmt dem vorgeschlagenen Strafmaß der Staatsanwaltschaft zu, sagt jedoch: „Auch wenn es in der Verhandlung anders rübergekommen ist, war das Opfer ein guter Ehemann und liebevoller Vater von drei Kindern“, so die Anwältin der Frau, die mit einem schwarzen Kopftuch, das auch Ohren und Stirn bedeckt, im Gerichtssaal sitzt und sich immer wieder Tränen mit einem Stofftuch aus dem Gesicht wischt. Insbesondere als die Verteidigerin die Tat rekonstruiert und dabei zu dem Ergebnis kommt, dass nicht nur verminderte Schuldfähigkeit zutrifft, sondern auch ein minder schwerer Fall des Totschlags.

Damit wären auch Strafen unter dem Mindeststrafmaß von fünf Jahren möglich. Der Vorsitzende Richter der I. Großen Strafkammer am Landgericht möchte am Freitag, 11. Juli, das Urteil verkünden.