Woran liegt es eigentlich, dass es in der Stormarner Gemeinde so viele Ortsschilder gibt? Die Anwort: Sie hat besonders viele Ortsteile. Das wiederum hat historische Gründe

Komisch ist meist das ganz Alltägliche. Was Normalbürger nur verwundert, ist für Kabarettisten oft ein gefundenes Fressen. Die geografische Lage von Bargteheide beschrieb das Komiker-Duo Alma Hoppe bei seinem Besuch im „Kleinen Theater“ kürzlich recht humorig: „Man fährt ein paar Mal in Ammersbek rein und wieder raus, und wenn man gerade denkt, man fährt im Kreis, dann ist man da!“ Was Nils Loenicker und Jan-Peter Petersen vielleicht nicht wissen: Das Gleiche gilt auch für Ahrensburg. Vorausgesetzt, man kommt aus derselben Richtung. Immer wieder Ammersbek. Rin un wedder rut! Dreimal mindestens, sogar viermal, wenn man in den äußersten Ahrensburger Osten will, zum Golfclub Hamburg-Ahrensburg zum Beispiel. Alle Augenblicke ein neues gelbes Ortsschild, aber immer wieder derselbe Name: Ammersbek!

Einmal mit der Nase drauf gestoßen, fängt man an sich zu fragen: Wo wohnst du hier eigentlich? Was ist das für ein seltsamer Ort? Und wieso diese vielen Schilder?

Letzteres ist am schnellsten zu erklären. Die Ortstafeln in Deutschland kennzeichnen nicht nur den Beginn oder das Ende einer Ortschaft mit geschlossener Bebauung, sie sind auch Teil der Straßenverkehrsordnung. Hier gilt: nicht schneller als 50 km/h! Aber wenn Ammersbek etwas nicht ist, dann geschlossen. Fünf Ortsteile verzeichnet die mit 9722 Einwohnern kleine Hamburger Randgemeinde: Lottbek, Hoisbüttel, Bünningstedt, Rehagen/Schäferdresch und Daheim/Heimgarten. Alles punktuell verteilt über eine Fläche von 17,71 Quadratkilometer, und jedes mit eigenen Ortseingangs- und Ortsausgangsschildern. Dazwischen Rapsfelder, viel grüne Wiese, Bachläufe, Kühe, Pferde und mittendrin der sagenumwobene Schüberg. Wenn diese 63 Meter hohe Stauchmoräne aus der Eiszeit reden könnte, hätte sie viel zu erzählen von der Geschichte der Gemeinde, die es in ihrer jetzigen Form allerdings erst seit dem 1. Januar 1978 gibt.

Im Jahr 1978 schlossen sich die Orte Bünninstedt und Hoisbüttel zusammen

Damals schlossen sich die beiden „Urzellen“ Bünningstedt und Hoisbüttel zusammen und gaben sich den Namen Ammersbek, nach dem gleichnamigen kleinen Bachlauf, der erst durch die Gemeinde und ein paar Kilometer weiter in Hamburg-Wohldorf als Aue in die Alster fließt.

Dieser Zusammenschluss war die Folge einer Gebietsreform, wie sie in den 1970er-Jahren in vielen alten Bundesländern umgesetzt wurde. Kleinere Gemeinden wurden zu größeren zusammengefasst. Das Ziel: Die Kommunen sollten handlungsfähiger werden, außerdem sollten auf diese Weise die Verwaltungsapparate verschlankt werden, damit am Ende mehr Geld für Gemeindeprojekte zur Verfügung steht. Bekanntes Beispiel im südlichen Schleswig-Holstein ist die Stadt Norderstedt, die erst 1970 aus der Zusammenlegung der Gemeinden Garstedt, Friedrichsgabe, Harksheide und Glashütte entstanden ist. Andere kleine Orte wurden dagegen eingemeindet. So kamen die Ammersbeker Nachbargemeinden Timmerhorn und Klein Hansdorf zur Gemeinde Jersbek. Datum hierfür war ebenfalls der 1. Januar 1978.

