Und wieder zieht er an mir vorbei. So schnell, dass ich in der Hitze nur noch seinen verschwommenen Schatten wahrnehmen kann.

Mein Deutschlehrer. Das war während meines letzten Unesco-Laufes. Obwohl – eigentlich war das jedes Jahr so. Über die Jahre scheint er nicht nur an Lebensweisheit, sondern auch an körperlicher Fitness gewonnen zu haben.

In der fünften und sechsten Klasse begann meine Geschichte mit ihm. Er war mein erster Deutschlehrer am Gymnasium und führte mich ein in die Welt, in der es um mehr als nur um Schreibschriftlernen ging. Ab der Oberstufe stockte er dann auf: Es war vorbei mit Diktaten und Grammatikübungen. Mit Leidenschaft wurden uns Goethes Gedichte, Kafkas Werke und Brechts Kurzgeschichten nahe gebracht. Er hatte hart zu kämpfen in einer Klasse, die aus acht Mädchen des Sprachprofils und acht männlichen Naturwissenschaftlern bestand. Anders als vielleicht angenommen, zeigten jedoch auch die Sprachlerinnen das eine oder andere Mal Widerstand. In einer Klausur zu Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ wagte ich zu schreiben, dass mir der Roman deshalb nicht gefalle, weil ich den Schreibstil zu übertrieben und romantisch fände. Als ich die korrigierte Klausur wiederbekam, fand ich in meinem Heft eine halbe Reportage in Rotschrift zum Thema, wie außerordentlich wichtig und großartig Goethes Werke seien. Von diesem Punkt an riskierte ich kein weiteres urteilendes Wort über König Goethe.

Ob ich seine Einstellung nun teilte oder nicht – seine Meinung war eine der wenigen, die ich mir von den Lehrern wirklich zu Herzen genommen habe. Schon öfter habe ich mich dabei erwischt, wie ich mir gewünscht habe, irgendwann eine ähnliche Mischung aus Humor, Weisheit, Bildung und Gelassenheit zu erreichen. Mir ist bewusst, dass diese Mission durchaus schwierig zu erreichen sein wird.

Mit der Tatsache, dass ich nie so sportlich sein werde, habe ich mich abgefunden.