Choreograf kommt mit Bischöfin Kirsten Fehrs und Starsolisten nach Großhansdorf zum Benefizabend für neue Orgel

Großhansdorf. Er ist Christ und Tänzer. So hat es John Neumeier über sich gesagt. Und so hat der international gefeierte Choreograf auch das gewohnte Repertoire durchbrochen und die Matthäus-Passion von Bach als Ballettmusik genutzt. Ein geistliches Werk für eine weltliche Tanzaufführung? Das ist für manche nach wie vor ein Sakrileg. Der Ballettintendant der Hamburger Staatsoper stellt andere Fragen: Kann das Theater dem Werk eine neue Dimension verleihen? Und schenkt umgekehrt ein sakraler Raum dem Ballett eine zusätzliche Deutung und Tiefe?

Dieses Wechselspiel ist am Donnerstag, 15. Mai, in Großhansdorf zu verfolgen. Denn Neumeier kommt ein zweites Mal in die Waldgemeinde und bringt diesmal sogar drei seiner Star-Solisten mit. Sie werden die Schmalenbecker Auferstehungskirche in einen Ballettsaal verwandeln. Oder wird umgekehrt die Kirche den Ausdruck der Tänzer verändern? Christ und Tänzer. Dabei ist es geblieben. Und das ist auch der Grund, warum ein Choreograf von Weltruhm in eine 9000-Seelen-Gemeinde vor den Toren Hamburgs kommt. Er hat eine Mission.

„Die Matthäus-Passion hat mich tief getroffen“, so hatte es Neumeier bei der Uraufführung seines sakralen Balletts 1980 gesagt. Es sei Ausdruck des Ringens um eine Körpersprache für religiöse Inhalte. Ja sogar des Ringens um die tänzerische Gestaltung des eigenen Glaubens. Das ist ein höchst persönliches Bekenntnis, formuliert vor mehr als 30 Jahren zur Uraufführung seiner Matthäus-Passion. Und doch ist die getanzte Passion ein Werk, das über das Persönliche hinaus auf Transzendentes verweist – und zugleich auf zutiefst Menschliches wie Glaube, Liebe und Hoffnung zurückführt.

„Glaube, Musik und Tanz“ ist daher in etwas abgewandelter Form auch der Dialog überschrieben, den das Publikum zu den Tanzszenen in der Auferstehungskirche erwartet. Neumeiers Gesprächspartnerin wird wie schon bei seinem ersten Besuch in Großhansdorf – als es um Bachs Weihnachtsoratorium ging – die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sein.

„Das Choreografieren zu geistlicher Musik ist ein wichtiger Teil meines Werkes“, sagt Neumeier, dem Kirchenmusik als Christ viel bedeutet und als Künstler eine Quelle der Inspiration ist. Deswegen macht sich der international gefeierte Künstler erneut auf den Weg in die Waldgemeinde. Denn dort wird, wie berichtet, eine enorme Kraftanstrengung unternommen, für die Kirche eine neue Orgel anzuschaffen.

„Es imponiert John Neumeier, wie ernsthaft sich die Großhansdorfer für die Orgel und damit für die Kirchenmusik einsetzen“, sagt Jérôme Cholet, Pressesprecher beim Hamburg Ballett. Es werde der Musik ihr eigentlicher Wert zuerkannt. Deswegen komme Neumeier in die Waldgemeinde. „Da ist er mit den Großhansdorfern auf einer Wellenlänge.“ Neumeier selbst sagt es so: „Wenn ich eine Gemeinde bei einem so wunderbaren Projekt unterstützen kann, freut mich das sehr.“

