Tausende strömten zum Spectaculum nach Basthorst – in eine Fantasiewelt

Basthorst. Sie kleiden sich in historische Gewänder und zahlen bis zu 27 Euro Eintritt, um für ein paar Stunden in eine andere Welt abzutauchen. Mehrere Tausend Menschen haben am Wochenende das Mittelalterlich Phantasie Spectaculum (MPS) auf Gut Basthorst besucht. Was macht die Faszination aus? „Die Friedfertigkeit, die Harmonie und das skurrile Volk sind für mich das Besondere an dieser Veranstaltung“, sagt Gisbert Hiller, der das MPS vor 21 Jahren initiiert hat. Seitdem reist er mit dem Festival durch ganz Deutschland.

Viele Besucher schätzen am MPS, dass sie vom Alltag abschalten können. Bettina Klempau sagt: „Ich hätte nicht im Mittelalter leben wollen, aber mich fasziniert die Zeit.“ Sie genießt beim MPS besonders die Abendstunden, wenn die Fackeln und Lagerfeuer entzündet werden und es kein elektrisches Licht gibt. Auch Paul Flöter gefällt die Atmosphäre. „Es ist ein Abtauchen in eine andere Welt ohne Elektrosmog, aber dafür mit netten und hilfsbereiten Menschen“, sagt der 24-Jährige.

Hiller, der damals noch andere Großveranstaltungen organisierte, kam durch den Besuch des Kaltenberger Ritterturniers auf die Idee, eine mittelalterlich angehauchte Veranstaltung zu kreieren, die herumreist, damit die Besucher nicht so lange Strecken fahren müssen. Hiller war dabei wichtig, keinen authentischen Mittelaltermarkt, wie es sie zu Dutzenden gibt, auf die Beine zu stellen. „Das MPS ist eine fantastische Mittelalter-Erlebniswelt, die unsere Besucher erforschen und entdecken sollen und in der sie unterhalten werden“, sagt er. „Bei uns kann jeder seinen Spleen ausleben. Ich freue mich am meisten über skurril Gewandete.“ Hiller sitzt manchmal stundenlang auf einem Strohballen und beobachtet die Leute. Piraten, Gothics, japanische Samurai, amerikanische Bürgerkriegssoldaten, Rattenmenschen, Orks und Elben – alles, was die Fantasy-Szene zu bieten hat, sei ihm schon begegnet.

Eine weitere Besonderheit sind die vielen Künstler. Neben Rittern, Gauklern und Stelzenläufern engagiert Hiller die angesagtesten Bands der Mittelalterszene aus ganz Europa. „Ich will immer nur die besten und außergewöhnlichsten Künstler haben“, sagt der 56-Jährige. Der Feuerkünstler, der bei den Rammstein-Auftritten für ein Inferno sorgt, Bands, die auf dem Rockharz und Wacken Open Air auftreten, und ein Fakir, der im Guiness Buch der Rekorde steht, sind Beispiele für Hillers Perfektionismus.

Lasterbalk, der Lästerliche, der bei der Band Saltatio Mortis die Davul, eine persische Trommel, spielt, ist seit zwanzig Jahren dabei. „Damals waren wir noch Schwertschaukämpfer, aber abends an einem der Lagerfeuer hatten wir Lust, Mittelaltermusik zu machen“, sagt der 41-Jährige. Seitdem reist er mit seinen Bandkollegen zu jedem MPS-Termin. Auch wenn sie mittlerweile schon Auftritte auf dem Rockharz und dem Wacken Open Air hatten, so fühlen sich die Bandmitglieder mit dem MPS, das ihre musikalischen Wurzeln darstellt, sehr verbunden. „Das Spectaculum ist wie eine große Familie für mich“, sagt Lasterbalk.

Hillers Konzept geht auf. Was vor 21 Jahren mit einer Veranstaltung im Jahr begann, ist mittlerweile fast eine reisende Stadt, die an 24 Wochenenden im Jahr in Städten in ganz Deutschland Halt macht. „Wir sind die Lokomotive der Szene geworden“, sagt Hiller nicht ohne Stolz. „Wir erzielen jedes Jahr neue Besucherrekorde.“ Allein in Hamburg-Öjendorf, wo das MPS immer am ersten Septemberwochenende gefeiert wird, kommen rund 30.000 Gäste. Trotz der vielen Menschen und der bunten Mischung habe es noch nie Ausschreitungen gegeben.

Mittlerweile ist das MPS die einzige Veranstaltung die er organisiert. Damit ist er auch voll ausgelastet. „Wir reisen Mittwoch an, bauen Donnerstag und Freitag auf, Samstag und Sonntag ist die Veranstaltung, Montag und Dienstag wird abgebaut und Mittwoch fahren wir schon wieder zum nächsten Ort“, sagt Hiller. Dennoch findet er Ruhe und Ausgleich bei den Veranstaltungen. „Wenn der Aufbau fertig ist, trinke ich Met oder Bier, gehe mit meinen Hunden übers Gelände und genieße die Künstler.“ Der Stress beginnt erst Sonntagabend mit dem Abbau und der ganzen Logistik. Denn die Kolonne mit ein paar hundert Fahrzeugen und mehreren hundert Tonnen Ladung und die zwei- bis dreitausend Teilnehmer zu koordinieren, erfordert viel Arbeit.

Besucher Heiko Schoknecht verspürt dagegen einen Erholungseffekt. „Für mich ist das wie Urlaub. Ich kann hier sehr gut entspannen.“ Seine Freundin Madeleine Eckstein und er haben sich gewandet. Überhaupt scheint für viele Besucher die Gewandung Teil der Entspannung zu sein. Mit der Alttagskleidung wird der Alltagsstress abgestreift. Vielleicht ist dies eines der Geheimnisse für die Friedfertigkeit der Veranstaltung.