Kreis Stormarn kann Anteile an Müllverbrennungsanlage Stapelfeld kostenlos zurückbekommen – und zu Geld machen

Stapelfeld. Der Kreis Stormarn kann offenbar 20 Jahre nach dem Verkauf seiner Anteile an der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld ein zweites Mal kassieren. In dem im Frühsommer 1996 mit der damaligen Veba Kraftwerke Ruhr (VKR) AG ausgehandelten Kaufvertrag ist verbrieft, dass der Kreis zum 1. Januar des Jahres 2017 Anteile zurückbekommen, also wieder Gesellschafter werden kann – und zwar zum Nulltarif. Er muss es nur wollen.

Andreas Aumüller, Sprecher der Energy from Waste GmbH, bestätigt, dass es die Klausel gibt und sich das Unternehmen daran gebunden sieht. Energy from Waste ist Rechtsnachfolgerin der VKR und heutige Eigentümerin der MVA.

Die Regelung gilt auch für die beiden anderen Alteigentümer der 1979 in Betrieb genommenen Anlage. Bis Ende 1996 hatte Hamburg 80 Prozent an den Stapelfelder Öfen gehalten, Stormarn und der Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg jeweils zehn. VKR legte damals umgerechnet 95,7 Millionen Euro dafür auf den Tisch, ein Zehntel des Kaufpreises strich Stormarn ein.

Bald schon also kann der Kreis wieder Gesellschafter werden. Es soll für die beiden Kreise um Anteile im mittleren einstelligen Prozentbereich gehen, für Hamburg im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Für die Alteigentümer dürfte es sich jetzt plötzlich wieder lohnen, zuzugreifen. Lange hatte es danach ausgesehen, als ginge der Ofen in Stapelfeld zum Jahresende 2016 aus, beide Kreise und die Stadtreinigung Hamburg hatten ihre 20-jährigen Lieferverträge fristgerecht gekündigt (wir berichteten).

Wer in dieser Situation ab 2017 Mitgesellschafter geworden wäre, hätte sich allenfalls am Rückbau der Anlage finanziell beteiligen müssen. Seit Anfang April dieses Jahres ist die Lage eine andere: Energy from Waste hat die Ausschreibung für die Entsorgung des Restmülls aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg erneut gewonnen. Das lastet die Müllverbrennungsanlage zwar noch nicht aus, weitere Aufträge müssen akquiriert werden. Trotzdem ist klar: Das Geschäft geht weiter.

Stormarn will ganz offensichtlich davon profitieren. Und zumindest einer der beiden Ex-Partner beobachtet interessiert, was daraus wird. Karsten Steffen, Pressesprecher des Kreises Herzogtum Lauenburg: „Unser Hauptausschuss hat beschlossen, die Rückübertragungs-Option nicht in Anspruch zu nehmen. Dieser Beschluss ist aber ausgesetzt worden, seit wir wissen, dass Stormarn den anderen Weg geht.“ Nun warte die Politik im Lauenburgischen erst mal ab.

In Stormarn beschäftigen sich die Politiker derweil mit dem Thema. Offiziell gibt es dazu noch nichts zu sagen. „Die Beratungen sind nicht öffentlich, insofern kann ich mich dazu nicht äußern“, beantwortet René Wendland (SPD), Finanzausschussvorsitzender, die Frage nach einer möglichen unverhofften Geldspritze für den Kreis. Am Mittwoch hat zunächst der Hauptausschuss getagt, am Freitag folgt die Beratung im Kreistag.

Doch wie ließe sich überhaupt der größtmögliche Profit ziehen? Abendblatt-Informationen zufolge ist eine Idee, die Anteile nach einer logischen Sekunde weiterzuverkaufen, also unmittelbar zu Geld zu machen. Die zweite Möglichkeit – Teilhaber zu bleiben und regelmäßig Dividende zu kassieren – kann nur weniger attraktiv erscheinen. Die Müllverbrennungsbranche hat mit zunehmenden Überkapazitäten zu kämpfen, weil das Restmüllaufkommen seit Jahren zurückgeht. Die Folge: Müllverbrennungsanlagen fahren zwar noch Gewinn ein, aber deutlich weniger als in der Vergangenheit. Außerdem bliebe, wenn auch später, die Rückbau-Problematik.

Doch wer könnte Interesse haben, MVA-Anteile zu erwerben? Das könnte zum einen Energy from Waste GmbH selbst sein. Das Unternehmen könnte dadurch trotz der 1996 getroffenen vertraglichen Vereinbarung zu 100 Prozent Herr im eigenen Haus bleiben. Im Ergebnis hieße das: Die Firma würde Anteile kaufen, die ihre Vorvorgängerin VKR bereits 1996 gekauft hatte.

Ein zweiter Interessent könnte Stadtreinigung Hamburg heißen. Das stadteigene Unternehmen hat Anfang April bekannt gegeben, das Müllverbrennungswesen rund um die Hansestadt neu organisieren und deshalb den Kauf der beiden Hamburger Müllverbrennungsanlagen Rugenberger Damm und Borsigstraße prüfen zu wollen. Dafür könnte möglicherweise der eigene Betrieb Stellinger Moor stillgelegt werden, hieß es.

Borsigstraße gehört zu 85,5 Prozent dem Vattenfall-Konzern. Den kleineren Anteil hält: Stapelfeld-Eigner Energy from Waste. Stapelfeld als Verbrennungsort spielt für die Stadtreinigung keine Rolle mehr. Einem Kauf der Stormarner MVA-Anteile könnte jedoch ein Tausch von Stapelfeld- gegen Borsigstraßen-Anteilen folgen. Stadtreinigungs-Sprecher Reinhard Fiedler sagt dazu: „Das sind Spekulationen, an denen ich mich nicht beteiligen möchte.“