Dass sich die Hoisbüttler und die Bünningstedter zusammentaten, war eigentlich nur folgerichtig. Denn seit 1953 bildeten sie schon gemeinsam das Amt Bünningstedt. Hoisbüttler, die einen neuen Pass oder ein Führungszeugnis brauchten, mussten dazu nach Bünningstedt aufs Amt.

Trotzdem war jede Gemeinde selbständig und hatte ihren eigenen Bürgermeister – wenn auch nur einen ehrenamtlichen. „Für einen hauptamtlichen Bürgermeister hatten beide Orte zu wenige Einwohner“, erklärt der Holger Peters, Büroleitender Beamter von Ammersbek. In Bünningstedt wohnten damals 3386 Menschen, in Hoisbüttel 4351. „Also fiel irgendwann die Entscheidung: Wir schließen uns zusammen. Bedingung: Die Grundschulen bleiben in beiden Orten erhalten und die Freiwilligen Feuerwehren auch.“ Letztere sollen sich damals nicht besonders grün gewesen sein, heißt es. Aber das ist längst Schnee von gestern.

Wer in die Ammersbeker Chronik eintaucht, lernt, dass kleine Dörfer oft zum Spielball der Geschichte wurden. Der Grund: Es ging um das Land drumherum, das sich mal der eine, mal der andere unter den Nagel riss. Die Bewohner waren Leibeigene und hatte nichts zu melden. Sie mussten froh sein, wenn sie bei den jeweiligen Besitzern ihr kärgliches Auskommen hatten. Hoyersbutle (1262 zum ersten Mal urkundlich erwähnt) und Bünningstede (erste Erwähnung 1314) wurden ständig hin- und hergerissen. Mal gehörten sie zu Hamburg, mal zu Holstein und dem dänischen Königreich, mal zu Tremsbüttel, mal zu Kloster Reinfeld – und mal zu Ahrensburg.

Hoisbüttel unterstand vielen Gutsherren und war 500 Jahre lang geteilt

Allein in Hoisbüttel wechselten die Gutsbesitzer von 1672 bis 1809 sage und schreibe 18 Mal. Und nicht nur das: 500 Jahre lang war das kleine Bauerndorf sogar geteilt. Ein Teil (der glücklichere) unterstand den Hamburgischen Waldherren, der andere (der ärmere) den holsteinischen Gutsherren. Man braucht sehr viel Geschichtsverständnis, um bei diesem Durcheinander nicht schon bald den Überblick zu verlieren.

1951 hatten die Hoisbüttler und Bünningsteder offenbar genug von dem Hin und Her und gründeten zusammen ein Amt, frei nach dem Motto: „Nun ist erst mal Ruhe im Karton.“

Reine Bauerndörfer waren die zwei Gemeinden zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Die Weltwirtschaftskrise Anfang des 20. Jahrhunderts, der Erste und der Zweite Weltkrieg hatten sie verändert. Bereits in den 1930er Jahren war südlich vom Dorf Bünningstedt die Siedlung Daheim/Heimgarten entstanden. Erwerbslose Hamburger hatten hier für einen Quadratmeterpreis von 55 Pfennig kleine Schrebergärten erwerben können, um ein zusätzliches Auskommen zu haben. Aus windschiefen Holzhütten wurden bald feste Häuser. Eine Siedlung entstand.

Heute wirkt dieser Ammersbeker Ortsteil wie ein Teil von Ahrensburg. Man muss schon sehr aufmerksam auf die Ortschilder achten, um zu sehen, wo Ammersbek aufhört und Ahrensburg anfängt. Aber als sich die Bewohner von Daheim/Heimgarten 1976 in einer Umfrage äußern sollten, ob sie nun lieber zur Ahrensburg oder zu Ammersbek gehören wollten, da entschieden sie sich ganz loyal für Ammersbek. Die Bünningstedter hatten ihren abgelegenen „Außenposten“ nie vergessen oder vernachlässigt. „Da war es quasi Ehrensache, sich nicht auf die andere Seite zu schlagen“, sagt Peters.

