Reinbek trauert in der Maria-Magdalenen-Kirche um die getötete Zehnjährige. Polizei gibt Unfallursache bekannt

Reinbek. „Ich sehe, wie Sarah auf einem Pferd im Galopp am Wattenmeer reitet. Sie lässt die Zügel los und breitet ihre Arme aus“, sagt Pastor Benedikt Kleinhempel. Mit diesen Worten erinnert er an das zehnjährige Mädchen, das vor rund drei Wochen bei einem schweren Unfall im Reinbeker Ortsteil Schönningstedt lebensgefährlich verletzt wurde und zwei Tage später im Krankenhaus starb.

Mehr als 300 Menschen sind am Donnerstag zu der Trauerfeier in die Maria-Magdalenen-Kirche in Reinbek gekommen. Ursprünglich wollten Familie, Freunde und Bekannte unter freiem Himmel auf Sarahs Lieblingswiese in Schönningstedt Abschied von dem Mädchen nehmen, doch wegen des andauernden Regens verlegten sie die Trauer-Zeremonie in das Gotteshaus.

„Wir alle sind heute hier, um euch beizustehen, damit ihr nicht alleine seid“, sagt der Pastor zu den Eltern und der Schwester. „Mitschüler, Lehrer, Freunde, die Feuerwehr und ganz viele aus dem Ort möchten bei euch sein, bei Sarah“, so Kleinhempel. „Auch wenn wir die Tiefe des Schmerzes nicht fühlen können, möchte aber jeder nach seiner Möglichkeit euch beistehen. Ich wünsche mir, dass ihr das merkt“, so der Pastor, der an das kurze Leben von Sarah in seiner Ansprache erinnert.

„Ich sehe sie auf dem Hockeyplatz. Mit ihren neuen Schuhen, dem Rock und einem Hemd, auf dem ihr Name eingestickt ist. Ich kann ihre Freude hören: ‚Ich habe sieben Tore geschlagen‘.“ Der Geistliche möchte damit jedem in der Kirche Bilder vor Augen führen, an die sich die Menschen erinnern sollen, wenn sie an Sarah denken.

Doch auch der weiße, bunt bemalte Sarg wird sich in das Gedächtnis der Trauernden brennen. Ein Regenbogen, eine Sonne und ein rosafarbenes Einhorn, viele Herzen und Blumen sind darauf gemalt. „... immer in unseren Herzen“ steht mit roter Farbe dort geschrieben – genauso wie „Alles Gute“. Hinter dem Sarg steht ein großes Porträt von Sarah, angelehnt an den Altar. Es wirkt so, als ob sie alle Menschen in der Kirche anlächelt.

„Es ist wunderschön, dieses Bild zu haben“, so Kleinhempel, der die Trauergemeinde auffordert, diese Fröhlichkeit und Lebendigkeit, für die Sarah bekannt war, von ihr mitzunehmen. Auch die Zwillingsschwester von Sarah nimmt auf ihre Weise Abschied. Sie singt mit hoher, erstaunlich gefasster Stimme aus einem Kinderlied: „Sie ist überall. Sie ist in unserem Herzen.“ Viele Menschen in der Kirche beginnen bei diesen Zeilen zu weinen, wischen sich mit Taschentüchern die Tränen aus dem Gesicht. Das Mädchen mit dem geflochtenen blonden Zopf und der türkisfarbenen Schleife im Haar sieht ihrer gestorbenen Schwester so ähnlich.

Vor der Kirche lassen die Menschen 350 rote Luftballons in den Himmel steigen

Auch eine Lehrerin tritt an das Mikrofon: „Wir haben in der Klasse über Engel gesprochen“, so die Frau mit dem grünen Schal. Mehrfach bricht ihr die Stimme weg. Sie ringt um Fassung, insbesondere als sie sagt: „Eine offene Frage ist uns aber geblieben: Warum sie nicht weiterleben kann.“

Nach der Trauerfeier lassen die Gäste 350 rote Luftballons vor der Kirche in den Himmel steigen. Lange blicken die Trauernden den Ballons hinterher, die vom Wind in Richtung Norden getrieben werden und damit über die Kreuzung fliegen, an der am 14. Mai der schreckliche Unfall passierte.

Sarah war auf dem Weg von der Schule zu ihrer Großmutter. An der Kreuzung Schönningstedter Straße/Sachsenwaldstraße musste sie an einer roten Ampel warten. Dann passierte das Unfassbare: Ein Lastwagenfahrer verlor plötzlich die Kontrolle über sein Fahrzeug. Das Gefährt des 52-Jährigen geriet ins Schleudern und krachte gegen den Ampelmast. Sarah wurde mehrere Meter in den Graben geschleudert und blieb dort leblos liegen. Ein Notarzt musste das Mädchen 20 Minuten wiederbeleben. Zwei Tage später erlag es im Krankenhaus seinen schweren inneren Verletzungen.

Seitdem herrscht in Reinbek Fassungslosigkeit und tiefe Trauer. Mitschüler und viele andere haben Stofftiere, Blumen und Kerzen an die Unfallstelle gestellt. „Nach dem Unfall wurde sofort wieder ein neuer Ampelmast aufgestellt, aber an der Verkehrssituation dort hat sich nichts geändert“, sagt Sarahs Mutter. „Das schmerzt.“ Sie wünscht sich, dass die Kreuzung, an der ihre Tochter starb, sicherer wird. „So ein Unfall könnte sich jederzeit wiederholen“, sagt die Mutter.

Polizei geht als Unfallursache von überhöhter Geschwindigkeit aus

Deswegen hat sich die Familie bewusst für den Weg in die Öffentlichkeit entschieden. Die Eltern wollten, dass möglichst viele Menschen zur Trauerfeier kommen. Sie wollen sich für einen sicheren Schulweg einsetzen. „Da muss sich etwas ändern“, sagt die Mutter. Die Eltern riefen dazu auf, statt Blumen für die Trauerfeier für einen sicheren Schulweg zu spenden. Wer helfen möchte, kann Geld auf das Spendenkonto von Ollrogge Kleinert Bestattungen bei der Haspa (Kontonummer 1040217901, Bankleitzahl 200 505 50) mit dem Verwendungszweck „Sarah“ überweisen. Ferner planen die Eltern am Mittwoch, 18. Juni, in das Reinbeker Rathaus zu gehen und auf die Verkehrssituation an der Kreuzung aufmerksam zu machen. Beide wollen anderen ein so schweres Schicksal ersparen. Sie und viele andere Eltern hätten schon öfter beobachtet, dass Auto- und Lastwagenfahrer viel zu schnell auf der Sachsenwaldstraße unterwegs sind.

Sarah musste wohl deswegen sterben. Wie die Polizei jetzt bekannt gab, soll nach ersten Erkenntnissen der Ermittler und des DEKRA-Gutachters „der Fahrer mit überhöhter Geschwindigkeit in die Ortschaft reingefahren sein. An der Kreuzung geriet er deswegen auf den Grünstreifen“.

Nach der öffentlichen Trauerfeier in der Maria-Magdalenen-Kirche wurde Sarah im engsten Familien- und Bekanntenkreis auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg neben ihrem Großvater beigesetzt.