Trittauer Verein Vier Hufe & Co. befreit gequältes Fohlen vom berüchtigten Pferdemarkt im polnischen Skaryszew

Trittau. Fräulein Mimi vermisst ihre Mama. Immer wieder sucht das junge Pferd bei Wallach Merlin nach Milchnachschub – natürlich ohne Erfolg. Fräulein Mimis Mama ist tot. Die Stute wurde auf dem Pferdemarkt im polnischen Skaryszew von Pferdehändlern an einen Schlachthof verkauft. Das wäre auch das Schicksal ihres elf Monate alten Fohlens Mimi gewesen, hätten Nicol und Roger Hufnagel vom Pferdeschutzverein Vier Hufe & Co. aus Trittau sie nicht für 533 Euro freigekauft und damit ihr Leben gerettet. Auch der schwarzweiße Merlin hatte Glück. Mit gefesselten Beinen stand der abgemagerte Schecke völlig apathisch an einem Anhänger. Der leere Blick aus seinen entzündeten Augen ließ Nicol Hufnagel nicht mehr los – auch ihn kaufte das Ehepaar und bewahrte ihn so vor dem sicheren Tod. Jetzt leben Fräulein Mimi und Merlin mit zehn Artgenossen in Trittauerfeld auf dem Hof der glücklichen Pferde, den Hufnagels seit vier Jahren betreiben.

Offene Wunden werden mit Autolack überdeckt

„Der Pferdemarkt in Skaryszew gilt als einer der grausamsten Tiermärkte Europas“, sagt Nicol Hufnagel. Nur ungern erinnert sich die 51-Jährige an die Tage, die sie dort vor einigen Wochen mit ihrem Mann Roger und einer befreundeten polnischen Tierschützerin verbracht hat. „Auf diesem Markt herrschen Zustände, die absolut untragbar sind. Die Tiere werden mit dicken Eisenstangen in die Anhänger geprügelt. Offene Wunden werden mit Autolack überdeckt, um dadurch einen besseren Preis zu erzielen. Viele Pferde stehen eng angebunden direkt neben offenen Feuerstellen. Versuchen sich die sensiblen Fluchttiere voller Panik loszureißen, bekommen sie Schläge mit Peitschen aus Stacheldraht.“ Mit bis zu 2000 Pferden wird hier an einem Tag gehandelt. Die meisten werden, wie Fräulein Mimis Mutter, in viel zu enge Transporter verladen und ohne Wasser und Futter Tausende von Kilometern quer durch Europa nach Italien, Frankreich oder in andere Länder gekarrt, um dort auf der Schlachtbank zu landen.

„Das ist für die Händler ein rentables Geschäft“, erklärt Roger Hufnagel den Irrsinn. Er empört sich vor allem darüber, dass die EU die Tiertransporte teilweise sogar noch subventioniert. „Wir dürfen nicht mehr wegschauen. Deshalb unterstützen wir in diesem Fall unsere polnischen Tierschutz-Kollegen, die uns um Hilfe gebeten haben.“ Dabei gehe es nicht ausschließlich darum, ein oder zwei Pferde „aus dieser Hölle zu befreien“, so Nicol Hufnagel. „Leider ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und das ist uns sehr wohl bewusst. Mit dieser Aktion wollen wir in erster Linie auf unsere Arbeit aufmerksam machen und möglichst viele Menschen für die Notwendigkeit des Tierschutzes sensibilisieren. Das wiederum kann dann vielen weiteren Tieren das Leben retten.“

Fräulein Mimi und Merlin haben sich auf dem zweieinhalb Hektar großen Gelände des Hofes bei Trittau schnell gut eingelebt. Der große Schecke hat schon ordentlich zugenommen und sich zum Ersatzvater für Mimi gemausert. „Die beiden sind unzertrennlich“, sagt sich Nicol Hufnagel. Für beide Pferde wurden mittlerweile auch schon Paten gefunden, die sich finanziell an den Haltungskosten beteiligen.

Täglich werden dem Verein neue Fälle gemeldet

Denn obwohl Nicol und Roger Hufnagel, die hauptberuflich als selbstständige Berater im Gastronomie- und Sozialwesen tätig sind, einen großen Teil der anfallenden Kosten aus privater Tasche bezahlen, ist der Verein auf Geld- und Sachspenden angewiesen. „Wir bekommen jeden Tag mehrfach neue Pferdeschutzfälle gemeldet, um die wir uns ehrenamtlich kümmern“, sagt Roger Hufnagel. „Das könnten wir niemals alles allein schaffen.“

Das Engagement der Tierfreunde stößt nicht überall auf Gegenliebe. „Es gibt Menschen, die unsere Arbeit als überflüssig empfinden oder sich persönlich angegriffen fühlen, wenn wir uns einmischen“, sagt Nicol Hufnagel. „Dabei möchten wir nur unsere Unterstützung anbieten. Zum Wohl der Pferde.“ Das Hilfsangebot ist groß: Der Verein gibt Ratschläge zur artgerechten Haltung, vermittelt bei Bedarf kompetente Pflegestellen und hält kontinuierlich Kontakt zu den Behörden und anderen Tierschutzvereinen. Roger Hufnagel: „Wir halten uns dadurch immer auf dem Laufenden und können sofort angemessen reagieren, wenn uns wieder ein Fall gemeldet wird.“