Fahrrad-Polizist Andreas Niemand fährt in Bargteheide Streife auf zwei Rädern. Sein Ziel: Radler auf die Straße

Bargteheide. „Wo ist denn Ihr Blaulicht?“, möchte ein kleiner Junge von Polizeihauptmeister Andreas Niemand wissen. „Leider habe ich keins, dafür aber eine Polizeikelle“, antwortet der Polizist und kramt sie aus der Gepäckträgertasche seines Fahrrads hervor. Der Junge schenkt dem Gerät jedoch nur wenig Aufmerksamkeit. Seine Blicke wandern auf die Pistole am Gürtel des Polizisten. „Darf ich die da anfassen?“, fragt er und zeigt auf die Schusswaffe. Das geht der Mutter des Kindes dann doch zu weit.

„So etwas passiert mir ständig“, sagt Niemand und lacht. Der 45 Jahre alte Polizist fährt mit seinem Fahrrad durch Bargteheide Streife. Er ist Stormarns einziger Fahrradpolizist. „In Bargteheide bietet sich das wegen des Ortskern an. Ich komme aus Ammersbek, da würde sich die Fahrradstreife zum Beispiel nicht lohnen.“ Seine Aufgabe ist es vor allem, darauf zu achten, dass Radfahrer sich an die Regeln halten. „Wir verzeichnen sehr viele Unfälle, die auf das Fehlverhalten von Radfahrern zurückzuführen sind“, sagt Bargteheides Polizeichef Karsten Witt.

Die Beamten registrierten im vergangenen Jahr 249 Fahrradunfälle in Stormarn. Fast die Hälfte davon (117) haben die Radfahrer selbst verursacht. „Wir gehen jedoch von einem großen Dunkelfeld aus“, sagt Witt.

Der Polizist hatte unter Schülern eine Befragung gemacht. Witt: „Dabei kam heraus, dass nur zehn Prozent der Stürze polizeilich aufgenommen worden waren. Bei 20 bis 30 Prozent aller aufgenommenen Unfälle waren Stürze die Ursache. Der Bargteheider Polizeichef, ist sich sicher, dass diese Zahl deutlich gesenkt werden könnte, wenn die Radfahrer auf der Straße unterwegs wären. „Die sind dann viel aufmerksamer“, sagt Witt. „Und die Fahrer auf zwei Rädern würden auch besser von Autofahrern gesehen,, sodass auch die Zahl der Unfälle an Einmündungen weniger werden dürften“, prognostiziert Witt. „Oft kommt es auch zu Unfällen zwischen zwei Radfahrern, die mit den Lenkern zusammenstoßen.“ Auch dieses Problem gebe es dann nicht mehr.

Deswegen hat sich Karsten Witt auch dafür eingesetzt, dass in den vergangenen Wochen die blauen Verkehrsschilder mit den weißen Fahrradpiktogrammen großflächig in Bargteheide abgeschraubt wurden. Nur an der Rathausstraße und an der B 75 gibt es sie noch. Denn dieses Schild weist daraufhin, dass Radfahrer gezwungen sind, den Radweg zu benutzen. Fehlt das Schild, können sie auch auf der Straße fahren. Gibt es nur einen Fußgängerweg, müssen Radfahrer ebenfalls auf die Straße. Andernfalls droht ihnen ein Ordnungsgeld von 20 Euro.

„Doch ich setzte eher auf das Gespräch mit den Menschen und hoffe so auf Einsicht“, sagt Andreas Niemand. Wie bei einer Radfahrerin: „Bleiben Sie bitte stehen“, fordert er sie auf. Leicht irritiert und sich sichtlich keiner Schuld bewusst, hält die Frau auf dem Radweg der Rathausstraße an. „Erst mal ist es sehr gefährlich, mit Kopfhörern zu fahren. Sie können dann nicht mehr die Autos hören. Zum anderen sind sie auf der falschen Straßenseite unterwegs“, sagt Niemand. Denn an Einmündungen übersehen Autofahrer oft Radler, die von rechts kommen. Die Frau gelobt Besserung und schiebt ihr Rad weiter.

Auch bei Kindern setzt Niemand auf Einsicht. Ein Mädchen radelt mit einer Tüte Eis in der Hand vorbei. Ihr Fahrradhelm baumelt am Lenker. „Du hast doch so einen schicken Helm. Warum setzt du ihn denn nicht auf?“, will der Polizist wissen. „Der ist viel zu groß eingestellt. Außerdem juckt das“, sagt das Kind. Kurzerhand stellt Niemand das Band enger und setzt dem Mädchen den Helm auf. „Sieht doch super aus und du bist viel sicherer unterwegs.“

Zwar gibt es keine Helmpflicht, doch der Polizist weiß um die Gefahr. So ist in Bargteheide ein Radfahrer mit seiner Pedale am Kantstein hängen geblieben und gestürzt. Dabei erlitt er schwere Kopfverletzungen und starb zwei Tage später im Krankenhaus. Eine Frau, die ebenfalls gestürzt ist, hatte sich die Schulter und das Becken gebrochen. Auch ihr Fahrradhelm war zerbrochen, doch Kopfverletzungen hatte sie nicht.

So etwas erzählt der Polizist seiner Kundschaft gern. Auch, dass Radfahrer Schuld bekommen, wenn sie über einen Zebrastreifen fahren und angefahren werden. „Das heißt Fußgängerüberweg“, sagt er zu einem Radfahrer am Bahnhof. „Also müssen Sie auch ihr Rad schieben, dann sind sie nämlich Fußgänger.“ Auch er muss nicht mit einem Ordnungsgeld rechnen.

Anders sieht es für einen Autofahrer aus, der gerade mit seinem Handy in der Hand in die Spielstraße Am Markt abbiegt. Sofort tritt der FahrradPolizist in die Pedale und stoppt den Autofahrer. „Hier sind so viele Kinder unterwegs, da darf man nicht abgelenkt sein“, sagt der Vater zweier Töchter im Alter von einem und vier Jahren. Deswegen hat er auch kein Verständnis für die Ausreden des 45-Jährigen. Er muss nun it 60 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen.

Andreas Niemand ist allerdings nicht nur mit seinem Rad unterwegs. „Ich fahre auch mit dem Streifenwagen“, sagt Niemand, der schon seit 20 Jahren an der Bargteheider Wache arbeitet. Doch wenn er es sich aussuchen kann, ist er lieber mit dem Rad unterwegs. „Man ist viel näher am Bürger dran“, sagt Selbst im Winter genießt Andreas Niemand die Radstreife. „Als ich mal am Kreisel an der Rathausstraße stand, kam eine Apothekerin und drückte mir Traubenzucker in die Hand. Sie sagte, wie gut sie es finde, dass ich dort für Recht und Ordnung sorge“, sagt Niemand.

Bei der Verbrecherjagd ist er manchmal den Kollegen im Streifenwagen voraus. Denn auch er hat ein Funkgerät. Und als ein mit einem Fahrrad flüchtiger Dieb gesucht wurde, konnte Niemand diesen festnehmen.