Gerd Gottlob und Tobias Blanck, die mit ihren Familien in der Schlossstadt leben, kommentieren für den NDR zehn Spiele beim Turnier in Brasilien

Ahrensburg. Eins ist schon vor dem Flug nach Brasilien am heutigen Mittwoch klar: Das Team aus Ahrensburg kommt bei der Fußball-Weltmeisterschaft ins Halbfinale. Denn Gerd Gottlob, 49, und Tobias Blanck, 40, sind eins von drei Reporterduos, die der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zur WM schickt. Und während die Nationalspieler der 32 Teilnehmerländer lediglich ihre drei Vorrundengegner kennen, steht für die beiden Ahrensburger der Turnierplan schon weitgehend fest.

„Eine WM in einem so fußballverrückten Land wie Brasilien ist natürlich etwas ganz Besonderes“, sagt Gottlob. Für den heutigen NDR-Sportchef ist es die sechste WM-Nominierung. Er war bereits 1990 (Italien, für die Hamburger Morgenpost), 1998 (Frankreich), 2002 (Japan/Südkorea), 2006 (Deutschland) und 2010 (Südafrika) dabei. Im Dezember waren die Ahrensburger schon bei der Gruppenauslosung im Touristenort Costa do Sauípe (Bundesstaat Bahia) dabei. „Die Brasilianer lieben und leben Fußball“, sagt Blanck.

Rund 75 Kilometer südlich, in der 2,7-Millionen-Einwohner-Stadt Salvador, wartet am Montag, 16. Juni, die wohl größte Herausforderung auf die beiden Stormarner: das Auftaktspiel von Deutschland gegen Portugal. „Spiele mit unserer Mannschaft sind noch mal etwas anderes“, sagt Tobias Blanck, „da sieht schließlich die gesamte Nation zu.“ Er ist der für die Fernsehzuschauer unsichtbare Mann im Hintergrund, sitzt bei allen Spielen neben Kommentator Gottlob auf der Reportertribüne. Über einen „Knopf im Ohr“ weist er den Sprecher auf taktische Dinge hin, liefert Statistiken und Hintergrundgeschichten zu einzelnen Sportlern, die nicht jedem Fußballfan geläufig sind.

„Bei Honduras ist zum Beispiel ein Spieler im Kader, dessen Vater 1982 bei der WM in Spanien dabei war“, sagt Blanck. Der Sohn wurde einen Monat nach dem Turnier geboren. Ob er solche Infos tatsächlich einbaut, entscheidet Gottlob spontan: „Die Kunst ist es ja, von den vielen Sachen, die wir vorbereitet haben, die zu bringen, die zur Situation passen.“ Ein Kommentator, der unabhängig vom Spielgeschehen am laufenden Band Anekdoten erzähle, sei doch eher nervig.

Da ist es gut, dass die beiden Ahrensburger ein gut eingespieltes Team sind. Seit einem Jahrzehnt begleiten sie Seite an Seite Länderspiele. „Toby weiß genau, in welchen Momenten er mich anfunken kann und wann besser nicht“, sagt Gottlob. Wohl auch deshalb spricht er meist in der Wir-Form: „Unsere Art zu kommentieren ist eher ruhig und sachlich.“ Man müsse manchmal den Mund halten können. Bei packenden Szenen sind selbstverständlich auch Gefühle erlaubt. „Das kann bei einem tollen Spiel sein, aber auch bei einem Grottenkick.“

Zur Vorbereitung auf die WM haben die beiden Hobbyfußballer – Gottlob spielte als Libero beim TuS Hoisdorf, Blanck war erst Torwart beim Meidendorfer SV und stürmte später für JuS Fischbek, den Ahrensburger TSV und den SSC Hagen Ahrensburg – auch Dutzende Testspiele angeschaut. „Im ARD-Sportarchiv haben wir jederzeit Zugriff darauf“, sagt Blanck.

Beim müden 0:0 der Portugiesen gegen Griechenland analysierten die Reporter, wie der erste deutsche Gegner ohne Superstar Cristiano Ronaldo auflaufen könnte. Und beim 1:3 gegen Mexiko nahmen sie die Elf von Ecuador unter die Lupe, die sie in zwei WM-Partien begleiten. „Dabei prägen wir uns die Gesichter der Spieler ein, deren Positionen und die Aussprache der Namen“, sagt Gottlob. „Am schwierigsten ist das beim Iran“, ergänzt Blanck.

Im Zweifel hilft die offizielle ARD-Ausspracheempfehlung weiter. Oder eine Nachfrage bei den Kollegen der mehr als 200 Fernseh- und Radiosender aus aller Welt. Da sitzen die Ahrensburger neben früheren Weltklassefußballern wie dem Kolumbianer Carlos Valderrama und dem Franzosen Alain Giresse. Oder sie sind umzingelt von lautstarken Südamerikanern. Blanck: „Bei Honduras-Spielen reden zum Beispiel zwei einheimische Kommentatoren 90 Minuten ununterbrochen.“

An einem Tag übertragen sie zwei Spiele aus 800 Kilometer entfernten Städten

Vorbereitet ist das NDR-Team auch auf die sozialen Unruhen im Gastgeberland. So gab es für alle Mitarbeiter ein Sicherheitstraining am Computer. „Es wird in den größeren Städten Demos geben“, sagt Gottlob, „darüber wird natürlich auch berichtet.“ Ob alles weitgehend friedlich bleibt, hängt seiner Meinung nach auch davon ab, wie die brasilianische Auswahl startet und wie weit sie kommt.

Ähnlich schätzt Blanck die Lage ein. „Brasilien ist das bestmögliche Land für eine WM“, sagt er. „Aber es ist auch nachvollziehbar, dass die Menschen dagegen protestieren, dass so viel Geld für Stadien ausgegeben wurde.“ Diesen Konflikt werde man überall mitbekommen.

Wobei die Ahrensburger bei sieben Einsätzen an elf Tagen während der Vorrunde nicht viel Zeit haben, etwas anderes als Hotels, Stadien und Flughäfen zu sehen. Nach der gut 10.000 Kilometer langen Anreise aus Hamburg jetten sie bei acht Flügen noch einmal etwa 6000 Kilometer durchs Land.

Kondition brauchen die beiden Reporter vor allem am Sonnabend, 21. Juni: Ab 0 Uhr übertragen sie die Begegnung Honduras–Ecuador aus Curitiba. Nach dem Schlusspfiff führt der Weg zum Airport, wo um 6.30 Uhr der Flieger ins 800 Kilometer entfernte Belo Horizonte startet. Dort gelandet, fahren sie nahezu direkt ins Stadion, um ab 18 Uhr beim Spiel Argentinien–Iran wieder am Mikrofon zu sitzen.

Dort sieht Tobias Blanck einen seiner Mitfavoriten auf den Titel. „Ich bin gespannt, was Argentinien und Chile machen“, sagt er. Und auch den Spaniern traut er nach der Analyse etlicher Testspiele entgegen früherer Einschätzung einiges zu: „Die jungen Talente haben sich gut integriert.“

Für Gerd Gottlob bleibt Brasilien der große Favorit. „Und auch Deutschland wird sehr lange dabei sein“, sagt er. Im Gegensatz zu dem Team aus Ahrensburg womöglich sogar bis zum Finale. Denn am 13. Juli, dem Tag des Endspiels, sind Gottlob und Blanck wieder zu Hause. Das steht jetzt schon fest.