Land muss entscheiden, ob der denkmalgeschützte Jersbeker Barockgarten die Bargteheider Windradpläne ausbremst. Ein Rundgang

Jersbek. Der Jersbeker Barockgarten gehört zu den bedeutendsten Anlagen dieser Art in Schleswig-Holstein. Rund 10.000 Menschen kommen jährlich vorbei, um durch die Lindenalleen zu wandeln und etwas vom Lebensgefühl früherer Tage zu spüren. Schon vor fast 300 Jahren schwärmte Friedrich von Hagedorn: „Hier herrschet diese Lust im würdigsten Gebiete.“ Der edle Herr widmete sich Wein, Weib und Gesang – nicht nur in seinen Gedichten, sondern auch im Grünen. Die Lustbarkeiten in Jersbek haben sich geändert. Aber die acht Hektar große Parkanlage, die der Mäzen der Hamburger Oper, Bendix von Ahlefeldt, 1726 bis 1740 anlegen ließ, gibt es nach wie vor. Sie steht seit 1986 unter Denkmalschutz. Und das verleiht ihr nun einen ungewohnten Reiz: Die Anlage wird zum Politikum.

Um in der Sprache des Dichters zu bleiben: Der historische Park könnte den Gegnern des Bargteheider Windparks zur Lust gereichen. Denn die Nachbarstadt Bargteheide plant das Aufstellen dreier Windräder am Ortsrand (wie berichtet). Die Technik-Architektur des 21. Jahrhunderts könnte also künftig am Horizont und damit in der Sichtachse der Garten-Architektur des 18. Jahrhunderts auftauchen. Das könnte zu viel des Kontrastes sein und das Aus für den Windpark bedeuten. Zwei konträre Gutachten liegen vor. Die untere Denkmalschutzbehörde prüft. Das Land wird entscheiden. Ausgang: ungewiss.

„Ich halte mich da raus“, sagt Thimo Scheel gleich bei der Begrüßung. Der 63-Jährige ist Vorsitzender des Fördervereins Jersbeker Park. „Ob die Windräder stören oder nicht, sollten die Gutachter beurteilen. Wir bleiben als Verein neutral“, sagt Scheel, der seine Meinung für sich behält, aber gern das Tor öffnet, um zu zeigen, was so schön und schützenswert ist.

Forschen Schrittes geht Thimo Scheel voran. Er kennt jeden Winkel. Seit 32 Jahren wohnt er auf dem Gartengelände. Der ehemalige Kutschpferde-Stall ist sein Zuhause. „Ich bin mit dem Onkel des jetzigen Gutsbesitzers auf Jagd gegangen. So kam das“, sagt Scheel und geht zielstrebig zu einer freien Fläche, die sich hinter dem schmiedeeisernen Tor auftut. Auf den ersten Blick ist nicht viel zu sehen, auf den zweiten schon. Und in der Fantasie noch viel mehr.

Bauherr Bendix von Ahlefeldt lud zu Opernaufführungen ein

„Hier stand das ehemalige Gartenhaus. Das dort waren die Seitenräume, in die sich die Herrschaften zurückzogen“, sagt Scheel und streckt die Arme links und rechts aus. Die Fläche in der Mitte, auf der er steht, war der Saal. Das Herzstück des Gartenhauses, das 1738 errichtet wurde. Scheel: „Hier wurden Opern aufgeführt, Konzerte gegeben. Und es wurde gefeiert.“ Ob der Dichter Hagedorn dabei war? Vermutlich.

Wir stellen uns Hagedorn vor, wie er mit Kopfputz durch den Barockgarten stolziert und mit anderen illustren Herrschaften vor den Toren Hamburgs Opernaufführungen, Champagner und schöne Frauen genießt. Sein ausschweifender Lebensstil ließ ihn nur 46 Jahre alt werden.