Die Ortsteile Lottbek und Rehagen/Schäferdresch entstanden erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Als ausgebombte Hamburger und Flüchtlinge aus dem Osten dringend ein neues Zuhause brauchten. Ganze Straßenzüge sind heute noch geprägt von der typischen Bauweise der Kleinst- und Nebenerwerbshöfe. Im Ortsteil Lottbek gehören die Brennerkoppel und der Volksdorfer Weg dazu, auch wenn in den Gärten heute kaum noch Obst und Gemüse angebaut, geschweige denn ein Schwein im Stall gehalten wird.

Auch das Gebiet Schäferdresch wurde zur Heimat für viele Vertriebene. Die Landschaft um die Timmerhorner Teiche war größtenteils unfruchtbares Öd- und Heideland, das die Bünningstedter Bauern ohne langes Zögern verkauften. Ein bisschen abgelegen liegt diese inzwischen wohlhabend wirkende Villengegend immer noch da. So zwischen Hoisbüttel und Bargteheide. Immerhin gibt es einen Supermarkt, mit dem „Dorfkrug Harms“ einen anständigen Landgasthof und mit dem „Il Grappolo“ jetzt auch einen flotten Italiener. Ansonsten ist es ruhig und beschaulich, wie fast überall in Ammersbek.

Am deutlichsten hat sich der Ortsteil Lottbek über all die Jahre verändert. Früher nur Bahnstation mit Ausflugslokal, ist er heute am dichtesten besiedelt. Er profitiert von dem direkten U-Bahnanschluss. Auf der einen Seite der Gleise haben sich Aldi, Lidl und Edeka breit gemacht und auf der anderen Seite, wo in den 60er-Jahren noch Felder und ein idyllischer Reitturnierplatz lagen, findet man heute Gewerbe, Mietshäuser, kleine Läden und einen Supermarkt. Für manchen mutet das ganze schon fast großstädtisch an.

Doch mehr gebaut werden soll hier nicht. Ammersbek will das „grüne Paradies“ vor den Toren Hamburgs bleiben.

Gut 36 Jahre liegt die Geburtsstunde von Ammersbek nun schon zurück. In allen Bereichen ist man nicht auf einen Nenner gekommen. So gibt es nach wie vor drei verschiedene Vorwahlen: 040 für Lottbek und Hoisbüttel, 04102 (die Vorwahl von Ahrensburg) für Bünningstedt und Daheim/Heimgarten, sowie 04532 (die Vorwahl von Bargteheide) für Rehagen/Schäferdresch. Auch gibt es zwei Grundschulen, aber keine weiterführenden Schulen. Dazu müssen die Kinder nach Bargteheide, Ahrensburg oder Hamburg. Bis heute gibt es auch keinen gemeinsamen Friedhof und keine gemeinsame Kirchengemeinde. Allein sieben evangelischen und katholischen Kirchengemeinden betreuen die Ortsteile. Und jeder geht dahin, wo er sich aufgehoben fühlt.

Immerhin hat man sich 1987 auf ein Wappen geeinigt: Zwei rote Häuser gemeinsames über einem grünen Hügel mit Bäumen und einem goldenen Hufeisen. Die Häuser symbolisieren die zwei Urzellen Hoisbüttel und Bünningstedt, der Hügel den Schüberg und das Hufeisen die Sage vom Heer, das im Schüberg schlummert. Oder ganz profan: den Reitsport. Denn Pferde und Ponys gibt es hier viele.

Eine Gemeinde mit so unterschiedlichen Ortsteilen zu führen stellt für Bürgermeister Horst Ansén eine Herausforderung dar. „Die Besonderheiten jedes einzelnen Ortsteils müssen berücksichtigt werden“, erklärt er. „Dadurch ergeben sich auch ganz unterschiedliche Handlungsfelder. Das ist nicht immer ganz einfach, aber auch reizvoll.“ Er schätzt an seiner Gemeinde besonders das ehrenamtliche Engagement. „Die Leute wissen, was sie an ihrer Gemeinde haben und bringen sich ein.“ Er selbst wohnt im Ortsteil Rehagen und genießt das viele Grün vor der Haustür. „So soll das auch bleiben: Ammersbek als grünes Paradies vor den Toren Hamburgs. Hier lässt es sich gut leben. Hier bin ich zu Hause.“