Er kann. Der erste Benefizabend, zu dem der Choreograf im Dezember vergangenen Jahres in die Auferstehungskirche kam, brachte einen Gewinn von 13.000 Euro, der in die Kasse des Vereins „Eine Orgel für Großhansdorf“ floss. Die Gemeinde hat eine Grenzing-Orgel in Auftrag gegeben. Kosten: rund 800.000 Euro. „490.000 Euro haben wir bereits zusammen“, sagt Pastor Christoph Schroeder. Auch das ist viel, aber noch längst nicht genug. Mit dem zweiten Neumeier-Abend soll das Spendenprojekt nun weiter befördert werden und wieder eine größere Summe für die Anschaffung der neuen Orgel zusammenkommen. „Wir sind berührt und dankbar, dass John Neumeier noch einmal zu uns kommt“, sagt Kai Greve, Vorsitzender des Orgelvereins. „Und dann auch noch mit drei so renommierten Tänzern des Hamburg Ballett.“

Angekündigt sind Dario Franconi, Silvia Azzoni und vor allem Lloyd Riggins. Er ist nicht nur erster Solist. Er soll von 2015 an auch offizieller Stellvertreter des Ballettchefs und 2019 Neumeiers Nachfolger werden. Riggins wird in Großhansdorf mit Silvia Azzoni ein Pas de deux tanzen, zur Sopran-Arie „Aus Liebe will mein Heiland sterben“ – Ausdruck des stillen Entsetzens und zugleich der tiefen Dankbarkeit gegenüber dem Erlöser. Zum Solo von Dario Franconi wird die „Erbarme-Dich-Arie“ der Matthäus-Passion erklingen, Ausdruck tiefster Verzweiflung und hoffnungsvollen Flehens.

„Die Solisten werden öfter gefragt, ob sie bei einer Gala auftreten wollen“, sagt der Ballett-Sprecher Jérôme Cholet. Dann werde Neumeier um Erlaubnis gefragt. „Diesmal ist es andersherum“, sagt Cholet. „John hat die Tänzer gefragt, ob sie mit nach Großhansdorf kommen. Es liegt ihm viel daran. Und die Tänzer machen es gern.“ Ein ungewöhnliches Projekt. Cholet: „Ich habe so etwas bisher nicht erlebt.“

Vergangene Woche war die Neumeier-Compagnie in Wien und feierte Erfolge mit der „Kameliendame“. Cholet: „Das Publikum war begeistert.“ Das Großhansdorfer Publikum kann sich auf einen höchst exklusiven Abend mit drei Solisten und mit dem Chef der umjubelten Truppe freuen. Vorausgesetzt, niemand verletzt sich. Cholet: „Wir müssen uns Umbesetzungen vorbehalten.“ Der Begeisterung würde das vermutlich keinen Abbruch tun. Das Interesse ist groß. „Die Karten zu 50 Euro für die ersten Reihen sind schon alle weg“, sagt Pastor Schroeder.

Für den Eintritt erwartet die Zuschauer Tanzszenen im Wechsel mit dem Dialog von Neumeier und Fehrs. Außerdem werden Sängerin Julia Barthe und Silja von Kriegstein vom Nationaltheater Mannheim das Programm ergänzen. Die Sopranistin steuert Musik aus dem Osteroratorium von Bach bei, die Schauspielerin liest aus der Passions- und Ostergeschichte.

Wie viel Geld für die Orgel zusammenkommen wird, ist ungewiss. Aber eins steht fest: Im Sommer wird mit dem Abbau des alten Instrumentes begonnen. „Es wird nach Polen verkauft“, sagt Pastor Schroeder und lädt schon jetzt für Sonntag, 6. Juli, 10 Uhr, zum Orgel-Abschiedsgottesdienst ein. Kantor Clemens Rasch und seine Vorgänger und Kollegen Joachim Einfeldt und Annerose Witt, die alle auf der alten Walcker-Orgel gespielt haben, werden das Instrument noch einmal zum Klingen bringen. Die neue Orgel wird im Frühsommer 2015 frisch aus Barcelona eingeflogen.

Der Abend mit John Neumeier in der Schmalenbecker Auferstehungskirche am 15. Mai beginnt um 20 Uhr. Die Karten für die vorderen Plätze sind schon weg. Karten für 25 Euro gibt es im Kirchenbüro (Alte Landstraße 20) und an der Abendkasse – falls noch vorhanden.