Dass sich der Jersbeker Park schon Jahrhunderte gehalten hat, ist den privaten Eigentümern, aber drei Jahrzehnte auch dem Kreis Stormarn zu verdanken, der sich als Pächter bis 2009 um Pflege und Erhalt der Anlage gekümmert hat. Dann ging die Aufgabe auf den Förderverein über, der vom Kreis, von Jersbek und anderen unterstützt wird. So konnte der jetzt deutlich sichtbare Grundriss des Gartenhauses für 35.000 Euro rekonstruiert werden. 10.000 Euro kamen allein von einem privaten Spender. Auch die Aktivregion Alsterland gab Geld.

Der Bauherr des Parks, Bendix von Ahlefeldt, hatte so viel Geld, dass er zeitweise die Oper in Hamburg finanzierte und sich in Jersbek ein eigenes Theater leisten konnte – das Gartenhaus, dessen Grundriss jetzt als eine Art Bühne für Veranstaltungen dient. Scheel: „Vielleicht rekonstruieren wir das Gebäude noch. Wir planen fünf Bauabschnitte. “

Treppen sollen auf jeden Fall angelegt werden, die wie früher vom Haus in den Garten führen. Thimo Scheel zeigt auf die Abterrassierung, die noch heute zu sehen ist und den Blick frei gibt auf die Hauptachse des Parks – mit dem Parterre, das aus zwei Wasserbassins bestand, dem Boskett mit den geometrisch gestalteten Rabatten und dem dahinter liegenden Wäldchen. Die Bereiche sind noch zu erkennen. Auch die Sichtachsen sind noch zu sehen, ebenso die Lindenalleen, die die Anlage umrahmen und ihr eine Gradlinigkeit und Ruhe verleihen, die durchatmen lassen.

Scheel setzt den Rundgang nun etwas langsamer fort. Die Wege sind in einem guten Zustand. „Der Wegebau ist einer unserer zentralen Aufgaben, genauso wie der Baumschnitt“, sagt der Vereinsvorsitzende. Zu seiner Rechten erstrecken sich hohe Buchen-Laubengänge, in denen sich im Schatten wandeln lässt. Scheel: „Das war damals ganz wichtig. Weiße Haut galt als vornehm.“

Zur Linken öffnet sich eine englische Parklandschaft. Dann bleibt Scheel stehen. Vor ihm eine Kathedrale der Natur: zwölf Linden. Sie stehen im Kreis. Ihre Kronen berühren sich. „Salon verdure“, sagt Scheel fast flüsternd. „Grüner Salon.“ Drinnen umfängt einen die grüne Kuppel. Ein geschlossener Raum im Freien – mitten unter zwölf Aposteln. So wird der weihevolle Ort genannt, der möglicherweise kultische Funktion hatte.

„Hier könnte aber auch der Gutsherr im kleinen Kreis Gäste empfangen haben“, sagt Scheel, schmunzelt und und führt den Besucher wieder hinaus ins Weltliche, bis zum Jagdstern. Dort ging es wahrhaft weltlich zu. Scheel: „Es wurde so eine Art Imbissbude aufgestellt. Nur dass Champagner floss.“

Im Frühjahr blühen Schlüsselblumen und Tausende Buschwindröschen

Für die Jagd hatten die Edlen ihre Gewehre dabei. Das Wild wurde ihnen serviert, durch die mit Lappen abgehängten Wege vor die Flinte getrieben. „Sie kennen den Ausdruck, dass einem etwas durch die Lappen geht?“, fragt Scheel. „Das kommt daher.“ Es ging aber nicht nur ums Wild. „Ein paar Damen hatten die Herren auch im Arm.“ Dem Dichter Hagedorn mag die Jagd zu brutal gewesen sein. Die Damen und die Lustbarkeiten im Gartenhaus dürfte er gustiert haben.

Heute wandeln die Besucher durch die Allen, schauen sich die grüne Kathedrale und das Grab des Gutsbesitzers Paschen von Cossel an, kommen zu Konzerten und Führungen. Scheel: „Im Frühjahr ist es besonders schön. Wenn Tausende Schlüsselblumen und Buschwindröschen auf der Wiese blühen.“