Kevin Gallagher und Heiko Ossig geben ein verrücktes Konzert – vom Bauchweg-Gürtel inspiriert

Ahrensburg. „Es ist unglaublich.“ Die Frau in der Dauer-Werbesendung ist Amerikanerin. Also sagt sie: „It’s incredible!“ Und dann noch: „Oh. Wow!“ Die Begeisterungsausrufe gelten dem Bauchweg-Trainingsgürtel, der die Pfunde nur so wegrüttelt. Jacob ter Veldhuis, der passenderweise unter dem Künstlernamen Jacob TV firmiert, stiert auf die Flimmerkiste und ist hin und weg und als Komponist wachgerüttelt. „It’s incredible. Wow! It’s incredible. Wooow!“ Das ist der Wahnsinn, denkt Jacob TV. Daraus lässt sich doch was machen. Und er hat gemacht. Was, das ist am Freitag, 13. Juni, im Ahrensburger Marstall zu hören.

Die Fernsehlady wird aus aus dem Lautsprecher tönen. Aber ihre Botschaft ist verzerrt. Wortfetzen sind zusammengeschnitten, komponiert zu einer Endlos-Begeisterungsschleife. Es ist ein Spiel mit dem Rhythmus des Werbe-Irrsinns und deswegen auch auf Knopfdruck abrufbar. Live dazu mischt sich der Klang zweier Gitarren. Auf der Bühne ein Amerikaner und ein Deutscher: Kevin R. Gallagher, aus New York eingeflogen, und Heiko Ossig vom Musischen Forum Bargteheide. Gemeinsam mit der Lady aus der Konserve werden sie „The body of your dreams“ performen. Acht Minuten und 30 Sekunden lang. Dann wird der Traum von einem maschinell herstellbaren makellosen Körper ausgeträumt sein.

So wie bei der Komposition selbst, kam auch die zündende Idee für das Konzert vor dem Bildschirm. „Ich hatte Gallagher auf Youtube gesehen und gehört, wie er Musik von Jacob TV spielt“, sagt Heiko Ossig. Er war total begeistert, schickte Gallagher eine E-Mail, blieb mit ihm in Kontakt und lud ihn ein, in Deutschland auf Tour zu gehen. Ossig: „Er hat sofort zugesagt.“

Weil sich die beiden vorher nur über Skype gesehen hatten, mussten sie hart in die Probenarbeit einsteigen. Gleich am Tag, nachdem Ossig seinen Künstlerkollegen vom Flughafen abgeholt hatte, ging es los. Jetlag hin oder her. Ossig: „Die Stücke sind schwer. Der Rhythmus ist wahnsinnig kompliziert.“

„music from the avant-pop“ heißt das Konzert-Projekt der beiden Musiker, die nun ihrerseits mit avantgardistischem Pop für „Oh und Wow “ im Publikum sorgen wollen. „Wir spielen auch Stücke von anderen. Alle cool“, sagt Ossig, der das postmoderne Kunststück vollbringt, sich bei einem Stück von Steve Reich zu verfünfzehnfachen.

Ossig spielt 15 Stimmen gleichzeitig

Ossig: „Ich habe zwölf Gitarren- und zwei Bassstimmen im Studio meines Kollegen Björn Berndt in Hamfelde aufgenommen.“ Im Marstall wird Ossig dann live die 15. Stimme dazu spielen. „Electric Counter Point“ heißt das Werk, als Anspielung auf eine Kompositionstechnik des Barock, bei der lange Töne oder Tonfolgen als Grundmuster durchlaufen. Diese Art zu komponieren liegt locker ein paar Jahrhunderte zurück. Nun gibt es sie im neuen Gewand – als Kontrapunkt aus der Steckdose.

Dabei kommt Heiko Ossig von der Klassik und hat 2010 im Ahrensburger Marstall die Classical Guitar Society mitbegründet. Aber es gibt es eben noch mehr zu entdecken. So werden die beiden Musiker das volle Programm fahren, mit Verzerrer, Chorus- und Delay-Effekten, aber im Wechsel auch zur akustischen Gitarre greifen. Ossigs amerikanischer Duo-Partner beherrscht ebenfalls beides: Gallagher ist Absolvent der Julliard Music School in New York und Preisträger weltweit bedeutender Gitarrenwettbewerbe. „Der ist wirklich klasse“, sagt Ossig. Auch deswegen hat er mal eben eine Tour mit sieben Auftritten organisiert.

Im Anschluss an Ahrensburg geht es nach in Rostock. Dorthin, wo Ossig an der Musikhochschule unterrichtet. Und da er auch an der Hamburger Hochschule unterrichtet, steht auch die Hansestadt auf dem Tourplan: Zum Auftakt spielt das Duo am heutigen Mittwoch im Privileg, einem Club an der Mönckebergstraße, und am 10. Juni in der NDR-Reihe „Das neue Werk“ – womit auch die Pop-Avantgarde im Kulturbetrieb angekommen wäre.

Beim NDR-Konzert im Rolf-Liebermann-Studio ist dennoch Unerhörtes zu erwarten. Denn hier kommen sie alle zusammen: die Gitarristen Ossig und Gallagher, ein Ensemble der Rostocker Musikhochschule, Mitglieder des renommierten Hamburger Ensemble Resonanz, zwei Video-Künstler und Jacob TV, der Bauchweg-Werbesendungen in Musik verwandelt. Er wird eigens aus den Niederlanden anreisen. „So ein NDR-Künstlerporträt lässt man sich nicht entgehen“, sagt Ossig, der auch diesen Abend eingefädelt hatte.

Das NDR-Konzert bietet Jacob TV im Breitwand-Format. „The body of your dreams“ ist dort zu erleben, außerdem „The News – eine Reality Opera“. Eine Art Mediencollage. Vielleicht hilft es zu wissen, dass die Boombox das Lieblingsinstrument des Komponisten ist. Jenes CD- und Kassettengerät mit den potenten Lautsprechern, das in den 80er-Jahren Kult war und aus dem im Marstall die Bauchweg-Werbe-Lady tönen wird, quasi als Medienpartner der Gitarristen. Aber wozu das alles? Der Komponist sagt es so: „What the media shows us, is often stranger than fiction.“ Frei übersetzt: Was Medien zu bieten haben, ist oft verrückter als die Fiktion.

Das Wort schön passt auf avant-pop nicht. Spannend trifft es besser. So spannend, dass Gallagher, der bei Naxos eine gefeierte CD mit Barock und Renaissance-Musik rausgebracht hat, eigens bei Jacob TV Musik für seine Electric Kompany in Auftrag gegeben hat. Das passt für ihn perfekt. „Denn die Möglichkeiten der E-Gitarre“, sagt Gallagher, „sind im Hinblick auf Spieltechnik und Sound nahezu grenzenlos.“

Das Konzert im Marstall (Lübecker Straße 8) mit Heiko Ossig und Kevin R. Gallagher am Freitag, 13. Juni, beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt kostet 15 Euro. Karten gibt in der Konzertkasse, Große Straße 15 a, in der Galerie Faerber (Hagener Allee 10) und bei Rieper (Eilbergweg 5) in Großhansdorf.